Berliner Halbmarathon 2019: Laufen, laufen... gucken!
Beim Halbmarathon am Sonntag lohnt es sich, mal genauer hinzusehen. Entlang der Strecke hat sich einiges getan: Eine Runde Berlin – nicht nur für Sportler.
Von City West bis Humboldt-Forum verändert sich Berlin rasant. Hier eine kleine Sightseeing-Tour entlang der Halbmarathon-Strecke.
Ernst-Reuter-Platz
Eigentlich sollten hier schon längst neue schlanke 150-Meter-Türme stehen, aber wie es in Berlin so läuft, bleiben die alten Nachkriegszwerge länger stehen als ihnen gut tut. Das denkmalgeschützte Telefunken-Haus auf der Westseite, 80 Meter niedrig, ist das Maß aller Dinge. Neuer Anlauf der Investoren: Vielleicht in 20 Jahren. Gebaut wird auf dem Platz natürlich trotzdem, neue Aufzüge und Haltestellen der BVG. Das kann noch dauern.
City West
Im Berliner Westen hat sich viel verändert. Am Bahnhof Zoo steht ein neues Geschäftshaus, und an der Stelle des Gloria-Palastes werden ebenfalls neue Gebäude errichtet. Geschichte ist auch das Ku’damm-Karree. An der Knesebeckstraße beginnt die Großbaustelle für das Projekt „Fürst“, um das ein Jahrzehnt lang gestritten wurde. Hinter den langweiligen Fassaden versteckten sich einst zwei Perlen der Theaterarchitektur – die Ku’damm-Bühnen. Sie sollten gerettet werden, mittels Publikumsprotesten und politischer Initiativen. Am Ende kamen sie jedoch weg. Künftig sollen Start-ups einziehen; Shopping spielt keine große Rolle mehr. Aber ein Theater soll es wieder geben.
Mahnmal für die Terroropfer
Seit Dezember 2017 ist die Gedächtniskirche, das Kriegsmahnmal, Gedenkort für einen weiteren Bruch der Zivilisation. Der Terroranschlag vom Breitscheidplatz hat hier eine dauerhafte Spur hinterlassen: Einen künstlichen Riss, der in den Betonstufen zum Podest der Gedächtniskirche klafft. 14 Meter lang, golden leuchtend, wie die Stolpersteine, die an die ermordeten Berliner Juden erinnern. Auch die Namen der Terroropfer sind verzeichnet.
Potsdamer Straße
Mal genau hinsehen: Ist das noch die olle Potse, die etwas schmuddelige, nur von Tagesspiegel, Wintergarten und der Joseph-Roth- Diele zusammengehaltene Ex-Frontstraße West-Berlins? Der Tagesspiegel ist zwar weg, aber dafür haben sich im ehemaligen Verlagsgebäude in den Mercator-Höfen Galerien, Restaurants und Geschäfte angesiedelt. Natürlich gibt es immer noch den Erotikmarkt an der Ecke Kurfürstenstraße, und den Sozialpalast weiter südlich an der Pallasstraße, aber das alles gehört eben zur Berliner Mischung dazu. Und jetzt will doch tatsächlich Sony Music in den alten Commerzbank-Klotz an der Bülowstraße ziehen, der bereits saniert wird – das dürfte die Straße weiter verändern.
Checkpoint Charlie
Die geballte Ladung Mauergrusel kann man sich hier weiterhin abholen, gepaart mit Maueridyll, Mauersouvenirs und Mauershow – nur fehlt es immer noch an seriöser globalhistorischer Einordnung des berühmten Ortes. Das hätte eigentlich ein staatlich geführtes Museum des Kalten Kriegs leisten sollen. Der Senat wollte sich allerdings einem Investor anvertrauen, dessen Finanzierung aus dubiosen Quellen kam. Die Staatsanwaltschaft ermittelt inzwischen wegen Verdachts auf Geldwäsche. Nach entsprechenden Recherchen dieser Zeitung ist der Deal nun geplatzt und alles steht wieder auf Anfang am Checkpoint Charlie. Die Mauershow kann die nächsten Jahre weitergehen.
Tempo 30
Seit rund einem Jahr steht an der Leipziger Straße eine neue, bislang unbekannte Schilder-Kombi: Tempo 30 mit dem Zusatz „Luftreinhaltung“. Da fassen sich viele Autofahrer an den Kopf, denn im Stau stehen sie hier auch bei erlaubtem Tempo 50. Die Leipziger gehört zu Deutschlands schmutzigsten Straßen, das haben die Feinstaub- und Stickstoffdioxid- Messungen ergeben. Tempo 30 sollte die Schadstoffe reduzieren, reicht aber nicht aus. Deshalb wird hier Berlins wichtigste Dieselstinker-Bannmeile entstehen. Die Umweltverwaltung ist mit den Streckenverboten etwas im Verzug, aber noch in diesem Jahr soll es losgehen.
House of One
Am Petriplatz an der breiten Gertraudenstraße stand früher die Petrikirche, das älteste Gotteshaus der Stadt. Im Krieg zerstört, dann abgerissen, erinnern heute nur noch archäologische Ausgrabungen an diesen Ursprungsort. Eine Initiative aus drei Religionen, Christen, Juden und Moslems, will hier ein „Haus des Gebets und der interdisziplinären Lehre“ bauen, eine Projekt der Begegnung und Verständigung, auch für Menschen ohne Glauben. Die Grundsteinlegung ist für 2020 geplant, doch bis dahin kann noch viel passieren. Eine Mäzenin zog ihr Engagement bereits zurück, weil der muslimische Trägerverein der Gülen-Bewegung angehört.
Humboldt-Forum
Niemand hatte die Absicht, das Hohenzollernschloss wiederaufzubauen. Oder doch? Sieht zumindest von außen so aus wie der Vorgängerbau, soll aber einen völlig anderen Geist entfalten, trotz der barocken Fassaden, die den Betonrohbau einhüllen. Inzwischen sind die meisten Gerüste gefallen, viele Exponate sind schon eingezogen, der Innenausbau geht in die Zielgerade. Im Herbst, wenn offiziell Eröffnung ist (so der Plan), wird aber längst nicht alles fertig sein. Der Slogan der Stiftung, die den Bau verantwortet, lautet: abschnittsweise Eröffnung“. Sicher ist, dass die Berlin-Ausstellung sich verspäten wird. Aber das passt ja auch.