Zwei Jahre nach dem Anschlag: Breitscheidplatz: Stilles Gedenken und zwölf Glockenschläge
Schweigeminuten beim Gedenken zum zweiten Jahrestag des Anschlags vom Breitscheidplatz. Pfarrer Germer fand einfühlsame Worte.
Zwölf Glockenschläge. Zwölf Tote. Genau zwei Jahre liegt der Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz nun zurück – aber die Tat ist am Ort selbst so präsent wie in den Gedanken der Angehörigen, die sich am Mittwochabend zur öffentlichen Andacht in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche zusammengefunden hatten. Pfarrer Martin Germer erinnerte an das Verbrechen und die Folgen; zum Schluss wurde das aus Bethlehem herbeigebrachte Friedenslicht an die Besucher verteilt, die mit den leuchtenden Kerzen zur Gedenkstätte vor der Kirche gingen. Um 20.02 Uhr, dem Zeitpunkt des Anschlags, begannen die fünf von den Glockenschlägen untermalten Schweigeminuten.
Einige Angehörige der Opfer waren eigens zum Gedenken angereist. Sascha Klösters, ein Pilot aus Neuss, war bereits am Vortag gekommen. Er stand am Morgen an dem goldenen „Riss“ im Boden, dem Mahnmal für die Opfer, und zeigte auf einen Stand. „Da war ich mit meiner Mutter“, sage er, „wir unterhielten uns mit den Betreibern. Es war unser Lieblingsstand.“ Er überlebte den Terroranschlag schwer verletzt. Seine Mutter Angelika Klösters kam an diesem Abend in Berlin ums Leben.
Betont zurückhaltend
Er war wie andere am Vormittag zu einer Kranzniederlegung gekommen. Aus Israel kam Rami Elyakim, der bei dem Anschlag seine Frau Dalia verlor. Der Rentner aus Herzlia überstand unzählige Operationen, muss auch heute noch an Krücken gehen. Die Opfer und Hinterbliebenen umarmten und begrüßten sich. „Hier sehen wir uns, das ist sehr, sehr wichtig“, sagte Klösters. Für ihn ist es auch wichtig, diesen Ort wiederzusehen, als eine „Art der Wiederaufarbeitung“.
Das geht nicht allen Betroffenen so. Manche wollen keinen Kontakt zu anderen. Andere halten Verbindung über die Whatsapp-Gruppe der Angehörigen, waren an diesem Gedenktag aber nicht erschienen. Und es waren Angehörige und immer noch schwer verletzte Opfer zu sehen, die abseits stehen und allein gelassen werden wollen.
Betont zurückhaltend agieren am Mittwoch die Politiker, darunter Senatoren, Fraktionschefs, der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD), der Präsident des Abgeordnetenhauses, Ralf Wieland, sowie der stellvertretende Landesbranddirektor Karsten Göwecke und die Opferbeauftragten, Edgar Franke für den Bund, und Roland Weber für Berlin. Wegen des Wunsches der Angehörigen, dass die Politik beim zweiten Gedenktag keine herausragende Rolle spielen sollte, sprach Pfarrer Germer auch die einleitenden Worte zur Kranzniederlegung.
Gedenken an die zwölf Toten
„Zwei Jahre nach dem Anschlag vom 19. Dezember 2016 sind wir hier, um der zwölf Menschen zu gedenken, die an diesem Abend jäh aus dem Leben gerissen wurden, und mit ihnen auch der vielen, die dabei schwere und zum Teil bleibende Verletzungen davongetragen haben.“ Und er wolle all denen „ein besonders herzliches Willkommen sagen, die heute erstmals an diesen Ort gekommen sind, und die dafür zum Teil eine sehr weite Anreise auf sich genommen haben“. Jede Passage seiner kurzen Rede wurde ins Englische übersetzt.
Dann nannte Germer die Namen der zwölf Toten: Anna und Georgiy Bagratuni (Ukraine), Nada Cizmar (Tschechische Republik), Fabrizia di Lorenzo (Italien), Dalia Elyakim (Israel), Lukasz Urban (Polen) und aus Deutschland Sebastian Berlin, Christoph Herrlich, Klaus Jacob, Angelika Kösters, Dorit Krebs und Peter Völker. Nach einer Schweigeminute legten die Politiker Kränze nieder, die Hinterbliebenen zündeten Kerzen an. Die Angehörigen finden das kurze Gedenken sehr angemessen. „Eine gute Sache. Aber natürlich mussten wir uns erst wieder mit unseren Vorschlägen durchsetzen“, erzählt Astrid Passin, die vor zwei Jahren ihren Vater auf dem Breitscheidplatz verloren hat
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