Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen antwortet Leser: Lassen wir Berlins Infrastruktur verrotten?
Unser Leser meint, es sei in Berlin alles kaputtgespart, wohin man auch schaue. Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen hält dagegen: Der Senat müsse sich den Herausforderungen stellen und angesichts der Haushaltslage realistisch bleiben.
Am 14. Juli haben wir über den Sanierungsstau der Berliner Feuerwehr berichtet. Allein für die Gebäude werden 140 Millionen Euro benötigt. Unser Leser Herbert Kolokewitzsch beklagt, dass die Infrastruktur der Stadt kaputtgespart worden sei und dem Senat ein Konzept für die Zukunft fehle:
"Nun also die Feuerwehr. Egal, wo man hinschaut, ob Polizei, Schulen, Verkehrsbauten, BVG, überall die gleichen Worte: Sanierungs- und Investitionsstau, die Substanz ist dahin. Wir haben also alles kaputtgespart und müssen jetzt ein Vielfaches des Eingesparten wieder ausgeben. Und eine Strategie zu retten, was noch zu retten ist, gibt es auch nicht. Das sind ja keine Investitionen in die Zukunft, mit denen man glänzen kann, das ist Daseinsvorsorge, Erhalt der Infrastruktur. Aber der Senat wurstelt vor sich hin, ein großer Wurf fehlt.
Und wenn es dann für einen der vielen Missstände mal ein bescheidenes Programm gibt (das in sich auch schon wieder unzureichend ist), dann fehlt das Personal, um die Aktion kontrolliert, fachgerecht und effizient durchzuführen und das Geld kann nicht verbraucht werden. Vom Ansatz, neues Fachpersonal einzustellen, bis zu dem Moment, in dem der neue Mitarbeiter am Schreibtisch sitzt und seine Arbeit aufnimmt, vergehen vermutlich zwei Jahre. Wenn es also jetzt losgeht, ist vor Ende 2017 keine Besserung zu erwarten."
Das antwortet ihm Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen:
"Es ist unbestritten, dass in vielen Bereichen der Berliner Infrastruktur ein großer Instandhaltungs- und Sanierungsbedarf besteht. Um das festzustellen, genügt es, mit offenen Augen durch die Stadt zu gehen. Großer Investitionsbedarf ist allerdings keine Berliner Besonderheit, sondern herrscht in weiten Teilen Deutschlands. Damit soll die Aufgabe, die vor uns liegt, nicht kleingeredet werden – aber wir sind mit ihr nicht allein.
Bei allem Verständnis für die Kritik am Zustand unserer Infrastruktur will ich doch feststellen: Niemand hat in Berlin aus bösem Willen oder Gleichgültigkeit an der Infrastruktur gespart. Wir müssen uns schon vor Augen führen, in welcher finanziellen Lage das Land Berlin noch vor einigen Jahren war: Berlin hatte Jahr für Jahr Defizite in Milliardenhöhe. In dieser Situation war ein strikter Konsolidierungskurs unumgänglich – auch wenn er zwangsläufig tiefe Spuren bei Straßen und Plätzen, Schulen, Polizei- und Feuerwachen hinterlassen musste.
"Sparen hat Spielräume geschaffen"
Dank der harten, aber notwendigen Konsolidierungspolitik hat das Land jetzt Spielräume zurückgewonnen, über die viele andere Bundesländer froh wären: So konnten wir aus den Überschüssen des Vorjahres beinahe eine halbe Milliarde Euro in ein Sondervermögen geben, das für zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur verwendet wird. In Zahlen: 496.000.000 Euro für zusätzliche Investitionen. Das ist schon etwas mehr als das von Ihnen kritisierte „bescheidene Programm“.
Aus diesem Sondervermögen „Infrastruktur der Wachsenden Stadt“ (SIWA) werden viele Bereiche gefördert, in denen großer Bedarf besteht: Im Mittelpunkt steht die Infrastruktur in den Bezirken, vor allem die Schulen, aber auch die Krankenhäuser und der öffentliche Nahverkehr sowie Polizei und Feuerwehr profitieren vom Sondervermögen.
"Investitionen in Gebäude steigen um 20 Prozent"
Wer schon vor den Sommerferien erste Bauarbeiten erwartet hat, wird vielleicht enttäuscht sein. Auch ich will, dass die SIWA-Projekte nach der Sommerpause so schnell wie möglich vom Parlament freigegeben und konkret begonnen werden. Denn feststeht: SIWA ist ein gutes Programm für Berlin und eine richtungsweisende Entscheidung für mehr Investitionen in der Stadt.
Neben diesem Sondervermögen wollen wir auch im regulären Haushalt mehr tun, um den Anforderungen der wachsenden Stadt zu begegnen und den Sanierungsbedarf in Angriff zu nehmen. Dafür steigern wir die Haushaltsansätze für Investitionen zum Beispiel in Krankenhäusern, Hochschulen, Schulen und neue Wohnungen um rund 20 Prozent, und wir schaffen zusätzliche Stellen in der Verwaltung, die auch den Planungs- und Baubehörden zugutekommen werden.
All das zeigt: Der Senat stellt sich den Herausforderungen der Zukunft. Unsere Anstrengungen können sich sehen lassen, sie sollten auch nicht kleingeredet werden.
"Berlin ist immer noch Konsolidierungsland"
Wer jetzt noch größere Summen fordert, darf nicht die Realität in dieser Stadt aus dem Blick verlieren: Erstens ist Berlin noch immer ein sogenanntes Konsolidierungsland und muss haushaltspolitische Disziplin wahren. Zweitens kann eine Verwaltung, selbst wenn endlose Mengen von Geld vorhanden wären, keine unbegrenzte Zahl von Vorhaben umsetzen. Drittens: Selbst wenn Berlin über unbegrenzte Geldmittel und unendlich viele Baufachleute verfügte – die Stadt und die Menschen hier können nur eine begrenzte Zahl von Baustellen verkraften. Schon jetzt wird vielerorts massiv darüber geklagt, dass es viel zu viele Baustellen auf den Straßen gibt.
Es ist klar: Vor uns liegt eine Aufgabe, die nicht mit einem Doppelhaushalt erledigt sein wird. Wir reden über mindestens zehn, in manchen Bereichen sogar 15 Jahre. Ihre Befürchtung, dass sich erste Verbesserungen frühestens 2017 einstellen werden, teile ich allerdings nicht: Mit dem Sondervermögen Infrastruktur der Wachsenden Stadt und unserem Entwurf für den nächsten Doppelhaushalt haben wir einen sehr guten Anfang gemacht. Besserung ist also unterwegs."