Kündigung unwirksam: Künstlerischer Leiter der Berliner Ballettschule muss weiterbeschäftigt werden
Er stellte Schülerinnen nach, doch seine Kündigung war unwirksam. Formale Gründe entscheiden die Kündigungsschutzklage des künstlerischen Leiters der Berliner Ballettschule.
Das Land Berlin ist verpflichtet, den künstlerischen Leiter der Staatlichen Ballettschule Berlin und Leiter des Landesjugendballetts, Gregor Seyffert, weiter zu beschäftigen. Das hat das Arbeitsgericht Berlin am Mittwoch entschieden. Die Senatsverwaltung für Bildung hatte dem Tänzer im Juni fristlos gekündigt, nachdem Vorwürfe wegen sexueller Belästigung und drastischer Erziehungsmethoden bekannt geworden waren. Sicherheitshalber wurde auch noch fristgerecht gekündigt. Es half alles nichts: Die fristlose Kündigung kam nicht schnell genug, und die ordentliche Kündigung ist nicht mehr möglich, da Seyffert schon länger als 15 Jahre im öffentlichen Dienst beschäftigt und über 40 Jahre alt ist. Er bezieht rund 7000 Euro brutto monatlich.
Die Bildungsverwaltung will den Mann loswerden
Ausgestanden ist die Sache damit vermutlich nicht. Die Senatsverwaltung will den Mann loswerden. Es erscheine kaum vorstellbar, wie er nach der Vorgeschichte an die Schule zurückkehren und dort wieder Ballettschülerinnen unterrichten könnte. Die Schule beginnt mit der fünften Klasse. „Es wird weitere Kündigungsversuche geben“, sagte der Vertreter der Bildungsverwaltung in der mündlichen Verhandlung am Mittwoch. Es kämen immer noch neue Berichte von Schülern über Missstände und Übergriffe. „Wenn sie einen einen neuen Grund für eine fristlose Kündigung finden, müssen sie binnen zwei Wochen kündigen“, erläuterte eine Gerichtssprecherin. Die Vorgeschichte: Seyffert trat seinen Job im März 2002 an. Ende 2019 tauchte ein Papier auf, es trug den Titel „Antrag auf Gewährleistung von Fürsorgepflicht“ – darin beschrieben Schüler, was alles an der Schule schieflaufe. Von Drill, extremem psychischem Druck, Mobbing, Verletzung von Ruhezeiten ist die Rede. Es herrsche ein „Klima der Angst“. Schulleitung und Senatsverwaltung gerieten in Bewegung, Berater wurden geholt, eine Kommission eingesetzt, Schüler befragt.
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Erst "Klima der Angst", dann auch noch sexuelle Übergriffe als Vorwurf
Im Januar 2020 tauchte ein anonymes Dossier auf, das verschärfte Vorwürfe enthielt. Nun ging es zusätzlich um sexuelle Übergriffigkeiten und eine „sexuell aufgeladene Stimmung“. Die Senatsverwaltung legte Seyffert nahe, seine Freistellung zu beantragen, doch Seyffert tat dies nicht. So wurde er zwangsweise freigestellt und bekam Hausverbot, ebenso wie Schulleiter Ralf Stabel. Mit Schreiben vom 8. Juni wurde Seyffert fristlos gekündigt, hilfsweise ordentlich zum Jahresende 2020. Seyffert wehrte sich mit seinem Anwalt Jens Brückner - mit Erfolg. Berufung ist möglich.
"Wie ein verliebter Teenager" benahm sich der Professor
In der anderthalbstündigen Verhandlung war zuvor ausführlich über die Kündigungsgründe gesprochen worden, auch wenn es auf diese dann nicht ankam. Hauptgrund der Kündigung war, dass Seyffert eine Liebesbeziehung mit einer Schülerin hatte. Er habe das Abhängigkeitsverhältnis ausgenutzt. „Wie ein verliebter Teenager“ habe Seyffert sich verhalten, beklagten die Vertreter der Senatsverwaltung. Richter Arne Boyer stimmte dem zu. Bloß: Die Ballettschülerin, mit der sich Seyffert eingelassen hatte, war zum Zeitpunkt der Affäre nicht mehr auf der Schule, und sie war volljährig. „Welche Gefahr geht von dem Mann jetzt noch aus, wenn er an die Schule zurückkehrt und dort weiter unterrichtet?“, fragte Boyer. Parallel ist bei dem Gericht auch die Klage von Schulleiter Stabel anhängig. Bei ihm war noch ein anderes Problem aufgetaucht: Er besitzt gar nicht die für seinen Posten nötige Lehrerausbildung.
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