„Kein Konzept, nur Stückwerk“: Kritik am Gute-Kita-Gesetz in Berlin
Bundesfamilienministerin Giffey freut sich über das mit Berlin am Mittwoch unterzeichnete Gesetz, die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft dagegen nicht.
Am heutigen Mittwoch haben Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller, Jugendsenatorin Sandra Scheeres und Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (alle SPD) im Roten Rathaus die Vereinbarung zwischen dem Bund und Berlin zum Gute-Kita-Gesetz unterzeichnet. Berlin erhält von 2019 bis 2022 rund 239 Millionen Euro, insgesamt gibt der Bund den Ländern rund 5,5 Milliarden Euro.
In Berlin soll das Geld unter anderem für Verbesserungen in der Tagespflege – mehr Geld für Tageseltern –, für Entlastungen von Kita-Leitungen, für mehr Anleitungsstunden für Quereinsteiger, für Beratung und Qualitätssicherung und für eine Zulage für Erzieherinnen und Erzieher, die an Kitas in sozialen Brennpunkten arbeiten, verwendet werden. Die Brennpunktzulage soll es ab August 2021 geben.
„Die Kita ist in Berlin bereits gebührenfrei, deshalb können hier 100 Prozent der Mittel aus dem Gute-Kita-Gesetz für mehr Qualität verwendet werden", sagte Familienministerin Franziska Giffey am Mittwoch. Sie freue sich sehr über den Schwerpunkt, den Berlin gesetzt habe. „Wir wollen die Qualität in den Kitas noch weiter verbessern, und damit eine gute Vorbereitung auf die Schule leisten, denn eine gute Kita benötigt gute Fachkräfte und gute Arbeitsbedingungen“, sagte Michael Müller.
„Wir investieren in starke Kita-Leitungen, in die Gewinnung von Fachkräften und in gute Arbeitsbedingungen für Erzieherinnen und Erzieher“, sagte Senatorin Sandra Scheeres anlässlich der Unterzeichnung.
Die 239 Millionen Euro verteilen sich nach Angaben der Senatsjugendverwaltung wie folgt auf die Jahre 2019 bis 2022: 21,56 Millionen Euro im Jahr 2019; 2020: 43,43 Millionen Euro; 2021: 87,16 Millionen Euro; 2022: 87,16 Millionen Euro.
Kritik an Brennpunktzulage
Schon vor der Unterzeichnung gab es Kritik an der in Berlin geplanten Verwendung der Mittel. „Das Gute-Kita-Gesetz von Frau Scheeres wird unserem Anspruch an ein Kita-Qualitätsgesetz nicht gerecht. Was wir sehen, hat kein Konzept und ist nur Stückwerk“, sagte Doreen Siebernik, Vorsitzende der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft Berlin (GEW Berlin).
Die GEW Berlin kritisiert besonders die Brennpunktzulage. „Schon an den Schulen hat die Zulage nicht funktioniert“, kritisierte Christiane Weißhoff, Leiterin des Vorstandsbereichs Kinder-, Jugendhilfe und Sozialarbeit der GEW Berlin. Wichtiger wäre es gewesen, das Geld für eine Verbesserung des Personalschlüssels einzusetzen.
Auch der Dachverband Berliner Kinder- und Schülerläden (Daks) kritisierte, dass der Personalschlüssel nicht verbessert werde. „Weil das Land Berlin dann wieder wegen fehlender Fachkräfte unbesetzte Kitaplätze befürchtete, war es hier jedoch leider sehr zögerlich“, teilte der Verband mit. Die meisten der vorgesehenen Maßnahmen seien aber nachvollziehbar und das Gesamtpaket ein akzeptabler Kompromiss.
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Rot-Rot-Grün verpasse die Chancen des Guten-Kita-Gesetzes für Berlin, sagte der familienpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Roman Simon. „Die Erzieher sind entscheidend dafür, wie Kinder in den Kitas betreut werden. Fehlende Erzieher sind die Ursache dafür, dass Tausende baulich vorhandene Plätze in den Kindergärten Berlins den Familien nicht angeboten werden können“.
Das Geld solle besser in eine Vergütung der vollschulischen Erzieher-Ausbildung, für Weiterbildungsmöglichkeiten und eine weitere Stärkung der Tagespflege eingesetzt werden.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband Berlin begrüßte es am Mittwoch, dass Berlin die 239 Millionen Euro „zur qualitativen Weiterentwicklung der Kindertagesbetreuung einsetzen wird“. Wichtig sei es besonders, dass der „nach vielen Jahren der Nichtbeachtung, die Kindertagespflege stärker in den Fokus rückt und die Bedingungen der Tagespflegepersonen deutlich verbessert werden sollen.“
Auch die Verbesserung des Kitaleitungsschlüssels, die Erweiterung der Praxisanleitung und die Stärkung der Fachberatung hält der Paritätische für sinnvolle Maßnahmen. „Wenig nachvollziehbar“ sei dagegen, dass nicht noch weiter in die Personalverbesserung vor Ort in den Kitas investiert werde. (mit dpa)