Neues Einkaufszentrum am Leipziger Platz: Konkurrenz für die Berliner Shopping-Tempel
270 Läden eröffnen im Frühjahr am Leipziger Platz – das 64. Einkaufszentrum der Stadt wird gigantisch. Manche Händler in der Ost- und Westcity sehen die neue Konkurrenz gelassen, viele andere fürchten sie. Möglicherweise nicht zu Unrecht.
Die Verkäuferin im „Ampelmann“-Souvenirshop hat noch keine Panik. „Es macht doch ständig ein neues Center auf“, sagt die Mitarbeiterin an der Friedrichstraße/ Ecke Unter den Linden, über die baldige Eröffnung des nahen Einkaufszentrums „Leipziger Platz Quartier“. Ampelmann verkauft allerlei Dinge, die mit den aus DDR-Zeiten stammenden Figuren der Fußgängerampeln verziert sind, und lebt von Laufkundschaft. An den Touristenströmen vor dem Laden werde sich nichts ändern, glaubt die Verkäuferin.
So entspannt sehen nicht alle das neue Einkaufszentrum am Leipziger Platz, das im März oder April eröffnen soll. Laut Handelsverband ist es das 64. Shopping- Center der Stadt. Inklusive Grundstückskauf und Innenausbau investieren Projektentwickler Harald Huth und seine arabischen Partner etwa 800 Millionen Euro. Rund 270 Läden wollen auf 76 000 Quadratmetern Fläche verkaufen. Und fast alles ist schon vermietet – das ist ein stadtweiter Rekord. Nur bei der Fläche liegen die Neuköllner Gropius-Passagen mit 85 000 Quadratmetern vorne. Auch dieses Zentrum hatte Huth gegründet, später schuf er „Das Schloss“ in Steglitz.
Die Folgen der Neueröffnung könnten bis in die westliche Innenstadt zu spüren sein, sagt Gottfried Kupsch vom Vorstand der Händlergemeinschaft AG City: „Es wird spannend.“ Viele Mieter im Leipziger Platz Quartier seien die „gleichen Filialisten“ wie an der Tauentzienstraße und am Kurfürstendamm – etwa Esprit, C&A, H&M, Peek & Cloppenburg, Saturn oder Zara. Die Stärke der Straßen bleibe das „Boulevard-Shopping“, ein solches Erlebnis biete kein Center.
Kurz nach der Eröffnung am Leipziger Platz „werden wir auch in der City West weniger Kunden haben – mittelfristig eher nicht“, sagt der Manager des Europa-Centers am Breitscheidplatz, Uwe Timm. In erster Linie werde Kaufkraft aus der Friedrichstraße, vom Potsdamer Platz und vom Alexanderplatz abfließen. Aber auch der Ku’damm sei „einmal mehr aufgefordert, sein Weltstadtniveau auszubauen “. Wenn Einkaufszentren hinzukommen, „merken es andere Shoppingcenter zuerst“, beruhigt Nils Busch-Petersen vom Handelsverband Berlin-Brandenburg. Shoppingcenter hätten „eine ganz eigene Kundschaft, die gern auch mal zu einer anderen Blüte fliegt – aber im gleichen Genre“. Einkaufsstraßen seien weniger betroffen.
Im 2007 eröffneten Alexa am Alexanderplatz zeigt sich das Management unbeeindruckt. Es verlässt sich auf junge Kundschaft, die man speziell anziehe. Mit Einbußen im Alexa rechnet dagegen Christoph Meyer, Geschäftsführer der CM Best Retail Properties GmbH und Vorsitzender des Stadtentwicklungsausschusses der Industrie- und Handelskammer (IHK). Der alte Berliner Westen kann aus seiner Sicht besonders mit dem KaDeWe punkten, das alleine schon viele Touristen anziehe. Für die City Ost seien die Galeries Lafayette ein ähnliches „Highlight“. Doch insgesamt habe die in den 90er Jahren als „reiner Luxusstandort“ konzipierte Friedrichstraße „ihr Profil nicht gefunden“. Heute gebe es am Ku’damm „ein Vielfaches mehr an Zuzügen“ im Luxusbereich.
Der Geschäftsführer der IG Friedrichstraße, Mateusz Hartwich, sieht das naturgemäß ganz anders. „Wir sind nicht Dubai, aber das Niveau ist gut.“ Auch er rechnet nur in der Startphase des Centers am Leipziger Platz mit sinkenden Umsätzen in seinem Beritt und freut sich sogar über den „Lückenschluss“ zum Potsdamer Platz. Und im Kulturkaufhaus Dussmann heißt es, die östliche Stadtmitte werde vom „neuen, breit aufgestellten Einkaufsangebot profitieren“. Das locke unterschiedlichste Besuchergruppen an. Ob diese nach dem Shopping am Leipziger Platz aber noch zur Friedrichstraße weitergehen, „bleibt abzuwarten“.
Dort haben sich durchaus auch günstige Anbieter wie H&M angesiedelt. Die Modekette plant nun eine Filiale am Leipziger Platz, will aber auch den alten Standort erhalten – ähnlich wie in der Steglitzer Schlossstraße, am Ku’damm, in der Tauentzienstraße oder den Potsdamer- Platz-Arkaden.
Nur wenige Läden gibt es unmittelbar neben der Center-Baustelle in der Leipziger Straße. An der Ecke Wilhelmstraße residieren ein „Ligne Roset“-Einrichtungsgeschäft und ein Showroom des Design- und Architekturbüros Steidten. Beiden ist der Nachbar willkommen. „Wir warten nur darauf“, sagt Ladenchefin Heidrun Sorokowski von Ligne Roset. Bisher sei die Gegend „unwirtlich“. Ähnlich sieht es Armin Steidten nebenan: „Wenn das Zentrum fertig ist, wird das hier eine 1A-Lage“. Steidten bezog den jetzigen Laden 2003 und erweiterte ihn auf 1000 Quadratmeter.
Am Potsdamer Platz verändert sich derzeit viel. Am 4. Januar schließt der Elektronikmarkt Saturn in den Arkaden, um später am Leipziger Platz neu zu öffnen. Unter anderem ziehen auch Aldi und der bereits geschlossene Kaiser’s-Supermarkt um. Allerdings hat Centermanager Lutz Heinicke Nachmieter gefunden: Statt Kaiser’s gibt es nun Rewe, bei Saturn zieht die Modekette TK Maxx ein und bei Aldi ein „dm“-Drogeriemarkt. Die Buchhandlung Hugendubel in den Arkaden schließt am 11. Januar wegen wirtschaftlicher Probleme. Als Nachmieter kommt eventuell ein Laden für elektronische Spielwaren.
Keine Angst vor dem neuen Nachbarn hat Bärbel Wernicke, die Filialleiterin der Papeterie Bathelt am Potsdamer Platz. „Am Anfang wollen natürlich alle das Neue sehen“, später aber setzt sie auf Synergieeffekte: Dann könnten auch die Arkaden davon profitieren, dass sich in der Gegend „künftig die meisten Läden ballen“. Kritiker hingegen meinen, das neue Center am Leipziger Platz werde zum Problem, falls Gäste „zielgerichtet“ dorthin gelenkt würden. Und damit ist zu rechnen: Es soll einen ungewöhnlich hohen Werbeetat bekommen.
Entwickler Harald Huth sieht sein Projekt als „Bereicherung“ für Friedrichstraße und Potsdamer Platz. Zusammen bilde man „hoffentlich eine neue Einheit“. In fünf Jahren werde sich kein Berliner mehr vorstellen können, „dass die neue alte Mitte nicht schon immer da war“.
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