zum Hauptinhalt
Das Volksbegehren zu Krankenhäusern ist wahrscheinlich verfassungswidrig.
© Paul Zinken/dpa

"Für gesunde Krankenhäuser": Klinik-Volksbegehren offenbar rechtswidrig

Das Volksbegehren, das mehr Investitionen und die Sanierung der Krankenhäuser fordert, könnte am Bundesrecht scheitern. Der Senat will die Forderungen trotzdem erfüllen.

Es sieht fast so aus, als würde das neue Volksbegehren „für gesunde Krankenhäuser“, das am Donnerstag gestartet wurde, ins Leere laufen. Man kann es auch positiv formulieren: Die Forderung nach mehr Investitionen, um den Sanierungsstau an den Berliner Krankenhäusern von über zwei Milliarden Euro abzubauen, will der rot-rot-grüne Senat gern freiwillig erfüllen.

Die andere Kernforderung der Initiative, mehr und besser bezahltes Personal, ist in erster Linie eine Sache der Krankenkassen und des Bundes. Volksbegehren dürfen sich aber nur mit der Landesgesetzgebung und -politik befassen, bessere Dienst- und Versorgungsbezüge dürfen sie nicht fordern.

Bei den Investitionen sei die Trendwende schon mit dem Landeshaushalt 2018/19 eingeleitet, sagte Gesundheitssenatorin Dilek Kolat (SPD). Die Zahlen geben ihr recht. So wurden 2016 nur 77 Millionen Euro verbaut, im vergangenen Jahr standen 109 Millionen Euro für Investitionen im Etat. Im laufenden Jahr stehen 140 Millionen Euro zur Verfügung, 2019 sind sogar 160 Millionen Euro vorgesehen.

Damit erreiche die Investitionspauschale für Krankenhäuser den Bundesdurchschnitt und werde in den nächsten Jahren weiter steigen, kündigte Kolat an. 160 Millionen Euro, das ist der Jahresbetrag, den die Initiative einfordert.

Juristen müssen Forderungen prüfen

Ermöglicht wurde die Trendwende bei den Investitionen durch das Sondervermögen des Landes Berlin (SIWA), das sich aus Haushaltsüberschüssen speist. Die ursprünglich bescheidene Pauschale im neuen Doppelhaushalt wurde aus SIWA um jährlich 50 Millionen Euro aufgestockt. Die Forderung der Initiative, erst einmal eine Übersicht über den Investitionsbedarf der Berliner Krankenhäuser zu erstellen, um ihn dann „im Rahmen der Haushaltsplanung zu berücksichtigen“, dürfte dem Senat bei der aktuell guten Finanzlage keine Sorgen machen.

Die übrigen Forderungen, die per Volksentscheid im Landeskrankenhausgesetz verankert werden sollen, werden voraussichtlich die Juristen beschäftigen. Es geht um die Festlegung von Personalschlüsseln für die Pflege der Patienten, einschließlich Akut- und Intensivpflege, bei Operationen, in Nachtschichten und bei der Versorgung von Neugeborenen. Auch für das Reinigungspersonal sollen verbindliche Quoten festgeschrieben werden.

Nun ist es so, dass zwar die Investitionsförderung eine Angelegenheit der Länder ist, aber die laufenden Kosten in den Krankenhäusern über das sogenannte Fallpauschalensystem von den Krankenkassen bezahlt werden. Eine Reform, die angesichts der Finanz- und Personalnot in den Krankenhäusern bundesweit als dringlich angesehen wird, müsste der Bundestag beschließen.

Deshalb hat die Gesundheitssenatorin gleich zu Beginn der Unterschriftensammlung für das Volksbegehren eilfertig angekündigt, eine Bundesratsinitiative für „verbindliche Personalschlüssel für alle Pflegebereiche“ zu starten. Krankenhäuser sollen veranlasst werden, mehr Personal einzustellen, die höheren Kosten fürs Personal müssten von den Krankenkassen dann vollständig refinanziert werden.

Nicht rechtskonform

Dieser Teil des Volksbegehrens ist allerdings eine Bundesangelegenheit und deshalb wohl nicht rechtskonform. Die Initiative muss damit rechnen, dass auch nach einer erfolgreichen Unterschriftensammlung ihr Gesetzentwurf vom Senat als verfassungswidrig eingestuft wird. Erlaubt sind laut Verfassung nur Volksabstimmungen über Gesetze, für die das Land die Gesetzgebungskompetenz hat.

Ins Bundesrecht darf nicht eingegriffen werden. Und sobald „wesentliche Teile eines Volksgesetzentwurfes unzulässig sind, können auch die verbleibenden Teile des Entwurfs nicht als Volksbegehren zugelassen werden“. Das wurde vom Berliner Verfassungsgericht im Februar 2013 so entschieden und könnte das neue Volksbegehren komplett zu Fall bringen.

Verboten sind außerdem, auch das steht in der Verfassung, Volksbegehren zu Dienst- und Versorgungsbezügen, Abgaben, Tarifen der öffentlichen Unternehmen und zu Personalentscheidungen. Auch darf ein Plebiszit nicht in den laufenden Landeshaushalt eingreifen. Für künftige Jahre spielt Geld allerdings keine Rolle.

Als in der rot-roten Koalition 2009 der Angstschweiß ausbrach, weil ein Volksbegehren für eine bessere Kitabetreuung jährliche Kosten in dreistelliger Millionenhöhe verursacht hätte, wiesen die Richter den Senat kühl zurecht.

Keine finanzielle Obergrenze

Finanzwirksame Volksgesetze, die sich auf künftige Haushaltsperioden auswirkten, seien zulässig, stand im Urteil des Verfassungsgerichts. Es gebe dabei auch keine „Erheblichkeitsschwelle“, also keine finanzielle Obergrenze. Dies war die Konsequenz aus einer Verfassungsreform, die 2006 vom Abgeordnetenhaus beschlossen wurde, um die direkte Demokratie zu erleichtern. Das hohe Gericht interpretierte dies als „gewachsenes Vertrauen in das Volk als Mitgestalter der landesrechtlichen und gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen“.

Sollten die haushaltspolitischen Auswirkungen eines Volksentscheids vom Berliner Abgeordnetenhaus als nicht vertretbar eingeschätzt werden, müsse es das Volksgesetz notfalls korrigieren. Dies dürfe mündigen und verantwortungsvollen Bürgern auch vermittelbar sein, urteilten die Richter. Die Verfassung schütze den Senat und das Landesparlament ja auch sonst nicht vor unpopulären Entscheidungen, die die Regierungsmehrheit als geboten erachte.

Zur Startseite