Betreuung: Neue Hoffnung in den Kitas
Nach dem Kompromiss beim Volksbegehren freuen sich die Erzieher auf mehr Kollegen. Der Senat sucht noch nach Geldquellen. Jetzt soll Finanzsenator Ulrich Nußbaum Vorschläge zur Gegenfinanzierung machen, damit keine zusätzlichen Kredite aufgenommen werden müssen.
Von wegen Schlafen. Tamer wetzt aus dem Gruppenraum und geht in die Kurve wie ein Rennwagen. Yusuf tobt über die Matratzen, Melissa und Ugur quatschen: Detlef Hoppe hat alle Hände voll zu tun, damit sich die Mittagsruhe in der Kita an der Kreuzberger Wilhelmstraße 14a nicht in einen Affentanz verwandelt. Bei zehn bis 15 Kindern, die er als Erzieher in seiner Gruppe alleine betreuen muss, ein Meisterstück. Auch deshalb freute sich Hoppe, als er vom Erfolg des Kita-Volksbegehrens erfuhr. 1500 zusätzliche Erzieherstellen sollen Berlins Kindertagesstätten bekommen. Davon, hofft er, werde auch seine Kita profitieren. Auf den Sieg folgte gestern aber schnell die Rechnerei.Wo sollen die 221 Millionen Euro für die Personalverstärkung herkommen?
Jetzt soll Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) Vorschläge zur Gegenfinanzierung machen, damit keine zusätzlichen Kredite aufgenommen werden müssen. Zwei Wochen hat er dafür Zeit. Eine schwierige Aufgabe – wo doch gerade erst wieder ein Haushaltsloch gemeldet wurde. So wollte sein Sprecher gestern auch nicht konkret werden: „Die Antwort erhalten Sie in zwei Wochen.“
Für Hoppe sind die ausgehandelten Verbesserungen „längst überfällig“. Seit 35 Jahren arbeitet er in Berlin als Kita-Erzieher, doch so schwierige Bedingungen wie zurzeit hat er selten erlebt – zumal die Situation seiner städtischen Kita im Kiez am Mehringplatz extrem ist: Der Anteil von Menschen ausländischer Herkunft hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen, gut 90 Prozent der 130 Kinder haben türkische oder arabische Eltern.
Auf den ersten Blick wirkt die rot geklinkerte Tagesstätte zwischen den Mietshäusern drum herum wie eine Oase. Doch die Betreuer der altersgemischten Gruppen mit Kindern zwischen sechs Monaten und vier Jahren sind heftig gefordert. „Wenn die Kleinsten zu uns kommen, sprechen nur wenige deutsch“, sagt Erzieherin Barbara Henschke. Deshalb begleiten sprachliche Übungen jede Situation – vom Spielen und Essen bis zum An- und Ausziehen. Sprachlerntagebücher werden für jedes Kind geführt, Aktivitäten zur Frühförderung werden vor- und nachbereitet, wichtige Fortbildungen besetzt. Und bei alledem ist es Barbara Henschkes größter Wunsch, „mal nur zwei oder drei Kindern intensive Zuwendung zu geben“. Aber eine dies ist angesichts des knappen Personals ebenso wenig drin wie Ausflüge. „Gehen Sie mal mit zehn Kindern alleine vor die Türe. Das wäre unverantwortlich.“
Auch Henschke hofft nun auf den Volksbegehrens-Kompromiss. Während man aber beim Finanzsenator noch rätselt, wie das zu bezahlen ist, hält die Opposition die Aufgabe für lösbar. Grünen-Haushälter Jochen Esser hat im Haushaltsplan 200 Millionen gefunden, von denen er glaubt: „Die können weg.“ Und mit leichter Bitterkeit fügt er hinzu: „Vielleicht wird das Ganze ja auch billiger, wenn es dank des Betreuungsgelds weniger Leute in Anspruch nehmen.“ Denn ab 2013, wenn die letzte Stufe der Vergünstigungen bei den Kitas in Kraft tritt, will der Bund 150 Euro monatlich an Eltern zahlen, die ihre unter Dreijährigen zu Hause behalten.
Wie Esser meint auch CDU-Haushaltspolitiker Uwe Goetze, im Etatentwurf sei noch Luft. Die Summe sei verteilt auf hunderte kleine Posten, an die Nußbaum ranmüsse. SPD-Fraktionschef Michael Müller meldete erste Zweifel an, dass der Plan ohne neue Schulden umzusetzen sei. Auch der neue Vorsitzende der Linksfraktion Udo Wolf ist entsprechend skeptisch. Wolf hält es für möglich, bei der EDV-Ausstattung der Verwaltung und im Wissenschaftsbereich zu kürzen.
Bei den Hochschulen hält sich der Senat bereits eine Hintertür offen. Eigentlich soll der Etat 2010 um 53 Millionen Euro steigen, in den Jahren darauf ähnlich. In der mit den Unis im Juli ausgehandelten Version der Hochschulverträge steht, die „Gesamthöhe der Zuschüsse“ liege 2010 bei 952 Millionen Euro. In der Version, die der Senat am Dienstag verabschiedete, wurde das um zwei entscheidende Worte eingeschränkt. Jetzt heißt es, das Land zahle „Zuschüsse bis zur Höhe“ von 952 Millionen Euro.
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