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Bisher gibt es keine neuen Erkenntnisse zum Fall von Kindesmissbrauch unter staatlicher Obhut.
© Inga Kjer/dpa
Update

Pädophiles Experiment: Kentler-Opfer wollen Land verklagen

Zwei Opfer des „Kentler-Experiments“, bei dem Jugendliche bei pädophilen Männern in Pflege kamen, fordern Schadensersatz von der Senatsbildungsverwaltung.

Auf Twitter nennen sie sich Marco und Sven, sie sind Opfer. Sie sind Geschädigte des so genannten „Kentler-Experiments“.

Helmut Kentler, Psychologe und Sozialpädagoge, hatte Jugendliche aus sozial schwierigen Verhältnissen jahrzehntelang zu pädophilen Männern in Pflege gegeben. Kentler begründete dieses irrwitzige Projekt damit, dass die Jugendlichen unter dem Einfluss der Männer sozial gefestigt würden.

Sven und Marco wollen Schadensersatz für ihre Leiden. Und deshalb sammeln sie jetzt Geld, sie benötigen es für den juristischen Streit um eine Amtshaftungsklage. Verklagt werden soll das Land Berlin, genau gesagt der Bezirk Tempelhof-Schöneberg, der damals für die betreffende Pflegestelle zuständig war. Strafrechtlich ist der Fall klar, da sind alle Taten verjährt, ein Teil der beschuldigten Personen ist bereits gestorben.

Aber sind die Ansprüche auch zivilrechtlich verjährt? Das ist die große Frage.

Sind die Ansprüche zivilrechtlich verjährt?

Aus Sicht von Marco, Sven und ihrem Rechtsbeistand nicht. Der Anwalt der Beiden will zum konkreten Fall nichts sagen, er redet nur allgemein über Amtshaftungsklagen.

Grundsätzlich kann eine Seite auch auf die Einrede der Verjährung verzichten, dann wäre geklärt, dass es keine Verjährung gibt. Auf so eine Einrede könnte im Fall von Marco und Sven auch das Land Berlin verzichten, doch bislang ist das nicht passiert.

Sandra Scheeres (SPD), Bildungssenatorin von Berlin.
Sandra Scheeres (SPD), Bildungssenatorin von Berlin.
© dpa

In so einem Fall muss dann ein Zivilgericht entscheiden, ob eine Verjährung gegeben ist oder nicht. Sollte die Verjährung noch nicht eingetreten sein, wird entschieden, ob und, wenn ja, wie viel Schadensersatz gezahlt werden muss.

„Ungeheuerlich, erschütternd, verachtend“

Sandra Scheeres (SPD), Senatorin für Bildung, Jugend und Familie, bezeichnete das Grauen des Kentler-Experiments als „ungeheuerlich, erschütternd, verachtend“.

Wissenschaftler haben die Ursachen und die Auswirkungen des Experiments untersucht und im November 2019 einen Zwischenbericht vorgelegt. Die Experten haben festgestellt, dass bei den Strukturen der Jugendämter, welche die Jugendlichen zu den pädophilen Männern vermittelt haben, über 50 Jahre hinweg Intransparenz herrschte und ein einheitliches Vorgehen bei der Kinder- und Jugendhilfe nicht zu erkennen war.

Keine Anhaltspunkte für Mitschuld der Jugendamtsmitarbeiter

Die Staatsanwaltschaft beschäftigte sich auch mit den Leiden der Jugendlichen, es gab strafrechtliche Anzeigen von Opfern, denen sich die Senatsbildungsverwaltung anschloss. Doch die Staatsanwaltschaft sah keine Anhaltspunkte für die Mittäterschaft der Jugendamts-Mitarbeiter. Und da einer der Pflegeväter tot ist, konnte gegen ihn auch nicht mehr ermittelt werden.

Im September 2019 wurde auch das letzte der Ermittlungsverfahren eingestellt.

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