Heidi Hetzers Reise: Keine Männer, keine Probleme
Ihre Weltreise ist nicht gut gestartet: Immer wieder gab es Ärger mit dem Oldtimer und Beifahrern. Nun ist die 77-jährige Kult-Berlinerin Heidi Hetzer allein in Neuseeland gelandet – und plaudert am Telefon über den Spaß an ihrer Tour.
Langsam wird es schummrig an der Ostküste Neuseelands, als Heidi Hetzers Handy am Abend klingelt – am anderen Ende der Leitung meldet sich mal wieder Presse aus der Heimat. Seit die 77-jährige Kult-Berlinerin im vergangenen Sommer ihre Weltreise begonnen hat, ist das Interesse an ihr sprunghaft angestiegen, der NDR hat sogar einen Film über ihr Abenteuer gedreht: Da begibt sich eine rüstige Dame auf eine zweijährige Reise von Berlin über Asien, Ozeanien, nach Nord- und Südamerika, schließlich über einen Zwischenstopp in Südafrika zurück nach Deutschland, immer auf den Spuren von Clärenore Stinnes, die als erste Frau in den zwanziger Jahren mit einem Auto die Welt umrundete.
Für Hetzer, die ehemalige Opel-Händlerin, musste es deswegen natürlich ein Oldtimer sein. Ihr petrolblauer Hudson „Great Eight“, der noch einmal sieben Jahre älter ist als sie, musste auf der Route jedoch immer wieder für größere Reparaturen in die Werkstatt. Deshalb ist sie jetzt mit ihrem Reiseplan zwei Monate im Rückstand. Immerhin hat der Wagen nun einen neuen Motor und schnurrt erst einmal wie ein Kätzchen. „Kleinigkeiten repariere ich natürlich selbst“, sagt die gelernte KfZ-Mechanikerin und erfahrene Rallye-Fahrerin.
Königin am Lenkrad
Überhaupt ist Heidi Hetzer selten auf andere angewiesen. Ihrem ersten Reisebegleiter hat sie eine Woche nach der Abfahrt aus Berlin bereits den Laufpass gegeben, auch sein Nachfolger konnte nicht lange an ihrer Seite bestehen. Die Königin am Lenkrad ist sie selbst, darüber gibt es keine Diskussion. Wer mit dem Tempo und ihrer Art zu reisen nicht klarkommt, muss eben aussteigen. Zimperlich ist Hetzer beileibe nicht.
„Heute übernachte ich zum ersten Mal auf einem kostenlosen Zeltplatz, weil ich Geld sparen will“, erzählt sie am Telefon. Gerade erst hat sie für eine Übernachtung umgerechnet 100 Euro ausgeben müssen, weil kein Zeltplatz oder eine günstigere Unterkunft in der Nähe waren. Das Geld wäre für die Unternehmerin im Ruhestand sicher kein Problem, aber ihrem Reisebudget entspricht es eben nicht. Wenn sie momentan für ein Frühstück acht Euro ausgeben muss, wurmt es sie – oft fragt sie lieber andere Reisende nach heißem Wasser, um sich selbst einen Kaffee aufzubrühen. „Und das ist kein Problem, die Menschen sind überall sehr hilfsbereit.“ Das liegt sicher auch an ihrem kuriosen Auftritt – viele wollen wissen, wer die Blondine mit den vielen Lachfalten und dem eindrucksvollen Untersatz ist und was sie vorhat. „Und deshalb kommt auch keine Einsamkeit auf, weil man ja ständig jemanden trifft, auch eine Menge Deutsche.“
"Wo es schön ist, werde ich anhalten.“
Und selbst, wenn Heidi Hetzer wirklich mal allein ist und hinter dem Steuer sitzt, wird ihr nicht langweilig – besonders jetzt in Neuseeland. „Ich sehe jede Sekunde etwas anderes, ein Kliff, Buchten, Berge, einen Albatros, blaue Pinguine“, erzählt sie fast ohne Luft zu holen. Besonders der Sternenhimmel habe sie verzaubert. Noch bis zum 16. April ist sie auf der Südinsel Neuseelands unterwegs, einen festen Fahrplan gibt es dabei aber nicht. „Wo es schön ist, werde ich anhalten.“ Auf den vielen steil ansteigenden Straßen der Insel wird sie ohnehin etwas langsamer fahren müssen, damit „Hudo“ nicht den Geist aufgibt.
Mit ihrer eigenen Fitness steht es übrigens blendend. Von Reiseübelkeit, Verdauungsbeschwerden durch die fremde Küche, Erkältungen und sonstigen Wehwehchen blieb sie in den vergangenen neun Monaten verschont. „Ich habe eine Gesundheit wie ein Pferd und gute Gene noch dazu“, sagt sie.
Neue Lachfalten und viele Geschichten
Das einzige Leid, das sie gelegentlich einholt, ist die Sehnsucht nach ihrer Familie – „aber das habe ich ja vorher gewusst“. Erst am Ostermontag ist sie zum fünften Mal Großmutter geworden. Sie saß allein in einer kleinen neuseeländischen Kirche und genoss die Ruhe, als plötzlich der Anruf vom Sohn kam. „Da habe ich erstmal zwei Stunden geheult vor lauter Glück.“ Trotzdem wird sie den Familienzuwachs erst bei ihrer Rückkehr im Sommer 2016 treffen. „Aber die Zeit verfliegt ja so schnell wie nie“, sagt sie und klingt dabei ganz verblüfft. Dann wird sie auch endlich wieder das deutsche Brot und die Butter essen, in ihre farbenfrohen Kleider schlüpfen und eine ihrer Handtaschen in Autoform ausführen können. Momentan besteht ihre Garderobe aus praktischen Stücken, was die Modebegeisterte manchmal langweilt.
„Aber für die Leute, die mich kennenlernen, sehe ich ja immer ganz neu aus“, sagt sie und lacht. Auch für ihre Verwandten und Freunde in Berlin wird sie nach der Reise vielleicht eine neue, andere Heidi sein, mit noch mehr Lachfalten und unzähligen Geschichten vom größten Abenteuer ihres Lebens – ganz ohne Mann.
Mehr Informationen gibt es unter heidi-um-die-welt.com. Der Film „Mit dem Oldtimer nach Australien“ ist noch bis zum 13. April in der NDR-Mediathek und wird am 1. Mai um 18.40 Uhr im rbb wiederholt.
Angie Pohlers
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