Museums-Umzüge ins Humboldt Forum: Keine Berliner Beutekunst fürs Stadtschloss!
Dahlems Museen wurden für das Humboldt Forum geplündert und aufgelöst. Das Schlimmste daran: Jetzt werden die Schätze nicht einmal gezeigt. Ein Kommentar.
Als die Kinder noch klein waren, reichten uns zwei U-Bahn-Haltestellen, um ferne Welten zu bereisen. Vom Bahnhof Oskar-Helene-Heim bis zur Station Dahlem-Dorf, dann noch ein paar Hundert Meter zu Fuß, und wir waren in den Museen Dahlem. Und in einer anderen Welt. Die Kinder konnten im Ethnologischen Museum auf die Südseeboote klettern und im Stammeshaus palavern. Und waren mit wenigen Schritten bei der Adlerschlange Cuauhcoatl. Oder beim Buckelstier Nandi aus dem Museum für Asiatische Kunst unter demselben Dach.
Das ist vorbei. Beide Museen sind fort, sie ziehen in das Humboldt Forum gegenüber dem Berliner Dom. Da, wo mal die Museen Dahlem waren, erinnert jetzt nur noch das Museum Europäischer Kulturen an den einstigen Museumsstandort. Selbst die Bushaltestelle hat ihren Namen verloren. Aus „Museen Dahlem“ ist die „Edwin-Redslob-Straße“ geworden. Für Tagesspiegel-Freunde ein kleiner Trost. Immerhin war der Kunsthistoriker einer der ersten Herausgeber dieser Zeitung.
Verzweifelte Beutezüge in Randbezirken
Den Verlust schmälert das nicht. Und auch nicht den Ärger. Den Ärger darüber, dass man mit dem Humboldt Forum ein Prestigeprojekt in Mitte gebaut hat, offensichtlich ohne einen Plan zu haben, wie man die riesigen Räume mit eigenen Exponaten füllen könnte. Vielleicht hätte man vorher darüber nachdenken können, vielleicht hätte man das Humboldt Forum dann gar nicht gebraucht. Die Verzweiflung, mit der in anderen Stadtteilen Beutezüge unternommen werden, um den neuen Kulturtempel aufzuwerten, spricht Bände.
Auch die Hektik, mit der gerafft worden ist, ist völlig unangemessen. Denn bis die Schätze aus Dahlem das Humboldt Forum füllen, dürfte noch einige Zeit vergehen. In der kommenden Woche wird sich der Stiftungsrat des Forums mit dem Zeitplan beschäftigen – und der sieht nicht gut aus. Die Museumsbereiche werden wohl erst 2020 eingeweiht, im nächsten Jahr sind gerade mal das Restaurant und das Bistro fertig. Die Südseeschiffe bleiben erst einmal eingemottet. Warum durften sie dann nicht noch ein bisschen länger in Dahlem bleiben? Oder sogar für immer?
Auch die Nofretete ist schon oft umgezogen
Wäre es nicht stattdessen eine tolle Idee gewesen, das Naturkundemuseum zu unterstützen? Das Haus kann derzeit nur einen Bruchteil seiner Exponate zeigen, 660 Millionen Euro sollen aus der Not helfen. Auf die Idee, einen Teil der Sammlung dauerhaft ins Humboldt Forum zu schaffen, ist niemand gekommen. Stattdessen löst man lieber Museen in den Außenbezirken auf. Bizarr.
Aber mit Beutekunst kennt sich Berlin ja aus. Die Nofretete, einst den Ägyptern abgeluchst, hat diverse Umzüge hinter sich. Den Abtransport aus Ägypten, den Umzug von Dahlem (jawohl) nach Charlottenburg und dann zum vorläufig endgültigen Alterswohnsitz auf der Museumsinsel. Oder die vielen Exponate aus dem Herrscherpalast von Benin, den britische Truppen 1897 geplündert haben. Viele der umstrittenen Stücke gehören zur Sammlung des Ethnologischen Museums und ziehen in das Humboldt Forum. Und so bleibt Dahlem zumindest eines: ein wenig Schadenfreude über den postkolonialen Raubkunstschlamassel.