zum Hauptinhalt
Jüngst restituiert. Kiddusbecher des Sammlers Max Hahn, entstanden 1757. Er stellt die Jakobsgeschichte dar.
© MKG/Joachim Hiltmann

Berliner Jahrestreffen: Provenienzforscher klagen über mangelnde Unterstützung

Feigenblatt oder junger Forschungszweig? In Berlin ziehen Provenienzforscher nach 20 Jahren eine Bilanz für Deutschland.

Im November jährt sich die Washingtoner „Konferenz über Vermögenswerte der Holocaust-Ära“ zum 20. Mal. Damals gaben sich 44 Staaten ein freiwilliges Reglement, wie mit NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut umzugehen sei. Ein Meilenstein in der Geschichte der Restitution, wenn auch mit Jahrzehnten Verspätung. Berühmtheit sollte in den so genannten Washingtoner Prinzipien die Formulierung von einer gerechten und fairen Lösung erhalten. Zwanzig Jahre später wird nun allenthalben Bilanz gezogen, das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste lädt in zwei Wochen zu einer internationalen Konferenz ins Haus der Kulturen ein.

Nicht von ungefähr hat sich der Arbeitskreis Provenienzforschung mit seinem Jahrestreffen zum gleichen Thema zeitlich davor gesetzt. Bevor sich Ende November das von Bund und Ländern finanzierte Zentrum Kulturgutverluste, über das Fördermittel zu Forschungsvorhaben an den Museen beantragt werden können, womöglich selbst feiert, wollten die Praktiker ihre keineswegs gloriose Sicht der Dinge dargestellt wissen. Ganz reibungslos ging das nicht ab.

Es gibt in Deutschland nur 50 Provenienzforscher mit Festanstellung

Von den 280 Arbeitskreis-Mitgliedern aus dem deutschsprachigen Raum hatten sich am Montag über 250 in der Gemäldegalerie eingefunden – begrüßt von Berlins Kultursenator Klaus Lederer, der sich erwartungsgemäß dafür lobte, dass es bei den Landesmuseen inzwischen drei entfristete Fachstellen gebe. Ein Fortschritt zwar, aber ein Tropfen auf den heißen Stein. Das wurde aus dem Vortrag von Ute Haug deutlich, Provenienzforscherin der ersten Stunde an der Hamburger Kunsthalle. In ihrem Vortrag zum dritten Washingtoner Prinzip, das eine ausreichende Bereitstellung von Mitteln und Personal vorsieht, kam sie zu der bitteren Erkenntnis, dass es in Deutschland insgesamt nur 50 Provenienzforscher mit fester Anstellung gebe.

„Wiedergutmachung hat keine Lobby“, kritisierte sie. Nur ausländischer Druck würde zu Finanzierung führen. Die Institutionen hätten sich des Themas nie wirklich nachhaltig angenommen. Die kämpferische Kunsthistorikerin fordert neue Strukturen, ansonsten bleibe Provenienzforschung an vielen Häusern eine Episode, „ein Feigenblatt“.

Müssen sich Provenienzforscher einfach mehr gedulden?

Haugs Paukenschlag wurde dankbar aufgenommen, zumal ihre Nachfolgerednerin Esther Tisa Francini vom Museum Rietberg in Zürich für die Schweiz zu der gleichen Einschätzung kam. Bei den Washingtoner Prinzipien seien die Ressourcen an den Museen radikal überschätzt worden, so Francini. In der anschließenden Diskussion wurde der Groll noch deutlicher und die Formulierung eines öffentlichen Appells gefordert. Nur an wen? Kulturstaatsministerin Grütters hat kontinuierlich die Fördermittel gesteigert, Länder und Kommunen wären der Adressat.

Oder sollten sich die Provenienzforscher einfach mehr gedulden? Christoph Zuschlag, seit April in Bonn erster Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Professor für Kunstgeschichte der Moderne und der Gegenwart mit Schwerpunkt Provenienzforschung, wollte Haugs Diagnose von einem stagnierenden Markt nicht gelten lassen. Er erlebe stattdessen einen jungen dynamischen Forschungszweig. Mit künftigen Generationen werde sich die Lage verändern. So lange mochte Christian Fuhrmeister vom Münchner Zentralinstitut für Kunstgeschichte nicht warten. Er forderte, die überschaubare Expertenrunde, den „Familienkreis“ zu verlassen. „Was ist der Masterplan?“ wollte er wissen. Allein in Berlin habe es 800 Kunsthandlungen gegeben. „Und wir haben noch nicht einmal angefangen zu dokumentieren.“

Wie viel Arbeit allein in Berlin auf die Provenienzforscher wartet, werden die Teilnehmer am zweiten Tag ihrer Jahrestagung vor Ort erfahren. Nach der Gemäldegalerie kommen sie am heutigen Dienstag im Ethnologischen Museum in Dahlem zusammen, wo die Herkunftsgeschichte Tausender Objekte noch zu untersuchen ist. Das Humboldt Forum hat hier die Defizite in ein grelles Licht gerückt. Der Tag steht unter dem passenden Motto „Was wir haben, was wir brauchen“.

Zur Startseite