Müller, Stöß, Saleh - wer folgt Wowereit?: Kein Sieger nach Punkten bei Berliner SPD-Treffen
Besuch an der Basis: Die drei Bewerber um die Nachfolge Klaus Wowereits touren durch Berlin und stellen sich den SPD-Mitgliedern vor. Und das wollte jeder miterleben.
Unseren Liveblog zum Auftritt der drei Kandidaten können Sie hier noch einmal nachlesen.
„Alle drei können es, aber es kann nur einer werden.“ So leitet der Vize-Landeschef der SPD, Mark Rackles, das erste Mitgliederforum im Willy-Brandt-Haus ein. 800 Parteimitglieder drängen am Dienstagabend ins Foyer der SPD-Bundeszentrale, es ist rappelvoll, viele Genossen müssen stehen oder sitzen auf der Treppe zum Obergeschoss. Sie sind gekommen, um für sich zu entscheiden: Soll Stadtentwicklungssenator Michael Müller, Parteichef Jan Stöß oder Fraktionschef Raed Saleh neuer Regierender Bürgermeister werden?
Einer nickt, einer lächelt
Da es nach dem Rücktritt von Klaus Wowereit keine Neuwahlen geben wird, haben die Sozialdemokraten das Privileg, diese wichtige Personalie allein zu entscheiden. Um es vorwegzunehmen – es gibt bei dieser ersten großen Vorstellungsrunde keinen Sieger nach Punkten. Alle drei Bewerber bemühen sich, auf jeweils eigene Weise, die sozialdemokratische Seele zu streicheln. Und keiner fällt dem anderen ins Wort. Mal lächelt Saleh den Müller an. Mal nickt Müller, wenn Stöß was sagt. Mal betont Stöß, dass er die Meinung des Vorredners teile. Es ist, so gesehen, ein netter Abend.
"Armut ist nicht sexy"
Anfangs hat jeder der drei Musketiere zehn Minuten Zeit, um sich zu präsentieren. Alle reden frei. Es geht dem Alphabet nach, zuerst Müller im Anzug und offenen, blauen Hemd. Sehr konzentriert, zu Beginn ein wenig hektisch. „Ich bringe Erfahrung ein“, sagt er und redet über Arbeit und Wohnen, Finanzen, Personal und Rekommunalisierung. Es könne doch keine schönere Aufgabe geben als in den nächsten Jahren Berlin zu gestalten.
Dann ist Saleh an der Reihe, im blütenweißen Hemd ohne Krawatte.
Er erzählt eine Geschichte, wie er am Grab seines Vaters stand. Redet sich schnell warm, bleibt im Erzählerton, auch als er über Liegenschaftspolitik, den Rückkauf der Wasserbetriebe und das Brennpunktschulprogramm spricht. Sein Kernthema sei: „Aufstieg für alle, eine hinschauende Integrationspolitik.“ Es folgt Stöß: Im dunkelblauen Anzug und roter Krawatte, er spricht locker, ein routinierter Gremienredner, der kontrolliert die Themen setzt. „Armut ist nicht sexy“, sagt Stöß, spricht über Wirtschaft und bezahlbares Wohnen, Investitionen in Kitas, Schulen und Universitäten und erwähnt noch, dass er ein passionierter Radfahrer sei.
Das ganze Programm
Alle drei Kandidaten kriegen ihren Beifall, vielleicht sind Stöß und Saleh rhetorisch etwas präsenter und offensiver, während Müller auch an diesem Abend so sachlich und vernünftig wirkt, wie ihn die Genossen nun mal seit vielen Jahren kennen. Nach ihrem Politikstil wird gefragt. Saleh sagt „anpackend, durchsetzend“. Stöß sieht sich „zuhörend und entscheidungsfähig“. Müller betont seine „Beratungs- und Streitfähigkeit“. Dann fragt das Publikum so ziemlich alle Themen ab, die die Stadt bewegen. Es geht um die Mietpreise und Bildung, Olympia und Flughafen, Gleichberechtigung und Ausbildungsplätze. Das ganze sozialdemokratische Programm. Die vielen hundert SPD-Genossen, die gekommen sind, fragen brav und ernsthaft, keiner wird aggressiv.
Willy Brandt lauscht
Neben dem Podium hört sich Willy Brandt, oder besser gesagt das eherne Abbild, die zweieinhalbstündige Diskussion ganz gemütlich an. Eine Sozialdemokratin erinnert Müller, Stöß und Saleh vorsichtshalber daran, dass es hier um etwas Wichtiges geht: „Ihr befindet euch in einem klassischen Bewerbungsverfahren.“ Am Ende gibt es für Stöß doch noch einen Extrapunkt, als ein Mitglied auf Englisch fragt: „What are your international qualities?“ Nur der SPD-Landeschef antwortete locker in gutem Englisch, Müller und Saleh trauen sich nicht. Drei weitere Mitglieder-Foren werden folgen, mehrere Bezirksverbände und Arbeitsgemeinschaften der SPD haben die Kandidaten für die Wowereit-Nachfolge ebenfalls eingeladen. Die Wahlbriefe sind verschickt. Jetzt müssen sich die 17 220 SPD-Mitglieder in Berlin nur noch eine Meinung bilden, bei wem ihre Stimme am besten aufgehoben ist.
Unseren Liveblog zum Auftritt der drei Kandidaten können Sie hier noch einmal nachlesen.