Kassenärztliche Vereinigung Berlin: Trotz Anklage bleibt KV-Vorstand im Amt
Der Vorstand der 9000 Kassenärzte wird von den meisten Delegierten abgelehnt – doch die nötigen zwei Drittel fehlen. Opposition fordert Eingreifen des Senats.
Nach vierjährigem Streit bleibt der Vorstand der Berliner Kassenärzte für viele überraschend im Amt. Die Mehrheit der 37 Anwesenden in der zuständigen Vertreterversammlung – dem Ärzteparlament – hat für eine Abwahl des Vorstandes votiert. Nötig aber sind zwei Drittel der Stimmen – und diese 25 Delegierten kamen in der geheimen Sitzung in der Nacht zu Freitag nicht zusammen.
Angespannte Stimmung in der Kassenärztlichen Vereinigung
Nun wollen Allgemeinmedizinerin Angelika Prehn, Augenarzt Uwe Kraffel und Dermatologe Burkhard Bratzke planmäßig bis 2017 die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Berlin führen. Die öffentlich-rechtliche KV ist für die ambulante Versorgung der Stadt und die Honorare der fast 9000 niedergelassenen Berliner Ärzte und Psychotherapeuten zuständig. Seit Jahren sind vor allem Hausärzte mit der KV unzufrieden, gestützt wird der Vorstand von vielen Fachärzten. Noch in der Nacht forderten Delegierte die drei Vorstände zum Rücktritt auf: Es herrsche kein Vertrauen mehr. Ähnlich äußerte man sich in der Opposition im Abgeordnetenhaus. Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) forderte „trotz schwieriger Mehrheitsverhältnisse zu einer soliden Sacharbeit“ auf.
Je 183.000 Euro Übergangsprämie ohne Übergang
Rücktrittsforderungen gab es bereits 2011, als sich die drei Vorstände eine Übergangsprämie für ihre erste Amtszeit ab 2005 von je 183.000 Euro absegnen ließen. Weil aber gar kein Übergang in die selbstständige Praxisarbeit anstand, sondern die drei als KV-Hauptamtliche weitermachten, klagte die Staatsanwaltschaft die Vorstände wegen möglicher Untreue an. Der Prozess dürfte dieses Jahr beginnen. Senator Czaja, der nur bei branchenweit relevanten Verstößen in die Autonomie der KV eingreifen darf, hatte das Geld zudem zurückgefordert. Prehn, Kraffel und Bratzke überwiesen die Prämie aber erst an die KV-Kasse, nachdem sie vor dem Landessozialgericht scheiterten.
Darf der Senat eingreifen?
Am Freitag nun sagte Heiko Thomas, Gesundheitsexperte der Grünen: Die Selbstreinigungskräfte der Kassenärzte hätten versagt, der Ball liege erneut bei Czaja. Laut Sozialgesetzbuch hat der zuständige Senator zwar die Möglichkeit, den Vorstand ab- und dafür einen Staatskommissar einzusetzen. Dafür gelten aber hohe Hürden, schließlich sind die drei Funktionäre einst in ihr Amt gewählt worden.
In Senatskreisen hieß es, man habe diesen Weg aber prüfen lassen. Doch selbst wenn Prehn, Kraffel und Bratzke wegen Untreue strafrechtlich verurteilt werden sollten, erlaubt dies der Landesregierung noch nicht, in die Autonomie der Ärzteschaft einzugreifen.
Linke: Kassenärztliche Vereinigung ist Beutegemeinschaft
Der Rechtsstatus der ärztlichen Selbstverwaltung – eine im Ausland vielfach gelobte Besonderheit – wird von Fachjuristen als zu hoch eingestuft. Insofern dürfte eine Absetzung im Verurteilungsfalle der drei Mediziner zwar unausweichlich sein, aber nur, weil der interne Druck dann wohl zu groß sein würde. Wolfgang Albers, Gesundheitsexperte der Linken, sagte: „Der Vertreterversammlung fehlen die nötigen Selbstreinigungskräfte.“ Mit Blick auf verbreitete Kritik an etwaigem Funktionärsgeklüngel müsse die KV aufpassen, um nicht den Eindruck zu verstärken, es handele sich um eine Beutegemeinschaft, „bei der die eine Krähe der anderen kein Auge aushackt“.