Neue Polizeispitze in Berlin: "Innere Sicherheit ist ohne Teamarbeit unmöglich"
Berlins neue Polizeipräsidentin steht vor großen Aufgaben. Bei ihrer Vorstellung am Dienstag zeigt Barbara Slowik, dass sie weiß, was sie erwartet.
Sie war fast ein Phantom, als vor einigen Wochen ihr Name zum ersten Mal fiel. Als Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) Klaus Kandt als Polizeipräsident entließ, ein neues Führungsduo aus externem Sachverstand und Berlinkompetenz ankündigte. Als geraunt wurde, eine Fachfrau aus dem Bundesinnenministerium soll künftig die Berliner Polizei führen. Im Internet gab es nur spärliche Informationen, fast nichts.
Nun ist Barbara Slowik, gebürtige Berlinerin, 52 Jahre alt, promovierte Juristin, die Präsidentin der Polizei Berlin. Geisel hat sie am Dienstag mit dem Segen des Senats ernannt und gleich vereidigt. Nur in Nordrhein-Westfalen gibt es noch eine weitere Polizeipräsidentin. Schluss mit Sonntagsreden über Gleichberechtigung, sagt Geisel.
Dass über Barbara Slowik so wenig bekannt ist, hat einen Grund. Sie war im engsten Sicherheitsbereich tätig. Geboren wurde sie in Zehlendorf, wuchs aber in Baden-Württemberg am Bodensee auf. Die Familie hatte – wie sie sagte – aber immer einen Koffer in Berlin. Dorthin wollte sie zurück. Nach ihrem Jurastudium in Heidelberg startete Slowik ihre Karriere in der Senatsinnenverwaltung, wechselte 2002 ins Bundesinnenministerium, war dort zuständig für Personal und Führungskräfte von Bundeskriminalamt, Bundesverfassungsschutz, ab 2010 war sie verantwortlich für Grundsatzfragen der Terrorismusbekämpfung, setzte ein Programm auf, um junge Muslime zu deradikalisieren, und richtete das Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum von Bund und Ländern ein. Sie startete Offensiven, um IT-Fachkräfte zu gewinnen, leitete die IT-Steuerung für die Behörden des Bundesinnenministeriums, BKA, Bundespolizei, nationale Register für Fluggastdaten, für Waffenbesitzer.
Im Roten Rathaus legt die neue Polizeipräsidentin einen guten Auftritt hin
Wer genau Barbara Slowik ist, ob sie die richtige für den Posten ist, wird sich erst noch zeigen. Zumindest aber liegt sie am Dienstag im Roten Rathaus einen guten Auftritt hin: klar, verständlich, deutlich bei den Problemen der Polizei. Sie spricht von maroden Polizeirevieren, von den steigenden Gewalttaten, vom Personalmangel bei der Terrorabwehr, der sich 2016 beim Anschlag von Anis Amri auf den Weihnachtsmarkt gezeigt hat und der bei der Aufarbeitung im Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses zu Tage tritt. Und sie spricht davon, dass die Polizisten bald neue Waffen bekommen, aber gar nicht trainieren können, weil die Hälfte der Schießbahnen wegen akuter Gesundheitsgefahren erst saniert werden muss, über Monate statt 73 nur 11 genutzt werden können.
Das alles ist schlecht für das Image der Polizei – bei den Bürgern. Und vertraut werde nur, wem zugetraut werde, die Anforderungen zu erfüllen. Das habe Folgen für die Attraktivität der Polizei als Arbeitgeber. Das will die neue Präsidentin ändern. Sie spricht über neue Wege, um Nachwuchs zu gewinnen. Dass man Personal halten, von Bürokratie befreien müsse. Schließlich die Digitalisierung: Bei den Tablets, mit denen jetzt jeder Streifenwagen ausgerüstet werden, wird es nicht bleiben. Es geht um Abläufe, es geht um unterschiedliche IT- und Datensysteme – bei Bund und Ländern. Slowik redet auch über Standards, etwa bei der Überwachung von Gefährdern. Wenn Kriminalität und Extremismus global seien, müsse sich die Kriminalitätsbekämpfung vernetzen.
Die Bereiche Personal und Finanzen zieht Slowik an sich
Die 52-Jährige hat auch schon erste Entscheidungen getroffen. Die Bereiche Personal und Finanzen zieht sie an sich. Das sind die zentralen Instanzen, um eine Behörde zu steuern und zu kontrollieren. Sie sind auch Mittel der Macht in einer so großen Behörde.
Ihr Vorgänger Kandt, mit dem sie sich möglicherweise noch treffen wird, hatte die beiden Bereiche Personal und Finanzen seiner Stellvertreterin Margarete Koppers überlassen, die jetzt Generalstaatsanwältin ist. Diese Arbeitsteilung führte zuweilen zu Machtverschiebungen innerhalb der Berliner Polizei. Koppers hatte über die Jahre Personal ausgetauscht, Posten neu besetzt. Nicht selten mit Beamten, die ihr ins Konzept passten. Wie bei der Polizeiakademie. Die Führung dort hat inzwischen aufgegeben, nach Berichten über fehlende Disziplin bei den Polizeischülern. Für die Leitung der Akademie hatte sie die von oben verordnete Reform umzusetzen – dreimal mehr Schüler, aber nur die gleiche Zahl von Lehrern. Die Polizei sollte wieder wachsen, Methode Brechstange. Dass das nicht funktioniert, hat auch Innensenator Geisel erkannt. Im Juni soll eine Leitung ernannt werden. Eine Favoritin ist Tanja Knapp, Polizeidirektorin des Abschnitts 53 in Kreuzberg, zuständig auch für das Kottbusser Tor.
Zugleich hat Barbara Slowik einen anderen Vorteil: Sie weiß, wie sie mit Führungspersonal umzugehen hat. Zumal mit der Führungsebene in den von Männern dominierten Sicherheitsbehörden. Sie habe ein kooperatives Verständnis von Führung, sagt Slowik. Innere Sicherheit sei ohne Teamarbeit nicht möglich, Kritik müsse möglich sein. Sie sagt all das, weil sie weiß, wie Polizei ticken kann. Weil traditionell gern ein gelernter Polizist an der Spitze der Behörde gesehen wird. Einer, der sich auskennt, weiß wie Polizisten ticken.
Ein solcher soll Slowik zur Seite gestellt werden. Gerade erst ist die Ausschreibung für die Stelle des Vizepräsidenten veröffentlicht worden. Bis 11. Mai sind Bewerbungen möglich. Ab Anfang September will der Innensenator dann den Polizeivizepräsidenten ernennen. Als Favorit gehandelt wird Michael Lengwenings. Der 56-Jährige ist seit Ende 2014 Leiter der Polizeidirektion 6 (Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf, Treptow-Köpenick), war dort zuvor – nach Jahren als leitender Beamter im Präsidiumsstab für Einsatzplanung und Kriminalitätsbekämpfung – Stabsleiter. Ein alter Bekannter von Geisel aus dessen Zeit als Lichtenberger Bürgermeister also. Bis es soweit ist, führt Michael Krömer, Chef der Direktion 5, kommissarisch als Vizepräsident die Geschäfte.
Sie war aufgeregt, sagt Barbara Slowik. An ihrem Revers hängt eine Stecknadel, ein Berliner Bär in Silber. Den hatte sie kurz zuvor erst im Büro entdeckt. Es ist ein kleines Zeichen: Seht her, ich bin Berlin.