Brandenburgs CDU-Vorsitzender gibt auf: Ingo Senftleben tritt zurück
Brandenburgs CDU-Landeschef will Spitzenämter aufgeben. So wolle er eine Zerreißprobe in seiner Partei verhindern, begründet Senftleben diesen Schritt.
Um die Bildung einer stabilen Regierung in Brandenburg mit der Union zu ermöglichen, tritt CDU-Landeschef Ingo Senftleben ab: Der 45-jährige wird sich in Kürze von allen Spitzenämtern im Landesverband der CDU zurückziehen.
Nach Tagesspiegel-Informationen hat sich Senftleben entschlossen, am kommenden Dienstag nicht erneut für den Fraktionsvorsitz im Landtag zu kandidieren, seinen sofortigen Rücktritt als Parteivorsitzender zu verkünden und auch das Sondierungsteam der Union für die Regierungsbildung zu verlassen, wo er bisher CDU-Verhandlungsführer war.
Wie der Tagesspiegel erfuhr, hat Senftleben Vertraute in der Partei, aber auch die Bundesvorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer über seine Entscheidung bereits informiert.
Er wolle mit diesem „klaren Schnitt“ eine Zerreißprobe der Union abwenden, um eine „Kenia“-Koalition für Brandenburg zu retten, heißt es.
Mit seinem Rückzug soll zugleich eine personelle Neuaufstellung eingeleitet werden, die nach den Grabenkämpfen der letzten Tage wieder zu Geschlossenheit führt und die Chance einer CDU-Regierungsbeteiligung nicht von vornherein verspielt. Nach Tagesspiegel-Informationen läuft es auf folgende neue Führungsspitze der CDU hinaus: Für den Fraktionsvorsitz will demnach Jan Redmann kandidieren, der bisherige parlamentarische Geschäftsführer.
Nach Pleite bei Landtagswahlen
Der Abgeordnete Rainer Genilke, der sich bisher auf keine Seite gestellt hat, in der Partei Rückhalt hat, tritt für den Posten des parlamentarischen Geschäftsführers an. Als Interims-Parteivorsitzenden will Senftleben nach Tagesspiegel-Informationen den langjährigen Bundestagsabgeordneten Michael Stübgen vorschlagen, der parlamentarische Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium und Chef der Brandenburger Landesgruppe im Bundestag ist.
Stübgen ist bereits Mitglied des CDU-Sondierungsteams für die Regierungsbildung. Er könnte auf dem Wahlparteitag am 17.Novemer, auf dem Vorstandswahlen anstehen und auch ein Koalitionsvertrag beschlossen werden könnte, regulär gewählt werden.
Der Machtkampf in der Union hatte sich zuletzt verschärft
Mit diesem austarierten Personaltableau, das ist offenbar das Kalkül, könnte die CDU zügig die Reihen schließen, vor allem in der Landtagsfraktion. In den letzten Tagen hatten sich der Machtkampf in der Union weiter verschärft und bereits die Sondierungen zwischen SPD und CDU belastet.
Wie berichtet, hatten sechs von 15 Abgeordneten der Landtagsfraktion am Dienstag versucht, eine sofortige Wahl der Fraktionsspitze vorzunehmen, für die der Abgeordnete Frank Bommert gegen Senftleben antreten wollte. Mit sechs Abweichlern und einer gespaltenen Fraktion hätte ein Kenia-Bündnis aus SPD, CDU und Grünen, das mit einer Fünf-Stimmen-Mehrheit im Landtag die rechnerisch stabilste Koalition wäre, von vornherein keine Chance.
Dann liefe alles auf ein Rot-Rot-Grünes Bündnis mit der Mehrheit von einer Stimme hinaus.
Das schlechteste CDU-Wahlergebnis seit 1990
Bommert wie auch die frühere Landesvorsitzende Saskia Ludwig, die Mitglied der Werteunion ist, fordern wegen der Wahlniederlage der CDU bei der Landtagswahl Senftlebens Rücktritt. Die CDU hatte mit 15,6 Prozent das schlechtes Ergebnis seit 1990 eingefahren. Seitdem kommt die Union nicht zur Ruhe, wurde der Riss immer größer.
Auf der einen Seite forderten vierzehn Kommunalpolitiker, Bürgermeister und Landräte, in einer Erklärung ein Ende der Personalquerelen. „Die Chance, wichtige Inhalte in den kommenden Jahren mitzugestalten, darf man jetzt nicht durch Personaldebatten verstellen.“ Unterstützung bekam Senftleben auch von Anja Schmollack, der Vorsitzenden der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft im Land.
Dagegen hatte der Kreisvorstand in der Uckermark, wo der Bundestagsabgeordnete Jens Koeppen Vorsitzender ist, in einem Schreiben an den Landesvorstand zuletzt Senftleben „maßgeblich für das historisch schlechte Abschneiden“ verantwortlich gemacht, und „eine strukturelle und personelle Neuaufstellung der Führungsebene“ gefordert.
Und zwar „spätestens“ zum Ende der Sondierungen. Angelastet werden Senftleben unter anderem, dass er eine Koalition mit der Linkspartei nicht ausgeschlossen hatte, aber auch Alleingänge und sein Wahlkampf.
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Senftleben ist seit 2014 Fraktionschef im Landtag. Ein Jahr später hatte er den Parteivorsitz übernommen. Unter seiner Führung war in den letzten Jahren wieder Geschlossenheit im für Querelen und Grabenkämpfe berüchtigten Landesverband eingekehrt, hatte sich die Union im Landtag als substanziell Oppositionspartei profiliert. Sein Ziel, die CDU zur stärksten Partei zu machen und selbst Ministerpräsident zu werden, hat der 45-jährige krachend verfehlt.
Seitdem rumort es in der CDU. Und seine Gegner wollten keine Zugeständnisse machen. Zur Sondierung von SPD und CDU, die vom Machtkampf in der Union und der Spaltung der Fraktion überschattet wurde, hatte Senftleben erklärt: „Es ist klar, dass die Union genauso stabil sein muss wie die anderen Partner“ Und: „Ich werde meinen Beitrag dazu leisten, dass wir ein verlässlicher Partner in einer Regierung werden können.“