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Polizeibeamte stehen im Eingang eines Hauses in der Rigaer Straße.
© Paul Zinken/dpa

Teilbesetztes Haus in Berlin-Friedrichshain: In der Rigaer Straße kehrt keine Ruhe ein

Die Polizei verweigert dem Hausverwalter nun jeglichen Schutz, wenn er das Haus betreten will, obwohl er mit Attacken rechnen muss. Was ist der Grund für das Zögern?

Am Ende geht es darum, wer Verantwortung trägt, wer haftet, wenn Menschen zu Schaden kommen. Und es geht politisch um die Zukunft von Innensenator Andreas Geisel (SPD).

Und das ausgerechnet bei der Rigaer Straße 94, teilbesetzt, für den Verfassungsschutz Berlin ein Hotspot des Linksextremismus. Der Kiez lebt und leidet mit: Alles so schön bunt hier – aber mit Gewalt.

Nun erlebt Berlin dieser Tage ein Déjà-vu, nur unter anderen politischen Vorzeichen. Das Problem ist auch nach mehr als dreieinhalb Jahren Rot-Rot-Grün nicht gelöst.

Geisel steht da wie sein Vorgänger Frank Henkel von der CDU in der rot-schwarzen Regierung. Gegärt hat es immer, auch unter der Koalition aus SPD, Linke und Grüne. Rund ein Jahr vor der nächsten Abgeordnetenhauswahl eskaliert die Lage wieder.

Denn kürzlich gab es eine Durchsuchung im Zuge von Ermittlungen gegen Personen, die im Hausprojekt Rigaer94 leben – ermittelt wird etwa wegen gefährlicher Körperverletzung und des Verdachts des Leistungsbetrugs sowie der Urkundenfälschung zulasten des Jobcenters.

Geisel steht da wie sein Vorgänger Henkel

Allein das war eine Überraschung: Die Polizei Berlin betritt das Hausprojekt Rigaer94. Auch der Hausverwalter war da und nahm unabhängig von der Razzia einige Wohnungen wieder in Besitz, wie er sagte.

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Niemand war dort gemeldet, es gab keinen Mietvertrag. Der Verwalter ließ ein nach Baurecht und Brandschutz illegales Stahltor entfernen.

Nun will er erneut ins Haus, um zu kontrollieren, dass die Vorschriften eingehalten werden – es soll eine neue Stahltür eingebaut worden sein. Was, wenn die Feuerwehr im Notfall nicht ins Haus kommt? Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg störte sich bislang wenig daran.

Jetzt macht die Polizei wieder einen Rückzieher, der SPD-Innenexperte Tom Schreiber vermutet gar politischen Druck aus der Innenverwaltung auf die Behörde und Polizeipräsidentin Barbara Slowik.

Die Polizei verweigert dem Hausverwalter jeglichen Schutz, wenn er das Haus betreten will

Die Polizei verweigert dem Hausverwalter nun jeglichen Schutz, wenn er das Haus und die Gemeinschaftsflächen – und wohlgemerkt nicht besetzte oder vermietete Wohnungen – betreten will, um etwa Brandschutz und Baurecht umzusetzen. Dabei muss der Hausverwalter mit gewalttätigen Attacken wie vor einer Woche rechnen.

Auf Tagesspiegel-Anfrage erklärt die Polizei, sie stelle „die Verfolgung von Straftaten selbstverständlich sicher“. Aber verhindert sie auch Straftaten, bereitet ihre Verfolgung vor und wehrt Gefahren ab? So ist es zumindest in Paragraf 1 des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes vorgesehen.

Die Polizei zieht sich auf die politische Position des Innensenators zurück. Wobei zur Wahrheit auch gehört, dass Geisel bei der Rigaer94 nicht den Koalitionsfrieden mit Linke und Grüne stört und Stillstand herrscht.

Die Polizei begründet ihr Zögern damit, dass es sich vor allem, „um zivilrechtliche Streitigkeiten zwischen der Eigentümerin des Objektes beziehungsweise deren Vertretenden und den Bewohnenden handelt“.

Daher müssten „bei der Beurteilung der Eigentumsverhältnisse die widerstreitenden Interessen“ berücksichtigt werden – ebenso das Neutralitätsgebot. Obendrein verweist die Polizei auf die Gerichte. Und die befanden bisher, dass nicht klar genug nachgewiesen sei, wer die Eigentümergesellschaft vertrete.

Auch Geisel erklärte sein mäßiges Engagement in der Sache damit, dass der Eigentümer die Immobilie über eine Gesellschaft in London laufen lässt und die Eigentümerschaft nicht nachgewiesen sei. Deshalb käme er auch nicht voran mit seiner Idee, das Haus aufkaufen zu lassen und die Lage zu befrieden.

Aus Angst vor Attacken will der Gesellschafter anonym bleiben

Das sehen die Anwälte der Eigentümer anders: Der Innenverwaltung und der Polizei legten sie im Frühjahr die notariell beglaubigten Unterlagen vor. Inhaber ist eine Ltd-Gesellschaft englischen Rechts mit Sitz in London.

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Einer der Gesellschafter ist Privatmann und will aus Angst vor Attacken der Linksextremisten anonym bleiben. Der vorherige hatte aufgeben, denn Linksextremisten hatten ihn und seinen Anwalt bis ins Privatleben verfolgt. In Berlin erscheint aber schon diese Frage als Provokation: Was, wenn es ein Hausprojekt von Nazis wäre?

Bei der Durchsuchung am 10. Juli hatte die Polizei kein Problem damit, dass sich der Hausverwalter parallel im Keller umschaute, wo Stromleitungen illegal angezapft worden waren. Und dann half die Polizei auch, als der Bautrupp des Verwalters im Treppenhaus attackiert wurde.

Jedenfalls hatte die Einsatzleitung zu diesem Zeitpunkt keinen Zweifel daran, dass der Hausverwaltung und ein Anwalt rechtmäßig den Eigentümer der Immobilien vertreten.

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