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Seltenheit. Immer weniger Neubauten werden genehmigt.
© dpa
Update

Fast 30 Prozent weniger Genehmigungen: In Berlin will kaum noch jemand bauen

Verbände werfen dem Senat vor, Stimmung gegen die Wohnungswirtschaft gemacht zu haben. Die meisten neuen Wohnungen werden in Neubauten und am Stadtrand geplant.

9148 Wohnungen haben Berlins Bauämter laut Amt für Statistik im ersten Halbjahr 2021 genehmigt, das sind 28,5 Prozent weniger als Vorjahreszeitraum. "Die aktuelle Wohnungsbaupolitik in Berlin ist krachend gescheitert", sagte der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Jan Eder zu den schlechten Baugenehmigungszahlen. Statt den angespannten Wohnungsmarkt zu entlasten, verschärfe sich die Lage weiter. 

Den Preis für die verfehlte Wohnungsbaupolitik zahlten – wie beim Mietendeckel-Experiment – die Berlinerinnen und Berliner, die jetzt eine bezahlbare Wohnung suchen. Der Senat habe "Ressourcen für rechtliche Experimente vergeudet und die Stimmung gegen die Wohnungswirtschaft angeheizt, statt durch Kooperation gemeinsam mit allen Akteuren den Neubau voranzutreiben."

Die Chefin von Berlins größtem Wohnungsverband BBU Maren Kern verwies darauf, dass in Brandenburg – anders als in Berlin – die Zahl der genehmigten Neubauten um 19 Prozent gestiegen sei. Schuld am Abwärtstrend in Berlin sei die "unzureichende personelle und technische Ausstattung der Bauämter, vor allem aber auch das zunehmend schlechtere Neubauklima in der Stadt". Dazu habe auch der Mietendeckel beigetragen.

Wie das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg mitteilte wurden insgesamt 1828 Genehmigungen für Bauvorhaben im Wohn- und Nichtwohnbau von den Bauaufsichtsbehörden des Landes Berlin im 1. Halbjahr 2021 gemeldet. 9148 Wohnungen sollen entstehen. Das sind 28,5 Prozent weniger als im 1. Halbjahr 2020. Der größte Teil davon sind Wohnungen in Neubauten: 8255 sind es, 28,8 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. 

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Am wenigsten neue Wohnungen entstehen in Ein- und Zweifamilienhäusern: 770 Wohnungen. Immerhin gab es hier ein kräftiges Plus von 24,2 Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr 2010. Dafür gibt es einen regelrechten Einbruch bei den Investitionen in Mehrfamilienhäuser: Das Minus liegt bei 31,5 Prozent im Vorjahresvergleich, 7403 Wohnungen wurden genehmigt (1. Halbjahr 2020: 10.809). 

Durch den Ausbau von Dachgeschossen oder andere Umbauten an bestehenden Häusern werden 893 Wohnungen entstehen. Auch deren Zahl ging zurück: um 25,3 Prozent.

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Die meisten neuen Wohnungen planen die Investoren in den Berliner Stadtbezirken Spandau und Treptow-Köpenick. Die veranschlagten Kosten aller genehmigten Bauvorhaben im Wohn- und Nichtwohnbau betragen 2527,9 Millionen EUR. Das Minus im Vergleich zum Vorjahreszeitraum beträgt 17 Prozent.

Verband der Wohnungsunternehmen beklagt unzureichende Personalausstattung

Maren Kern, Vorstandsmitglied des BBU Verbands Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen, sagte, schuld am Abwärtstrend in Berlin sei die „unzureichende personelle und technische Ausstattung der Bauämter, vor allem aber auch das zunehmend schlechtere Neubauklima in der Stadt“.

Ob die am Dienstag im Senat beschlossene Änderung der Bauordnung dazu beiträgt, dieses „Klima“ zu verbessern, wird sich zeigen. Die wesentlichen Änderungen betreffen den Klima- und Umweltschutz. Ab 1. Januar 2024 müssen mindestens ein Fünftel der Grundstücksfläche bei Neubauten begrünt oder bepflanzt werden. Damit sollen die überhandnehmenden Schottergärten verhindert werden.

Wenn das nicht auf dem Grundstück realisierbar ist, muss dies über Fassade oder Dach erfolgen. Dächer mit mehr als 300 Quadratmetern müssen bei einer Dachneigung bis zu fünf Grad eine „einfache Intensivbegrünung“ haben, bei Werten bis zu zehn Grad eine „Extensivbegrünung“. Beim Neubau sollen auf je 50 Meter begonnene Fassadenlänge drei Niststätten für Vögel und ein Quartier für Fledermäuse errichtet werden. Die Gebäude müssen so konzipiert sein, dass das „Tötungs- und Verletzungsrisiko für Vögel durch Kollisionen“ nicht erhöht wird.

Neu in der Bauordnung sind die Berücksichtigung der „Baukultur“ und „Lebenszyklusphasen“ baulicher Anlagen. Planer müssen berücksichtigen, welche Rohstoffe sie im Sinne der Nachhaltigkeit verwenden. Das Gesetz wird im Stadtentwicklungsausschuss diskutiert und muss vom Parlament beschlossen werden.

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