Flüchtlinge vor dem Lageso: Michael Müller macht Flüchtlingspolitik zur Chefsache
Hunderte Flüchtlinge warteten am Freitag vor dem Berliner Lageso wieder in der prallen Sonne auf einen Termin. Nun beschäftigen die Zustände dort auch die Politik. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller berief eine Krisensitzung ein.
Wegen der verschärften Flüchtlingsprobleme in Berlin hat der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) am Freitag Vertreter der fünf Abgeordnetenhausfraktionen zu einer Krisensitzung eingeladen. In der Runde informierte Sozialstaatssekretär Dirk Gerstle über die Zustände am Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso), wo einige hundert Flüchtlinge in praller Sonne auf einen Termin warten mussten.
Man werde alles dafür tun, um die Situation in den Griff zu bekommen, sagte Müller dem Tagesspiegel. Ihm sei es wichtig gewesen, in der parlamentarischen Sommerpause alle Fraktionen ausführlich zu informieren, begründete er das Treffen im Rathaus. Staatssekretär Gerstle teilte unter anderem mit, dass die Flüchtlinge auf dem Gelände der Zentralen Erstaufnahmestelle in Moabit bereits am Donnerstag 2000 Liter, am Freitag 3500 Liter Wasser erhalten hätten. Noch am Abend sollten die rund 500 Menschen in Unterkünfte verteilt werden. Die neue Notunterkunft in der Köpenicker Allee in Karlshorst mit 300 Plätzen soll spätestens am Montag eröffnet werden. Behördenintern hoffte man, die Einrichtung noch am Freitag öffnen zu können.
Die große Hilfsbereitschaft von Bürgern, die den Flüchtlingen am Lageso helfen wollten, erwies sich fast schon als problematisch. Denn es war schwierig, das spontane Engagement der etwa 500 ehrenamtlichen Helfer am Ort zu koordinieren. Der Fraktionschef der Linken, Udo Wolf, forderte den Senat auf, „umgehend Maßnahmen zur humanitären Soforthilfe“ in die Wege zu leiten. Das Lageso sei mit der Situation überfordert, und die Beschäftigten seien offensichtlich am Rande ihrer Kräfte.
Eine Delegation der Grünen besuchte schon am Vormittag das Lageso. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Renate Künast verlangte, die Flüchtlingspolitik in Berlin zur Chefsache des Regierenden Bürgermeisters zu machen. Die Grünen legten einen Forderungskatalog für die Erstunterbringung und Versorgung von Asylsuchenden vor.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Piraten, Heiko Herberg, forderte den Senat auf, das Personal im Lageso aufzustocken und in dauerhafte Flüchtlingswohnungen statt in Containerdörfer zu investieren. Sechs Containerdörfer sollen 2000 Plätze für Flüchtlinge bieten. Die Kosten dafür betragen 43 Millionen Euro. So viele neue Flüchtlinge wie im Juli kamen noch nie in einem Monat nach Berlin. Genau 4106 schutzsuchende Männer, Frauen und Kinder erreichten die Hauptstadt – fast vier Mal mehr als im Juli des vergangenen Jahres.
Bis Ende 2015 muss Berlin nach dem „Königsteiner Schlüssel“, dem zwischen Bund und Ländern vereinbarten Verteilmodus, mit mindestens 30.000 Neuankömmlingen rechnen. Die Sozialverwaltung schloss den Aufbau von Zelten nicht mehr aus, um alle unterzubringen.
Am Dienstag will der Senat ein Konzept für den künftigen Umgang mit den Flüchtlingen beschließen. Der fachlich zuständige Sozialsenator Mario Czaja (CDU) ist noch in Urlaub und war am Freitag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.