BVG-Streik in Berlin: Hoffen auf gutes Wetter - und die S-Bahn
Am ersten Streiktag im Februar blieben die Berliner recht entspannt und organisierten sich anderweitig. Ähnlich relaxt könnte es auch am Montag zugehen.
Menschenleere Wartehäuschen, verriegelte U-Bahnhöfe: Ab montagfrüh, punkt 3.30 Uhr, soll bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) wegen des erneuten Warnstreiks der gewerkschaftlich organisierten Mitarbeiter nahezu alles stillstehen. Bis zum Betriebsschluss in der Nacht zum Dienstag soll der Ausstand andauern.
Es ist die größte Keule, die von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi währen des seit Dezember 2018 schwelenden Tarifkonfliktes um die Entlohnung der rund 14.600 BVG-Beschäftigten herausgeholt wird. Beim ersten Streik Mitte Februar wurden Busse, U- und Straßenbahnen nur acht Stunden lahmgelegt. Und am 14. März blieben nur die Busse im Depot: 1500 Fahrer legten die Arbeit nieder.
Droht also am Montagvormittag das Chaos? Immerhin befördert die BVG im Schnitt pro Tag rund drei Millionen Fahrgäste. Sie alle müssen sich nun einmal rund um die Uhr neue Wege und Transportmittel unter anderem zur Arbeit, Schule, Uni oder zum Einkaufen suchen – oder Zuhause bleiben. Doch sieht man sich die Erfahrungen der vergangenen zwei Streiktage an, so dürfte der Stress vermutlich begrenzt bleiben.
Am ersten Streiktag blieben die Berliner entspannt
Vor allem am ersten Streiktag blieben die Berliner recht entspannt, die Stadt wirkte wie im Ferienmodus, jeder war nur auf den allernotwendigsten Strecken mobil, nutzte Fahrgemeinschaften oder Taxen, während die BVGler für höhere Löhne angesichts zunehmend harter Arbeit demonstrierten.
Und die S-Bahn sowie der Wettergott waren die wichtigsten Friedensstifter. Dank des Sonnenscheins stiegen viele Bürger aufs Rad um, dank zahlreicher zusätzlich eingesetzter Verstärkungszüge wurde die S-Bahn als erfreulicher Ersatz genutzt. Die Waggons waren zwar rappelvoll, die Stimmung aber war selten gereizt, zumal offenbar viele Menschen Verständnis für das Anliegen der Streikenden haben. Wie berichtet, werden die BVG-Beschäftigten laut Verdi im bundesweiten Vergleich am schlechtesten bezahlt.
Ähnlich relaxt könnte es auch am Montag zugehen: Von früh bis spät soll die Sonne strahlen. Und die S-Bahn verkündet, „wir mobilisieren alle verfügbaren Betriebsreserven“. Allein auf der stark frequentierten Linie S5 zwischen Mahlsdorf und Warschauer Straße werde es zwischen 5 Uhr früh und 18 Uhr rund 80 zusätzliche Fahrten geben. Wegen des kurzfristig angesetzten Streiks könnten die Verstärkungen allerdings nicht auf den Bahnhöfen elektronische angezeigt werden.
Nicht alle Buslinien fallen aus
Härter betroffen als die Stadt innerhalb des S-Bahnrings werden auch diesmal wieder die teils auf Buslinien angewiesenen Außenbezirke sein. Dennoch gibt es auch hier eine gute Nachricht: Längst nicht alle Linien fallen aus. Denn am Steuer etlicher Busse sitzen Fahrer von Subunternehmen der BVG, die nicht bestreikt werden. Folgende Linien fahren deshalb am Montag komplett: 106, 161, 162, 163, 168, 175, 179, 218, 234, 263, 275, 284, 320, 322, 334, 341, 349, 363, 365, 371, 373, 380, 399. Und diese Busse fahren leicht eingeschränkt: 112, 140, 184, 283, 370 sowie 893. Die Linie 390 ist nur in den frühen Morgenstunden regulär unterwegs.
Und wie kommt man am Streiktag zum Flughafen Tegel? Die Flughafengesellschaft hat einen Notshuttle zwischen dem Terminal und dem S-Bahnhof Jungfernheide eingerichtet. Dieser verkehre allerdings „unregelmäßig“, hieß es am Sonntag. Abfahrts- und Ankunftszeiten waren beim Flughafen-Service unter der telefonischen Auskunftsnummer 60911150 bis Redaktionsschluss noch nicht bekannt.
Vermutlich werden Taxis auf der Airport-Strecke vorrangig gefragt sein – aber nicht nur dort: Berlins Taxifahrer profitierten schon von den vorangegangenen Ausständen. Auch am Sonntag hieß es wieder in einer der Service-Zentralen: „Die Leute bestellen für morgen ununterbrochen.“ Inwieweit das neue per App buchbare BVG-Sammeltaxi „Berlkönig“ unterwegs sein wird, ist unklar. Die genutzten Wagen stehen möglicherweise auf verschlossenen BVG-Grundstücken.
Verdi bittet Kunden um Verständnis
„Leider haben die Arbeitgeber bislang nicht versucht, den Streik mit einem verbesserten Angebot abzuwenden, was durchaus möglich gewesen wäre“, sagte Verdi-Verhandlungsführer Jeremy Arndt am Sonntag. Zugleich bat er die BVG-Kunden um Verständnis.
Der Kommunale Arbeitgeberverband (KAV), dessen Vertreter für die landeseigene BVG verhandeln, versuche die BVG-Mitarbeiter zu spalten, indem die angebotenen Lohnerhöhungen für einzelne Beschäftigungsgruppen sehr ungleich seien. Nötig sei „deutlich mehr Lohn“ für alle. Außerdem ist die Gewerkschaft sauer auf die jüngsten Verlautbarungen von Seiten des KAV.
Es kursierten Gerüchte, schreibt Verdi, wonach das durchschnittlich angebotene Lohnplus 450 Euro im Monat betrage. Das treffe so nicht zu, heißt es weiter, weil in diese Summe etliche Lohnzusatzkosten der Arbeitgeber eingerechnet seien, die tatsächlich netto gar nicht ausgezahlt würden – also bei den Beschäftigten nicht voll ankommen.
KAV-Verhandlungsführerin Claudia Pfeiffer hatte davon gesprochen, man habe insgesamt 90 Millionen Euro mehr Lohn pro Jahr für die BVG-Belegschaft in Aussicht gestellt. Das seien pro Kopf 450 Euro Monatsbrutto mehr. Zugleich drohte die Arbeitgeberseite, falls Verdi noch höhere Forderungen erhebe, müssten die Ticketpreise weiter steigen.
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