Foto-Aktion in Cottbus: Hinterließen Polizisten das Kürzel einer rechten Gruppe?
Erst ein Foto vor Symbolen der rechten Szene in Cottbus, nun prüft Brandenburgs Polizei einen weiteren Verdacht. Gegen neun Beamte laufen Disziplinarverfahren.
Auch nach der Aktion des Klimabündnisses "Ende Gelände" in der Lausitz wirft eine Foto-Aktion von Brandenburger Polizisten vor einer mutmaßlich von Neonazis beschmierten Wand im Raum Cottbus weiter Fragen auf. Gegen die neun Beamten einer in Cottbus stationierten Hundertschaft der Bereitschaftspolizei sind Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Am Freitag entdeckte die Polizei zudem ein rechtsextremes Kürzel auf dem Schriftzug.
Einige der Beamten mussten selbst die Wand überstreichen, das hatte der Einsatzführer entschieden. Jetzt wird ermittelt, ob sie dabei absichtlich die Symbole einer rechtsextremistischen Gruppe aus Cottbus an der Wand hinterlassen haben oder ob Neonazis noch einmal aktiv geworden sind.
Was war geschehen? Am Mittwoch war eine Wand einer Gärtnerei an der Straße von Cottbus nach Kolkwitz beschmiert worden. Auf schwarzem Grund stand: „Stoppt Ende Gelände“.
Auf jeder Seite des Schriftzuges wurde ein Krebs auf die Wand gemalt. Das Tier, entlehnt dem Stadtwappen der Stadt Cottbus, ist ein bekanntes Symbol der rechtsextremistischen Szene in der Lausitz, die entsprechende Kampagne "Defend Cottbus" steht in enger Verbindung zur "Identitären Bewegung".
Die neun Polizeibeamten posierten am Donnerstag vor der Wand und ließen sich dabei fotografieren. Noch am selben Tag wurde das Foto in einem Kanal von „Defend Cottbus“ beim Messenger-Dienst Telegram verbreitet. Von dort gelangte es in die sozialen Netzwerke.
Beamte vom Einsatz abgezogen
Die Polizeiführung schritt sofort ein. Sie befürchtete, dass das Foto den Großeinsatz bei den Protesten der Klimaaktivisten von „Ende Gelände“ gegen die Verstromung von Braunkohle belasten könnte, die Stimmung war ohnehin aufgeheizt, weil die rechtsextremistische Szene gegen die Kohlegegner mobilisierte.
Die neun Beamten wurden vom Einsatz bei den Aktionen von „Ende Gelände“ und den Gegenprotesten abgezogen. „Es handelt sich um einen Verstoß gegen das Neutralitätsgebot“, sagte der Sprecher der Brandenburger Polizei, Torsten Herbst. „Das geht gar nicht.“
Es wurden auch Disziplinarverfahren eingeleitet, die für solche Fälle zuständige interne Revision der Brandenburger Polizei ermittelt in dem Fall. Und die geht nicht nur der Frage nach, warum sich die Beamten vor der Wand fotografieren ließen, sondern ob sie danach selbst Zeichen der rechtsextremen Gruppe „Defend Cottbus“ an der Wand hinterließen.
[Unseren Liveblog zum "Ende Gelände"-Wochenende in der Lausitz zum Nachlesen]
Denn der Leiter des Großeinsatzes rund um das Aktionswochenende von „Ende Gelände“ hatte die Beamten dazu verdonnert, die Wand zu überstreichen. Bei einer Fahrzeugkontrolle waren zuvor sechs Männer im Alter von 19 bis 31 Jahren und Farbreste festgestellt worden. Unter den Tatverdächtigen, gegen die nun wegen Sachbeschädigung ermittelt wird, ist auch ein Mann, der wegen rechtsmotivierter Straftaten polizeibekannt ist.
Jedenfalls mussten die Beamten den Schriftzug überstreichen, dann meldeten sie bei den Vorgesetzten, dass die Farbe verbraucht sei. Anschließend zogen sie ab. Die Krebse – also die Symbole von „Defend Cottbus“ – und Reste von Zahlen und wenige Buchstaben waren noch zu sehen.
Am Freitag entdeckte die Polizei dann, das auf der Wand noch stand „DC!“ – also das Kürzel von „Defend Cottbus“. Es handelte sich ursprünglich um die letzten beiden Großbuchstaben des Wortes „Gelände“ – also „DE“. Doch aus dem E muss jemand ein C gemacht haben.
Die Brandenburger Polizei prüft nun, ob dies die Polizisten selbst waren, als sie die Wand überstreichen musste – oder ob andere Personen sich an der Wand noch einmal zu schaffen machten. „Diese Frage wird im Rahmen des Disziplinarverfahrens geklärt“, sagte Polizeisprecher Herbst.
Die Polizei beauftragte am Sonnabend einen Handwerker
Noch am Sonnabend beauftragte die Polizei einen Handwerker damit, die komplette Wand noch einmal komplett zu überstreichen. Strafrechtlich wird gegen die sechs aufgegriffenen Personen, die den ursprünglichen Schriftzug angebracht haben sollen, wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten und Sachbeschädigung ermittelt.
Vor etwa einem Jahr, im Dezember 2018, war auf derselben Wand mit demselben Symbol der Spruch angebracht worden: „Cottbus bleibt Deutsch“.
Die Lausitz ist ein Hotspot der rechtsextremistischen Szene in Brandenburg. Der Verfassungsschutz spricht von einem toxischen Gebilde in der Lausitz. Denn die Szene aus Hooligans, Neonazis, Kampfsportlern, Sicherheitsfirmen und Rechtsrockern bis hin zu Identitären hat inzwischen eigene wirtschaftliche Strukturen etabliert - mit florierende Sicherheitsfirmen, Tattoostudios, Kleidungsmarken und Label für rechtsextremistische Musik. Ermittler sprechen auch von einer neuen Qualität der organisierten Kriminalität.
Allein im Raum Cottbus werden der rechtsextremen Szene 400 Personen und in der Stadt selbst 170 Personen zugerechnet.