Neues Buch vom Bürgermeister aus Berlin-Neukölln: Heinz Buschkowsky ist überall
Vor Kurzem saß er noch bei Günter Jauch. Jetzt ist er in allen Buchläden anzutreffen: Heinz Buschkowsky, „Deutschlands bekanntester Bürgermeister“, hat sein neues Buch herausgebracht. Und was steht drin?
Neukölln ist Legende. Wegen der Künstler und Kreativen. Aber so richtig große Stars brachte das Quartier, das binnen weniger Jahre vom Brennpunkt zum coolen Kiez aufgestiegen ist, nicht wirklich hervor. Außer vielleicht den Chef des Rathauses Neukölln: Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky, Sozialdemokrat mit Hang zu eher konservativen Thesen. Am Sonntag saß er bei Günter Jauch und diskutierte über den Salafismus. Heute erscheint nun „Die andere Gesellschaft“ und auch darin geht’s um Migranten, Integration, multikulturelle Gesellschaft.
Es ist das zweite Buch des Mannes, der im Ullstein-Verlag einen besonderen Status hat, als Starautor gar? „Das kann man wohl sagen“, sagt Caroline Kraft, die „Deutschlands bekanntesten Bürgermeister“ (Verlag) betreut. Sie erinnert an die Erfolgsgeschichte von „Neukölln ist überall“: „Von null auf Platz eins in der Bestsellerliste und da auch ein paar Wochen geblieben“.
Buschkowsky selbst beantwortet keine Anfrage mehr, er lässt schreiben: Er sei „im Zeitbudget sehr eingeengt“. Und „er ist von der professionellen Kampagne zu seinem Buch ’Neukölln ist überall’ noch sehr beeindruckt. Er glaubt nicht, dass er persönlich zu einer Steigerung beitragen kann“. Für ihn schreibt das „Team Neukölln-Buch“.
Der Urberliner mit ebendieser Schnauze ist wohl selbst ein wenig angefasst, weil sein Oeuvre die Leserschaft spaltet. Im Vorwort der Neuerscheinung heißt es: „Der eine oder andere wird vielleicht denken: Hoffentlich sein letztes“ Buch. Pikiert klingt das, aber kampfeslustig fügt er hinzu: Seine Leser seien eben „selbst schuld daran, dass dieses Buch entstand“ – will er es denen jetzt zeigen?
Buschkowsky zitiert Kennedy
302 Seiten stark ist „Die andere Gesellschaft“, und Buschkowsky gibt sich im Vorwort im besten Sinne als Volksautor: Er zitiert Bonmots aus der Literaturgeschichte, „banale Lebensweisheiten“ („von nüscht kommt nüscht“) wie er selbst schreibt, erinnert an John F. Kennedys Doktrin der Eigenverantwortung (Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann, sondern was ihr für es tun könnt) erinnert an Disziplin und Solidarität (der Stärkere ist für den Schwächeren da) und wie ihm Werte Orientierung gaben. Die ging wohl irgendwie verloren. „Sind die Grundsätze immer noch unbestritten?“ fragt Buschkowsky und antwortet sogleich: Nein, „Werteinkonsistenz“, „Großstadtturbo“ und „Migration“ verändern unsere Gesellschaft und verlangen von uns, dass wir gegenhalten. Religiöse Toleranz, Gleichheit der Geschlechter, Ächtung der Gewalt sind Werte, die verteidigt werden müssen. Dazu das Buch.
Wer hat am Buch mitgeschrieben?
„Weit über 1500 Seiten“ will Buschkowsky dazu studiert haben. Wer diese zusammentrug, ob Mitarbeiter des Bezirksamtes seine Karriere als Pop-Literat befeuern, ist nicht erwähnt. Und die „niedergeschriebenen Lebensgeschichten und Gefühlswelten“ ließen ihn zur Erkenntnis gelangen: „Bildung ist das A und O“.
Das klingt banal. Ist es aber nicht, jedenfalls wenn Buschkowsky deshalb folgert: Die Einwanderung regulieren ähnlich wie Kanada das tut, indem Qualifizierung berücksichtigt wird. Und wenn Mitglieder von Familien mit Migrationshintergrund nachziehen wollen, dann könne man ihnen die Kenntnis eines „Mindestsprachschatzes von 650 Wörtern“ abverlangen. Sprache, gemeinsame Werte, Bildung, das ist der Kitt, der die Gesellschaft zusammenhält – das müsse auch von Migranten eingefordert werden können.
Und die Werte sind gefährdet: Familiengerichte im Wohnzimmer, wo Patriarchen über das Schicksal der eigenen Tochter oder einer anderen Familie urteilen, stellen das Gewaltmonopol des Staates infrage. „Respekt“ und Anpassungsfähigkeit an unser Land und seine Werte, fordert Buschkowsky. Die Probleme beim Aufbau der multikulturellen Gesellschaft will er benennen. Und um keinen Zweifel an der guten Gesinnung zu lassen, schreibt er: Das Rathaus suche „händeringend Bewerber mit Migrationshintergrund“ für Stellen. Mangels fehlender Qualifikation oder Nachfrage könnten die aber nicht besetzt werden. Immerhin: 40 Prozent aller Ausbildungsplätze seien mit Migranten besetzt.
Buschkowsky ist nicht der einzige Berliner Polit-Schreiber. Der erfolgreichste dürfte Thilo Sarrazin mit „Deutschland schafft sich ab“ (2010, 22 Auflagen) und „Der Tugendterror“ (2012, vier Auflagen) sein. Klaus Wowereit veröffentlichte (zusammen mit Hajo Schumacher) 2007 die Biografie „...und das ist auch gut so“, 2011 folgten 166 Seiten „Mut zur Integration“. Amtsvorgänger Eberhard Diepgen hat 2004 „Zwischen den Mächten. Von der besetzten Stadt zur Hauptstadt“, herausgebracht. Das Neueste von dessen Vorgänger Walter Momper 2014 heißt „Berlin, nun freue dich“. Von Renate Künast stammt unter anderem „Die Dickmacher: Warum die Deutschen immer dicker werden“ (2009). Auch Tim Renner hat geschrieben, zuletzt 2013: „Wir hatten Sex in den Trümmern und träumten“, in dem er und Co-Autorin Sarah Wächter mit der Popindustrie abrechnen.