Debatte um DDR-Vergangenheit: Grunst zum Bezirksbürgermeister von Berlin-Lichtenberg gewählt
Kurz vor der Wahl war die DDR-Vergangenheit von Michael Grunst publik geworden. Nun ist er zum neuen Bezirksbürgermeister gewählt worden.
Sein Besuch der Offiziershochschule der Grenztruppen scheint für den Kandidaten in Lichtenberg nicht zum Verhängnis geworden zu sein: Am Donnerstagabend wurde Michael Grunst im ersten Wahlgang mit 30 von 53 Stimmen zum neuen Bezirksbürgermeister in Lichtenberg gewählt. Die Linke bildete eine Kooperationsgemeinschaft mit der SPD und hatte Unterstützung von den Grünen.
Er habe Demut und Respekt vor seinen neuen Aufgaben, sagte Grunst nach der Wahl. Überstürzen will er aber nichts: "Ich schaue mir erstmal alles an, bevor ich etwas ändere. Lichtenberg ist auf einem guten Weg", sagte Grunst.
Die vorherige Kandidatin der Linken, Evrim Sommer, blieb der Sitzung fern.
Nach der Bezirksbürgermeisterwahl wurde die ehemalige Bürgermeisterin Birgit Monteiro (SPD) mit 33 Ja-Stimmen zur Stadträtin gewählt. Der AfD-Kandidat Wolfgang Hebold wurde in zwei Wahlgängen nicht gewählt. Im Januar will die AfD den nächsten Versuch unternehmen. Und Katrin Framke (Linke), sowie Wilfried Nüthel (CDU) wurden ebenfalls als Stadträte gewählt. Die genaue Ressortverteilung wird nächste Woche bestimmt.
Am Nachmittag vor der Wahl war eine Diskussion um Grunsts Vergangenheit aufgekommen, die ein wenig an die Debatte um den frisch ernannten Baustaatssekretär Andrej Holm (parteilos, für die Linke) erinnerte. Grunst war von 1988-1989 auf der „Offiziershochschule der Grenztruppen (Suhl)“, wie es in einem Lebenslauf des 46-Jährigen steht. In einem Lebenslauf, den Grunst selbst vor etwa drei Wochen dem Tagesspiegel geschickt hatte, fehlt diese Angabe. Hier steht nur „Erlangung der Hochschulreife“.
Könnte damit erneut ein Bürgermeisterkandidat der Linken in Lichtenberg an Angaben in seinem Lebenslauf scheitern? Noch im November war die Wahl der Kandidatin Evrim Sommer verschoben worden, da sie nicht genügend Stimmen bekommen hatte, nachdem kurz zuvor bekannt geworden war, dass sie in einem Lebenslauf „missverständliche“ Angaben gemacht hatte, wie sie selbst später sagte.
Grunst: Zeit bei den Grenztruppen war bekannt
Grunst sagte auf Nachfrage, seine Zeit bei den Grenztruppen sei „im Bezirk bekannt gewesen“. Auch von der SPD und den Grünen war zu vernehmen, diese Angaben seien ihnen nicht unbekannt gewesen. Kevin Hönicke, Fraktionsvorsitzender der SPD, sieht „keinen Grund, die Wahl neu zu bewerten.“ Grunst sagte, ihm sei in den letzten Wochen gedroht worden, diese Angaben öffentlich zu machen, und er entschuldigte sich, die Offizierhochschule nicht in den versandten Lebenslauf aufgelistet zu haben. „Ich wollte damit nichts vertuschen.“
Am 18. August 1988 sei er einberufen worden, es habe sich um eine Art „Abitur in Uniform“ gehandelt, was als sein Grundwehrdienst gewertet wurde. Im Juli 1989 habe er seine Hochschulreife erlangt. Im September 1989 sollte sein Studium auf der Offiziershochschule beginnen. Ebenfalls im September sei er jedoch als „schwarz“, also als „politisch unzuverlässig eingestuft“ worden. Hintergrund sei eine Auseinandersetzung zum „Sputnikverbot“ und den Umgang mit der Grenzöffnung in Ungarn gewesen.
„Das hatte zur Folge dass ich im Oktober/ November 1989 aus dem Dienstgeschehen rausgelöst wurde und mit "Sonderaufgaben" beschäftigt wurde (Putzen des Objektes). Während der gesamten Dienstzeit war ich kein einziges Mal zum Grenzdienst o.ä. eingesetzt“, sagt Grunst. Im März sei es zu einer Auseinandersetzung mit führenden Offizieren gekommen – denselben Offizieren, die ihn als „politisch unzuverlässig“ eingestuft hatten. Er wurde zum Soldaten degradiert und unehrenhaft entlassen. Im Anschluss habe er einen Monat Sozialhilfe bezogen und im Mai 1990 eine Anstellung im Druckhaus Friedrichshain erhalten, sagte Grunst. „Die Erfahrung aus dieser Zeit waren der Grund, mich 1995 wieder politisch zu engagieren.“
Weiter führte der Linken-Politiker am Donnerstag aus: „Der Sachverhalt ist den politischen Akteuren und meiner Partei bekannt. Ich habe bei der Vorstellung bei den anderen Fraktionen explizit darauf hingewiesen. Dies wurde von mir auch nie verheimlicht oder geleugnet. Bei meiner Kandidatur für den Landesvorstand der PDS 1997 habe ich darauf hingewiesen.“
Auf der Webseite der Lichtenberger Linken gibt es keinen Lebenslauf des Kandidaten
Auf der Webseite der Linken in Lichtenberg wird kein Lebenslauf von Grunst aufgeführt, hier ist lediglich ein Bild von ihm zu sehen. Grunst lebt seit 1980 in Lichtenberg. Er ist Diplom-Volkswirt und war seit 2002 persönlicher Referent der damaligen PDS-Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner. 2007 wechselte er als stellvertretender Referatsleiter in die Senatsverwaltung für Gesundheit. Ab 2012 leitete er das Ordnungsamt in Treptow-Köpenick. Als die damalige Stadträtin Ines Feierabend (Linke) als Staatssekretärin nach Thüringen ging, sprang Grunst ein und wurde Stadtrat für Jugend und öffentliche Ordnung.
Grunst selbst glaubte nicht, dass ihm seine Vergangenheit bei der Wahl im Weg stehen könnte. Schon vor der Wahl hat er eine ausgiebige Agenda vorgelegt.
Die frühere Bürgermeisterin ist nun Stadträtin
Die bisherige Bürgermeisterin Birgit Monteiro von der SPD wurde als Bezirksstadträtin gewählt. Sie hatte das Amt nach der gescheiterten Wahl im November weitergeführt und zuletzt einen Freizug der von Flüchtlingen belegten Turnhatten gefordert. Diese sollen in Tempohomes umgesiedelt werden, die Verlegung verzögert sich allerdings erneut. Grunst schließt hier nahtlos an und fordert eine „menschenwürdige Lösung für die Unterbringung der Flüchtlinge“.
Weiter möchte der 46-jährige bekennende Union-Fan, einen Masterplan zur Bekämpfung der Kinderarmut und die Schaffung eines Netzwerkes für Alleinerziehende schaffen. Die bezirkliche Infrastruktur im Gleichklang zum Bevölkerungswachstum zu gestalten, das sei die große Herausforderung in Lichtenberg. Die Schaffung von Rahmenbedingungen für den Neubau von Wohnungen und die Schaffung bezahlbaren Wohnraums stünden im Mittelpunkt sowie auch der Ausbau von Kita- und Schulplätzen. Es soll eine verbindliche Regelung für die Bebauung von Innenhöfen gefunden werden und ein Personal- und Dienstgebäudekonzept erarbeitet werden.