Kein Kompromiss in Sicht: Grünen-Fraktion sucht externe Vermittler
Wer zwischen den zerstrittenen Lagern in der Grünen-Fraktion vermitteln soll, ist unklar. Die Linke besteht auf einem Rücktritt Ratzmanns oder Pops. Der Streit hat auch die Bundes-Grünen alarmiert.
Die Grünen-Fraktion machte am Dienstag vor ihrer Sitzung um 15 Uhr denselben Eindruck wie in der vergangenen Woche: zerstritten, nicht kompromissfähig, in zwei Lager gespalten. Auch nach vierstündigen Verhandlungen war am Abend noch nicht klar, wie die Fraktion ihre Krise lösen will. Fraktionschef Volker Ratzmann und der Parteilinke Dirk Behrendt sprachen von einem "ergebnisoffenen Verfahren" bis Ende November. Voraussichtlich am Donnerstag soll auf der nächsten Fraktionssitzung darüber gesprochen werden, ob es ein oder mehrere "externe Vermittler", so Ratzmann, geben soll. Über Namen wurde noch nicht diskutiert. Und es ist auch noch offen, ob Ratzmann oder Ramona Pop in ihren Ämtern bleiben. "Ich bin erstmal für ein Jahr gewählt", sagte Ratzmann.
Laut Satzung wird der Fraktionsvorstand in einer Legislaturperiode zunächst für ein Jahr, dann für je zwei weitere Jahre gewählt. Die Parteilinke akzeptierte die vor einer Woche wiedergewählten Fraktionschefs Ratzmann und Ramona Pop aber nicht und forderte einen der beiden Vorstandsposten. Diese Forderung wiederholte Behrendt nach der Sitzung am Dienstag nicht mehr. In einem "moderierten Prozess" wolle man erreichen, dass die „Minderheitenpositionen besser vertreten sind“, sagte er.
Ratzmann und Behrendt sprachen davon, sich "konsensual" auf fachpolitische Sprecher zu verständigen. "Wir wollen schnell handlungsfähig werden und an einem Strang ziehen", sagte Ratzmann. Eine "schlagkräftige" Fraktion solle aufgebaut werden, ergänzte Behrendt. Die drei Stellvertreterposten und die Position des parlamentarischen Geschäftsführers der 29-köpfigen Fraktion wurden am Dienstag nicht bestimmt. Diese Positionen mit Kandidaten des linken Flügels zu besetzen, war ursprünglich das Kompromissangebot an die Parteilinke, zu der ein Dutzend der 29 Abgeordneten zählt.
Wer als externe Vermittler fungieren könnten, ist offen. Die Linken hatten den Bundestagsabgeordneten Wolfgang Wieland als Schlichter vorgeschlagen. "Ich habe meine Bereitschaft zur Schlichtung erklärt. Alles weitere müssen die Streithähne klären", sagte Wieland dem Tagesspiegel. Pop oder Ratzmann seien bisher nicht auf ihn zugekommen.
Der Streit in der Grünen-Fraktion hat mittlerweile die Bundespartei erreicht. Die Grünen-Bundesvorsitzende Claudia Roth rief die zerstrittene Fraktion zu mehr Kompromissbereitschaft auf. Es müsse eine Lösung geben, bei der sich "alle zu Hause fühlen", sagte Roth. Die ehemalige Berliner Spitzenkandidatin Renate Künast forderte die Fraktion auf, sich auszusprechen. Künast selbst wird zurzeit vom Realo-Flügel kritisiert. Der EU-Parlamentarier Reinhard Bütikofer warf ihr in einem auf seiner Internetseite veröffentlichten Positionspapier unter anderem eine "Mischung aus Selbstüberschätzung und Fahrlässigkeit" im Wahlkampf vor.
Sabine Beikler