Wahl zum Fraktionsvorstand: Grüne Zerreißprobe
Volker Ratzmann und Ramona Pop sind als Fraktionsvorsitzende wiedergewählt, und der linke Flügel ist empört. Nun fordern die Abgeordneten vehement einen Sprecherposten ein.
Einen Tag nach der Wiederwahl der Grünen-Fraktionschefs Volker Ratzmann und Ramona Pop fordert der linke Flügel der 29-köpfigen Fraktion den Amtsverzicht von einem der beiden Vorsitzenden. „Die beiden Fraktionschefs vertreten nicht unsere Position. Wir wollen auf Augenhöhe in der Fraktion beteiligt werden“, sagte Dirk Behrendt am Mittwoch. Am Vorabend unterlagen die Kandidaten der Parteilinken Behrendt und Canan Bayram bei der Fraktionsvorstandswahl den amtierenden Fraktionschefs Volker Ratzmann und Ramona Pop. Nach einem Patt wurde Ratzmann mit knapper Mehrheit im zweiten Wahlgang wiedergewählt.
Pop und Ratzmann lehnten ab, ihre Posten zur Verfügung zu stellen. „Die Mehrheit der Fraktion hat sich in einer demokratischen Wahl entschieden“, sagte Pop. „Ich appelliere an die Linke, gemeinsam zu arbeiten. Sie hat das Angebot, eigene Kandidaten für den Vorstand aufzustellen“, sagte Ratzmann.
Nach der Niederlage der Parteilinken am Dienstagabend wurde die Wahl der Stellvertreterpositionen auf die kommende Woche verschoben. Doch die Parteilinke, zu der ein Dutzend der 29 Abgeordneten zählt, lehnt das Angebot bisher ab. „Ich habe von niemandem gehört, dass er mit den beiden im Vorstand arbeiten möchte“, sagte Bayram. Die neu gewählte Abgeordnete Susanna Kahlefeld aus Neukölln sagte, sie habe ursprünglich als Beisitzerin kandidieren wollen. Doch der Vorstand habe nicht „integrierend gewirkt“, so dass sie sich eine Zusammenarbeit nicht mehr habe vorstellen können.
Die Linken wollen ihre Position nicht als Spaltung bezeichnen. Sie wollen sich damit auch nicht in die „Schmollecke“ gedrängt sehen. „Wir sind aber nicht mehr bereit zu akzeptieren, dass Minderheitenpositionen bei den Grünen ausgegrenzt werden“, sagte Behrendt.
Der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Wieland unterzeichnete einen Appell von rund 80 Grünen-Mitgliedern. Darin wird die Fraktion aufgefordert, bei der Vorstandswahl die „tatsächliche Vielfalt von Meinungen“ abzubilden. Sonst drohe eine „Ausgrenzung und Stilllegung“ von Potenzialen. Die Ausschaltung eines gewichtigen Teils der Fraktion aus den „wichtigen Fraktionsgremien“ wäre der „fatale Durchmarsch eines autoritären Politikverständnisses“. Dass die Parteilinke keine Kandidaten für die restlichen Posten im Fraktionsvorstand aufstellen will, versteht Wieland nicht. „Diese Reaktion ist völlig überzogen. Gewählt ist gewählt.“ Ratzmann habe bei der Wahl die gelbe Karte erhalten. „Damit sollte es gut sein. Die Linke schneidet sich mit ihrem Verhalten selbst ins Fleisch.“
Die Fraktionschefs Pop und Ratzmann wandten sich am Mittwoch schriftlich an die Gesamtfraktion und appellierten, das Aufstellen der neuen Fraktion gemeinsam zu gestalten. Die Auswertung des Wahlkampfs und die Diskussion um den künftigen Oppositionskurs möchten die Fraktionschefs „möglichst bald und auch selbstkritisch in der Partei“ führen. Man habe den Wahlkampf und die Koalitionsverhandlungen geschlossen bestritten und „vieles richtig und Entscheidendes auch falsch gemacht“: Aber nur wer aus Fehlern lerne, sei zukunftsfähig.
Parteiinterne Kritik wird vor allem an Ratzmanns Verhandlungsführung geäußert. Ratzmann hatte ohne Not das Nein zum Weiterbau der A 100 zur Bedingung von Rot-Grün gemacht.