Geld und Sozialpolitik in Berlin-Kreuzberg: Grundsatzkonflikt ums Dragonerareal
Der Verkauf des Dragonerareals in Kreuzberg ist gestoppt, aber noch nicht verhindert. Bis Juni wird weiter diskutiert. Der Konflikt wirft größere Fragen nach dem Zusammenhang zwischen Liegenschaftspolitik und Sozialpolitik auf. Die Verkaufspraxis muss sich ändern.
Der Verkauf des Dragonerareals in Kreuzberg zum Maximalpreis von 36 Millionen Euro an private Investoren ist gestoppt, aber nicht verhindert. Bis zum Juni haben beide Seiten – der Bund als Verkäufer und Berlin als Kaufinteressent – Zeit, eine einvernehmliche Lösung auszuhandeln. Oder sich weiter zu streiten. Im Juni berät erneut der Finanzausschuss des Bundesrats über das Grundstücksgeschäft. Stimmen die Finanzminister und -senatoren der Länder mehrheitlich gegen den Verkauf an Wiener Investoren, muss das Geschäft rückgängig gemacht werden.
Das Geld und die Sozialpolitik
Die Investoren aus Wien sind nach Auskunft ihrer Sprecherin Ulrike Döcker „überrascht“ über die Haltung der Minister im Bundesrat. Die Entscheidung, das Grundstücksgeschäft erst mal nicht passieren zu lassen, ist tatsächlich ein ungewöhnlicher Vorgang. Die Investoren wollten aber keineswegs vom Kaufvertrag zurücktreten, sondern die Zeit bis zum Juni nutzen, um für sich zu werben. „Wir fühlen uns verkannt“, sagte Döcker. Man stehe „unter Pauschalverdacht, spekulativ unterwegs zu sein“. In der Tageszeitung taz war sogar von „Heuschrecken“ die Rede. Der global agierende Investmentfonds „Global Property Invest“, der hinter der „Dragonerhöfe GmbH“ steht, wirbt auf seiner Internetseite mit dem Slogan „Außerordentliche Profite“, das fördert nicht gerade das Vertrauen.
Die Kreuzberger Dragonerhöfe sind für SPD und CDU in Bund und Ländern vor allem ein geeignetes Vehikel, um einen Grundsatzkonflikt auszutragen. Es geht um die Frage, ob Liegenschaftspolitik auch Sozialpolitik sein darf. Weite Teile der CDU, allen voran Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, weisen das zurück. Immerhin leitet Schäuble ein Ministerium, das sich vor allem um das Einnehmen von Geld bemüht, das andere Minister, unter anderem für Soziales, ausgeben können.
Verkaufpraxis muss sich ändern
Die Bauminister der Länder bilden die Gegenposition. Sie fordern vom Bund, seine Politik der Gewinnmaximierung aufzugeben und Immobilien zuerst den Ländern zum Verkehrswert anzubieten. Dazu müsste die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) ihre Verkaufspraxis ändern. Die Bima verweist aber auf ihre gesetzlichen Grundlagen. Das schwebende Verfahren ums Dragonerareal soll nun den Druck auf die Bundesregierung erhöhen, das Bima-Gesetz entsprechend zu verändern.
Zwei Szenarien sind nun denkbar: Wenn der Bund an „seiner bisherigen Politik zur Erlösmaximierung“ (Pressemitteilung Finanzsenator Kollatz-Ahnen) festhält, lassen die Länderminister den Verkauf des Dragonerareals endgültig platzen. Der Bund müsste den Investoren den bereits bezahlten Kaufpreis von 36 Millionen Euro zurückerstatten. Ein peinlicher, Investoren abschreckender Vorgang. Zumal der Verkauf des Grundstücks schon einmal scheiterte.
Schlecht für Kreuzberg, gut für Berlin und den Bund
Szenario zwei erscheint realistischer: Der Bund lenkt ein, ändert die Vorgaben zum Verkauf bundeseigener Liegenschaften und erhält dafür grünes Licht für das bereits seit 2011 laufende Verkaufsverfahren Dragonerareal. Für Kreuzberg und die stadtplanerisch interessierten Bürgerinitiativen die deutlich schlechtere Variante, für Berlin und den Bund aber eine gute Basis, um die laufenden Verhandlungen über 4600 Bundeswohnungen und -liegenschaften erfolgreich abzuschließen. Die Verhandlungen laufen derzeit nach Auskunft von Stadtenwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) sehr zäh.
Die Ankündigung der Wiener Investoren, einen Wohnanteil mit „sozialverträglichen Mieten“ zu bauen und die Immobilie langfristig zu halten, ist bislang nicht mit Zahlen unterlegt. Kritiker halten das wegen der hohen Grundstückskosten für ökonomisch gar nicht darstellbar. Döcker: „Wir fangen an mit einem weißen Blatt. Es gibt keine fertige Kalkulation.“ Jetzt sollen vertrauensbildende Gespräche mit den beteiligten Politikern und Initiativen geführt werden.