Anerkennung von der Bühnenfamilie: Glamour und Gemeinschaft
Auch Schauspieler brauchen Rückhalt – und Verbandsarbeit. Bei einer Gala wird das am Freitag in Berlin gefeiert.
Eine Preisverleihung, bei der Geborgenheit wichtiger ist als Glamour? Doch, das gibt es und ausgerechnet unter Schauspielern, bei denen das große Glitzern sonst so wichtig ist. Um die Bedeutung des Deutschen Schauspielpreises zu verstehen, muss man ein bisschen tiefer schürfen. Anders als bei den üblichen Medienpreisen, bei denen goldene Trophäen öfter mal auf jene abgeworfen werden, die gerade bereit sind, sich aus Hollywood einfliegen zu lassen, geht es hier um verborgene Gefühle und die ewige menschliche Sehnsucht nach Wertschätzung. Ein bisschen Politik ist natürlich auch dabei.
Der Schauspieler Hans-Werner Meyer, Fernsehzuschauern derzeit zum Beispiel aus der ZDF-Serie „Letzte Spur Berlin“ vertraut, hat den Preis von Anfang an begleitet. Die erste Verleihung während der Berlinale 2012 kam für Außenstehende im Hochglanztrubel der Filmfestspiele etwas langatmig daher. So viele Lobreden gab es, und alle waren sehr ausführlich. Tatsächlich war die Idee dahinter aber eng verknüpft mit der Gründung des Bundesverbands Schauspiel (BFFS) im Jahr 2006. Man wollte bewusst eine familiäre Zeremonie, voll der Anerkennung, die in der harten Realität oft ausbleibt.
Größte Berufsvertretung
Seit der Gründung hat sich der Verband mit inzwischen 3400 Schauspielerinnen und Schauspielern zur größten Berufsvertretung im deutschsprachigen Raum entwickelt, eine Gewerkschaft, die nicht nur die tariflichen, sondern auch die rechtlichen und sozialen Rahmenbedingungen verbessern will. Und sie will ein Gemeinschaftsgefühl stiften, an dem es Schauspielern oft mangelt. Es geht auch um einen Ort, an dem man ohne Scham etwa über Geld reden kann. Wer nach Hollywood blickt, staunt vielleicht über Einkommen im zweistelligen Millionenbereich. „In Deutschland ist es so, dass nur vier Prozent der Schauspieler ein Jahreseinkommen von 100 000 Euro oder mehr haben“, sagt Meyer. „Dagegen liegen 70 Prozent bei unter 30 000 Euro.“ Er erzählt das leicht zurückgelehnt während eines Brunchs am Kurfürstendamm, bei dem sich die Nominierten des Schauspielpreises vorab treffen.
„Im Grunde sind wir ein Dach“, beschreibt die Vorstandsvorsitzende Leslie Malton, die in der ARD etwa im „Weingut Wader“ zu sehen war, den BFFS. Dazu gehören Tarifverhandlungen, Beratungen, Treffen und eben der Deutsche Schauspielpreis. „Der soll natürlich auch Aufmerksamkeit generieren“, wirft Hans-Werner Meyer ein. Das gehört zur Interessenvertretung schließlich dazu. Innerhalb des Verbandes ist Leslie Malton die nach der Göttin der Gerechtigkeit benannte Arbeitsgruppe Themis ebenfalls besonders wichtig. In der geht es um Themen wie #MeToo. Darum gehören ihr neben Schauspielern und Regisseuren auch Produzenten an.
Stillschweigen über Gagen
Bevor es den Verband gab, sei das Reden über Gagen sehr schambehaftet gewesen. Oft wurden Schauspieler zum Stillschweigen verpflichtet und in der Annahme gehalten, sie würden höher bezahlt als andere, erzählen Malton und Meyer. Das hatte ein Ende, als plötzlich Foren existierten, in denen man miteinander reden konnte. Neben Berlin gibt es inzwischen in sechs weiteren großen Städten regelmäßige Stammtische. Die meisten Schauspieler können schließlich nicht wie normale Arbeitnehmer auf einen festen Kollegenkreis zurückfallen. Ist ein Film abgedreht oder ein Theaterstück zum letzten Mal aufgeführt worden, geht die Crew auseinander. Dann heißt es unter Umständen: warten auf das nächste Engagement. „Natürlich ist es ein Künstlerberuf, das ist uns völlig klar“, sagt Hans-Werner Meyer. „Aber das heißt ja nicht, dass wir nicht bessere Bedingungen schaffen können.“ Oft hapere es zum Beispiel an Informationen, wie man die Daseinsvorsorge gut gestalten kann.
Den Druck, in besonders teuren Kleidern zu erscheinen, gibt es beim Deutschen Schauspielpreis nicht. Und Hierarchien spielen auch keine Rolle. Auf dem roten Teppich wird jeder ausgiebig fotografiert, das geht nicht nach Wichtigkeit oder Bedeutung. Alle erfahren Wertschätzung und Aufmerksamkeit, die Veranstaltung atmet den Geist der Kollegialität. Und das wirkt sogar auf den Sponsor ansteckend. Die ganze Atmosphäre sei so gut, dass darüber schon Freundschaften entstanden seien, schwärmt der örtliche Audi-Marketingleiter Manfred Kockmann. Klein, aber fein sei der Preis und eher von Understatement geprägt. „Dass Schauspieler von Schauspielern ausgezeichnet werden, ist ungeheuer wichtig“, bestätigt Bettina Zimmermann, ebenfalls eine langjährige Unterstützerin des Preises. Das habe doch noch eine andere Wertigkeit.
Theaterpreis für Angela Winkler
Die 40-köpfige Jury hat auch jede Menge zu tun. Zunächst sind 280 Filme und Serien zu sichten. Am Ende gibt es jeweils drei Nominierte für jedes Genre. Zu den acht Kategorien kommen in diesem Jahr neue Preise für Fairness, Synchronisation und Inspiration hinzu. Um die Sache für den ebenfalls neu geschaffenen Theaterpreis zu vereinfachen, hat man beschlossen, dass ein Pate sich einen Schauspieler aussucht, der dann geehrt wird. Den Anfang macht der Präsident der Deutschen Filmakademie, Ulrich Matthes, der sich für Angela Winkler entschieden hat.
Rund 700 Leute passen in den Zoo-Palast, wo die Verleihung am Freitagabend stattfindet. Wenn die Zeremonie am Ende doch glanzvolle Signale aussendet, liegt es wohl auch an der in dieser Hinsicht durch elegante Kunst-Events erfahrenen Agentur La Maison VSF, die inzwischen Mitveranstalter ist. Lobreden müssen nicht abgestimmt werden und stecken oft voller – manchmal frecher – Überraschungen. Künstler können eben herrlich unkonventionell sein. Nicht zuletzt geht es um die Feier einer Berufung auf den Brettern, die die Welt bedeuten.