Geldwäsche-Verfahren eingestellt: Gericht zieht Villa vom Rammo-Clan ein
Jusuf ist ein Spross des berüchtigten Rammo-Clans. 2012 hatte er in Alt-Buckow ein Anwesen gekauft, offenbar mit schmutzigem Geld.
In der denkmalgeschützten Villa wohnt und residiert Jusufs Vater, das Oberhaupt des Clans - Issa Rammo, 52. Das Landgericht Berlin hat nun entschieden, dass dieses und ein weiteres Grundstück eingezogen werden. Für den Clan ein schwerer Schlag
Ausgestanden ist die Sache damit nicht. Am Ende, davon wird in der Berliner Justiz ausgegangen, könnte der Fall beim Bundesverfassungsgericht landen. Es geht um die Frage, wie weit der Staat im Kampf gegen organisierte Kriminalität gehen darf. Und wie weit die Prinzipien des Rechtsstaates dafür ausgereizt oder überschritten werden dürfen.
Bei den eingezogenen Grundstücken gibt es laut Gericht nicht ausreichend Beweise dafür, dass sie mit Geld aus Straftaten finanziert wurden. Bereits im Sommer 2018 hatte die Staatsanwaltschaft per Gerichtsbeschluss die Villa und andere Immobilien, insgesamt 77 Objekte, beschlagnahmt.
Die Häuser und Wohnungen haben nach Schätzungen der Staatsanwaltschaft einen Wert von rund neun Millionen Euro. Sie sollen nach Ansicht der Ermittler – teils bei Zwangsversteigerungen – mit Erlösen aus Straftaten gekauft worden sein. Gewaschenes Geld, das über den Libanon wieder per Überweisung und in bar nach Deutschland kam.
Raub, Drogenhandel, Überfälle
Es geht nach Ansicht der Ermittler um fast 30 Millionen Euro. Nicht wenige Mitglieder des Clans sind bereits mit schweren Straftaten aufgefallen – Raub, Drogenhandel, Überfälle, Einbrüche in Banken oder ins Bodemuseum. Vor zwei Monaten erst wurden Clan-Mitglieder wegen des Diebstahls der Goldmünze Big Maple Leaf verurteilt. Der Wert der Münze: rund vier Millionen Euro.
Und erst kürzlich waren Ermittler und eine Spezialeinheit in der Rammo-Villa eingerückt, nicht zum ersten Mal. Grund für die Durchsuchung am 8. April sind Ermittlungen wegen gefährlicher Körperverletzungen. Zuerst hatte die „Bild“-Zeitung darüber berichtet.
Im Visier der Ermittler: Der als Intensivtäter registrierte 28-jährige Firas, ebenfalls Sohn von Clanchef Issa. Die Ermittlungen drehen sich um einen Überfall. Im Februar sollen drei Maskierte in einem Café in Wedding einen 33-Jährigen attackiert, geschlagen und getreten haben. Das Opfer erlitt mehrere Schädelbrüche. Die Täter sollen versucht haben, den Mann auf die Straße und in den Kofferraum ihres Wagens zu schleppen. Weil ein Streifenwagen kam, ließen sie davon ab. Die Polizei soll am Tatort ein Pistolenmagazin gefunden haben – samt scharfer Patronen.
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Grund für den Angriff sollen finanzielle Streitigkeiten im Clan-Millieu sein. Zu den 75 der 77 beschlagnahmten Immobilien laufen noch Ermittlungen wegen des Verdachts auf Geldwäsche. Auch die Mieteinnahmen wurden 2019 sichergestellt. Möglich wurde die Beschlagnahmung durch eine im Sommer 2017 in Kraft getretene Novelle des Strafgesetzbuches.
Gegner und Befürworte
Teils wurde es als Durchbruch gefeiert. Denn im Kampf gegen die organisierte Kriminalität und Terrorismus kann seither Vermögen eingezogen oder beschlagnahmt werden, wenn die Herkunft des Geldes unklar ist. Und der Staat muss nicht mehr nachweisen, dass das Geld aus Straftaten stammt.
Kritiker sprechen von einer Umkehr der Beweislast, die im deutschen Strafrecht eigentlich beim Staat liegt. Und von der Wiedereinführung der Vermögenstrafe – ein Bruch mit den bundesrepublikanischen Prinzipien der Rechsstaats. Andere sehen darin ein nötiges Instrument, um schlagkräftig gegen kriminelle Banden und Clans vorgehen zu können, damit der Rechtsstaat kein zahnloser Tiger bleibt.
Nach jahrelangem Wegsehen hatte der Senat Ende 2018 obendrein ein härteres Vorgehen gegen Clan-Kriminelle beschlossen. Bei den beiden eingezogenen Immobilien sind die Ermittlungen wegen Geldwäsche aber ins Leere gelaufen und mussten eingestellt werden.
Dennoch kann nach der neuen Gesetzeslage ein aus einer rechtswidrigen Tat stammender Gegenstand, der in einem Verfahren wegen Geldwäsche sichergestellt wurde, auch dann eingezogen werden, wenn der Betroffene nicht wegen dieser Straftat verfolgt werden kann.
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Gericht sieht bewusste Verschleierung
Das Landgericht hat ein „grobes Missverhältnis“ zwischen dem Wert der Immobilien und den Einkünften des 26-Jährigen festgestellt. Anhand von Kontoauszügen, Steuerbescheiden, Darlehensvereinbarungen und anderen Schriftstücken kam es zu dem Schluss, dass das Geld für den Erwerb der Immobilien „aus irgendeiner“ oder „mehreren nicht näher konkretisierbaren“ Straftaten herrührten – nach Ansicht des Gerichts begangen von Mitgliedern des Clans. Als Jusuf mit 19 Jahren die Grundstücke kaufte, habe er keine nennenswerten, rechtmäßigen Einkünfte gehabt.
Die Richter haben auch Erkenntnisse aus einer „hohen Anzahl“ von Ermittlungsverfahren gegen Clan-Mitglieder ausgewertet. Die Einbeziehung von Strohmännern, die ausgesuchten rechtlichen Konstrukte sowie die Details des Immobilienerwerbs – das alles spricht aus Sicht des Gerichts für eine bewusste Verschleierung der tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse.
Clan-Spross Jusuf hat Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt, nun ist das Kammergericht an der Reihe. Es dürfte nicht dabei bleiben. Vor Gericht werden die Mitglieder der Großfamilien immer wieder von den besten Strafverteidigern der Stadt vertreten.