FDP siegt vor dem Verfassungsgericht: Geisel muss Fragen zur Schießstandaffäre beantworten
Der FDP-Abgeordnete Marcel Luthe darf Details zur Schießstandaffäre erfragen - das hat der Verfassungsgerichtshof entschieden
Die Schießstandaffäre bei der Berliner Polizei ist für Innensenator Andreas Geisel (SPD) noch nicht vorbei. Der FDP-Abgeordnete Marcel Luthe hat im Streit mit Geisel um den Umgang mit Opfern der Affäre vor dem Berliner Verfassungsgerichtshof einen Sieg errungen. Nach einem erst jetzt bekannt gewordenen Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom August hat Geisel mit der unzureichenden Beantwortung einer schriftlichen Anfrage von Luthe dessen Abgeordnetenrechte verletzt. Zuerst hatte der RBB berichtet.
Luthe hatte in einem Fragenkatalog Auskunft dazu verlangt, wie genau und auf Grundlage welcher Fakten die von Geisel eingesetzte Bewertungskommission über Entschädigungsanträge hunderter von der Schießstandaffäre betroffener Polizeibeamter entschieden hat. Doch diese Fragen wurden kaum beantwortet. Geisel hatte dies damit begründet, dass die von ihm einberufene Expertenkommission unabhängig sei. Dem folgten die Verfassungsrichter jedoch nicht, weil die Kommission an die Senatsinnenverwaltung angebunden gewesen sei und zudem Haushaltsgelder für den Entschädigungsfonds bereitgestellt wurden.
FDP fordert Untersuchungsausschuss
"Der Innensenator kann sich natürlich nicht in einem Akt der Selbstermächtigung der parlamentarischen Kontrolle entziehen, sondern muss nun selbst Verantwortung dafür übernehmen, warum ein Menschenleben höchstens 80.000 Euro wert sein soll und viele vergiftete Polizisten gar nichts bekommen sollen“, sagte Luthe. Er habe nun die Anfragen erneut gestellt. Zugleich forderte Luthe die CDU auf, gemeinsam mit der FDP einen „kurzen, präzisen“ Untersuchungsausschuss auf den Weg zu bringen. Nötig sei auch, „endlich die strafrechtliche Verantwortung in der Schießstandaffäre zu klären“. Dann stünden den Opfern umfangreiche Ansprüche nach dem Opferentschädigungsgesetz zu.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Generalstaatsanwaltin Margarete Koppers wegen Körperverletzung im Amt durch Unterlassen in ihrer früheren Position als Polizeivizepräsidentin. „Statt Lippenbekenntnissen müssen wir für diejenigen Verantwortung übernehmen, die täglich für unsere Sicherheit Verantwortung übernehmen. Das erreichen wir nur, indem endlich die Verantwortung für die Todesfälle und hunderte Geschädigte festgestellt und übernommen wird - und nicht durch Almosen von 3000 Euro für Krebs“, sagte Luthe.
Charité-Studie hatte Zusammenhang mit Krebserkrankungen verneint
Der Verein "Biss", der die Opfer der Schießstandaffäre vertritt, wirft Geisels Innenverwaltung sogar Täuschung des Abgeordnetenhauses und Falschaussagen vor. Dabei geht es um die Ausgleichszahlungen und Nachweise über den Zusammenhang von Schadstoffen in den Schiedständen und Erkrankungen von Beamten. Die Darstellungen des Senats in den Mitteilungen an das Abgeordnetenhaus seien „fehlerhaft, unvollständig und in Teilen nicht nachvollziehbar“.
Strittig ist weiterhin eine Studie der Charité im Auftrag der Innenverwaltung, wonach sich kein Zusammenhang zwischen der Arbeit an Schießständen und späteren Erkrankungen belegen lassen. Bislang sind rund 3,2 Mio. Euro an Polizisten ausgezahlt worden, viele waren über Jahre giftigen Dämpfen in den schlecht belüfteten Schießständen ausgesetzt. Polizeiführung und Politik wussten lange von den Missständen, erst als diese 2015 aufgedeckt wurden, war die Polizeiführung eingeschritten. Zahlreiche Beamte sind besonders von Lungenerkrankungen betroffen, einige sind verstorben.
489 Anträge auf Entschädigung positiv beschieden
Von 786 bearbeiteten Entschädigungsanträgen wurden 297 negativ und 489 positiv beschieden. 328 mal wurden 3000 Euro ausgezahlt, 25 mal 7500 Euro, 114 mal 10.000 Euro, 8 mal 30.000 Euro, 2 mal 40.000 Euro, 7 mal 50.000 Euro, 3 mal 60.000 Euro, 1 mal 70.000 Euro, 1 mal 80.000 Euro. Einige Betroffene haben Widerspruch gegen die Entscheidungen der Kommission eingelegt, der Rechtsweg wurde bei der Schaffung des Fonds ausgeschlossen. Vertreter betroffener Beamter haben sich auch an den Petitionsausschuss des Abgeordnetenhauses gewandt.