Bund-Länder-Gipfel und Flüchtlingskrise: Für Berlin geht es morgen um die finanzielle Existenz
Die Hauptstadt braucht Geld. Viel Geld. Am Donnerstag wollen sich Bund und Länder auf eine Verteilung der Flüchtlingskosten und einen neuen Länderfinanzausgleich einigen.
In dieser Woche könnte sich entscheiden, ob Berlin auch in den nächsten Jahren finanziell über die Runden kommt. Denn am Donnerstag wollen sich Bund und Länder über die Verteilung der Flüchtlingskosten und einen neuen Länderfinanzausgleich einigen. Wie es jetzt aussieht, kann Berlin im nächsten Jahr mit etwa 150 Millionen Euro rechnen, mit denen sich die Bundesregierung an den Ausgaben für die Flüchtlinge beteiligt. Rechnet man die ständig wachsenden Steuereinnahmen hinzu, von denen Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen auch 2016 ausgehen kann, reichen die zusätzlichen Gelder gerade noch aus, um trotz der vielen Flüchtlinge in den schwarzen Zahlen zu bleiben.
Ab 2017 könnte sich das ändern. Jedenfalls dann, wenn der Bund seine Zuschüsse für die Versorgung und Integration der Asylsuchenden an die Länder nicht drastisch erhöht. Es geht ja auf mittlere Sicht nicht nur um ein provisorisches Dach über dem Kopf, Essen und Sozialleistungen, sondern um die Anpassung des Bildungssystems, des Wohnungsbaus, des öffentlichen Personennahverkehrs und der jetzt schon überforderten Landesverwaltung an die steigende Zahl der Menschen.
Mehr Geld für Wohnungsbau
Die amtliche Bevölkerungsprognose ging ohne das aktuelle Flüchtlingsdrama von jährlich 45 000 zusätzlichen Einwohnern aus. Es kommen aber voraussichtlich allein in diesem Jahr 55 000 Flüchtlinge in die Stadt, vielleicht werden es sogar 70 000. Das tatsächliche Bevölkerungswachstum dürfte in den nächsten Jahren also deutlich höher ausfallen.
Im Etatentwurf des Senats sind im nächsten Jahr 383 Millionen Euro für den „Komplex Flüchtlinge“ eingeplant, wie es im neuen Haushaltsgesetz heißt. Für 2017 sind 445 Millionen Euro vorgesehen. Die realen Kosten dürften jährlich um mindestens 200 Millionen Euro höher liegen. Zusätzliche finanzielle Anstrengungen für den öffentlich geförderten Wohnungsbau und mehr Personal in den Behörden, in Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen sind dabei noch nicht einkalkuliert.
Berlin hängt am Tropf
„Wir wissen natürlich nicht, wie viele Hilfe suchende Menschen künftig in Deutschland und damit auch in Berlin anlanden“, sagt der erfahrene Grünen-Finanzexperte Jochen Esser. „Aber ohne dynamische Hilfen des Bundes, die sich an den tatsächlichen Ausgaben orientieren, wird uns der Landeshaushalt ab 2017 um die Ohren fliegen.“ Ganz abgesehen von den logistischen Problemen. „Denn hier stößt ein träges Verwaltungswesen auf eine Entwicklung mit richtig hohem Tempo“, sagt Esser.
Das andere Thema, mit dem sich der Bund-Länder-Gipfel am Donnerstag befassen will, ist für Berlin auf lange Sicht noch wichtiger. Zwar kommt die Stadt seit 2012 ohne neue Kredite aus und konnte sogar zwei Milliarden Euro Schulden abbauen, trotzdem hängt Berlin immer noch am Tropf. Rund 5,7 Milliarden Euro fließen jährlich aus dem bundesstaatlichen Finanzausgleich in die Landeskasse. Ohne dieses Geld wäre die Hauptstadt nicht lebensfähig.
Neue Schulden werden kommen
Deshalb ist es für Berlin von existenzieller Bedeutung, ob und wie sich dieser Finanzausgleich verändert. Die Verhandlungen über eine Reform ab 2020 sollten eigentlich schon am 9. September abgeschlossen sein, aber noch gibt es zwei konkurrierende Modelle. Bisher hoffte Finanzsenator Kollatz-Ahnen auf ein Ergebnis, das Berlin künftig über 500 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich einbringen würde.
Der Abbau der Solidarpaktmittel bis 2020 auf null wäre dadurch verkraftbar gewesen. Sollte sich aber das Konzept der CDU-geführten Länder durchsetzen, könnte das Plus für Berlin auf maximal 300 Millionen Euro abschmelzen. Dann hätte Berlin ab 2020 große Schwierigkeiten, auch weiterhin ohne neue Schulden auszukommen.
Suche nach frischem Geld
Das ist wohl auch ein Grund, warum Regierung und Opposition bereits auf der Suche nach frischem Geld sind. Die Sozialdemokraten lassen diskret prüfen, ob die landeseigenen Unternehmen aus ihren Vermögen und Gewinnen einen höheren Beitrag für den Landeshaushalt leisten können. Der Linken-Politiker Steffen Zillich hält es „für angemessen, den Gewerbesteuer-Hebesatz anzufassen“, der in Berlin seit 1999 bei 410 Prozentpunkten liegt.
In Potsdam sind es 450, in Hamburg sogar 470 Prozentpunkte. Und der Grünen-Politiker Esser weist darauf hin, dass die Grunderwerbsteuer in NRW, Saarland und Schleswig-Holstein bei 6,5 Prozent liegt, das sind 0,5 Prozent mehr als in Berlin.