Frank Henkel: Verzagt an der Macht
Wo ist Frank Henkel? Der Innensenator und CDU-Landeschef von Berlin ist selbst Parteifreunden nicht zupackend genug. Er gibt sich gelassen – schlechte Umfragen nehme er „sportlich“.
Manchmal kommt sich Frank Henkel „wie auf dem Schulhof“ vor. Da werde mal ein wenig gelästert, und dort ein bisschen „durchgestochen“. Er aber bleibe „ganz locker. Wir haben noch zwölf Monate Zeit“. Immer wieder kommen beim wirtschaftspolitischen Frühstück der IHK am Freitag Fragen nach seinen schlechten Umfragewerten auf. Der CDU-Parteichef und Berliner Innensenator wirkt wie die Ruhe selbst. In der Partei jedoch wird das Grummeln lauter.
Lange Zeit lag Henkel in den Umfragen vor Michael Müller, als der noch Stadtentwicklungssenator war. Als Regierender Bürgermeister holte Müller wie auch die Berliner SPD seit seinem Amtsantritt im Dezember Prozentpunkt für Prozentpunkt auf. Und Henkel fiel weiter zurück. Nach der letzten Forsa-Umfrage liegt er in der Beliebtheitsskala auf Platz 13 – hinter Udo Wolf, Fraktionschef der Linken. Bei einer Direktwahl gegen Müller hätte Henkel keine Chance. Mehr noch: 47 Prozent der CDU-Anhänger würden sich für Müller, aber nur 31 Prozent für Henkel entscheiden. Werte, die „alarmieren“, räumen CDU-Politiker ein.
Kurs der Mitte aufrecht erhalten
Als der IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder vor gut 200 Gästen im Kant-Atrium Henkel die Frage stellt, ob er das als ungerecht empfinde, wenn man „in Berlin ja hört: Wo ist Henkel“, wirkt Henkel gar nicht angefasst oder nervös. Er nehme das „sportlich“, Umfragen könne er „einordnen. Ich habe sie nie überbewertet“.
Und das sei auch „nichts, was mich aus der Bahn wirft“. Er halte seinen „Kurs der Mitte“ aufrecht und werde „nicht täglich markige Sprüche machen“. Und überhaupt: Die Umfragen würden ihm Führungsstärke und Machtbewusstsein attestieren. Wie könne das zusammenpassen mit den Aussagen über ihn, er sei zu harmoniebedürftig und scheue Konfrontationen. „Ich bin seit sieben Jahren CDU-Parteivorsitzender“, sagt er und will damit auf die schwierigen Zeiten einer einst heillos zerstrittenen und am Boden liegenden Berliner Union hinweisen.
Henkel ist zu brav
Die Frage von Eder, wo Henkel vorkommt, beschäftigt zunehmend auch die CDU. Es ist nicht so, dass Henkel nicht öffentlich auftritt. Er schaut sich ebenso wie Müller Kasernen für Flüchtlinge an, er trifft auch wie beim IHK-Frühstück mit seinem Wortwitz und dem Händchen fürs Berlinern den Nerv der Zuhörer und erntet Lacher auf seiner Seite. Henkel kann, wenn er will, überzeugen.
Er wirkt glaubwürdig, überzeugt als seriöser Politikertyp, dem man schmutzige Tricksereien nicht zutraut. Henkel trete souverän auf, „partiell kämpferisch, sachlich, fundiert“, sagt Eder. Aber das „partiell“ kann man auch anders bewerten.
Henkel ist vielen zu brav, zu blass – auch Parteifreunde wünschen, dass er eigene Akzente setzt, entscheidungsfreudiger ist und dass ihr Landeschef mehr Themen besetzt, die über sein Innenressort hinausgehen. Aber schon sein Kerngeschäft ist eben nicht nur Polizei, Feuerwehr und innere Sicherheit, sondern auch Verwaltungsmodernisierung oder Personalentwicklung.
Der Senator sei für die Politik da
Doch in der Behörde, die selbst CDU-Spitzenpolitiker als „Katastrophe“ bezeichnen, geht das nur schleppend voran. Insider sprechen von „Bremsklötzen“, gar von „Fallenstellern“ in Henkels Verwaltung, zudem gebe es fachliche „Zeitbomben“– vom Verfassungsschutz bis zur Ausländerbehörde.
Der Senator sei für die Politik da, für das Gestalten, aber für das Aktenlesen gebe es die Staatssekretäre, hört man. Nur wo sind die? Die Performance von Andreas Statzkowski im Sportbereich sei ganz ordentlich, aber bei Innenstaatssekretär Bernd Krömer werden Zweifel an seiner Kompetenz angemeldet.
Als die SPD im Vorjahr drei Monate lang ihre internen Machtkämpfe über die Wowereit-Nachfolge ausgefochten hat, erhielt Henkel aus der Landes-CDU volle Rückendeckung und hätte Personal austauschen können. Aber der Innensenator tat das nicht. Gutmeinende CDU-Leute sprechen von „Entscheidungszögerlichkeit“, andere von Unfähigkeit und Scheu, Konflikte auszutragen.
Frühjahr wohl Spitzenkandidat
Sozialsenator Mario Czaja (CDU) hat die Hauptverantwortung bei der Bewältigung der Flüchtlingsströme zu schultern. Dass es zügig Regelungen zur Vergütung für Beamte gab, die im Lageso aushelfen, hat die Czaja-Verwaltung dem Vernehmen nach nicht der Innenverwaltung, sondern der Zuarbeit und Mithilfe aus der Finanzverwaltung des SPD-Senators Matthias Kollatz-Ahnen zu verdanken.
Henkel hat einen Mammut-Job zu bewältigen: Er ist Senator, er ist Bürgermeister, er ist Parteichef. Im Frühjahr wird er wohl als Spitzenkandidat gekürt. Das steht trotz der Umfragewerte in der Partei außer Frage. Demontieren will ihn keiner in der CDU, aber es werden viele ängstlich und fragen sich, wie man aus dem Negativsog wieder herauskommt. „Es gibt die Sehnsucht nach einer Struktur und Strategie“, sagt ein Spitzenmann.
Kleine Sticheleien in Richtung Müller
Eine solche Strategie wird offenbar gesucht. Wie man hört, ist Henkel Gast bei Gesprächsrunden unter anderem mit Medienberater Georg Gafron, einst Radio „100,6“-Chef, Ex-BZ-Chefredakteur und einer der feurigsten publizistischen Wahlkämpfer für die (West-)Berliner CDU. PR-Profi und Justizsenator Thomas Heilmann soll den bevorstehenden Wahlkampf managen.
Bilder, mit denen Henkel punkten kann, sind das eine. Die Inhalte und Abgrenzungen vom Koalitionspartner müssen auch passen. Henkel gönnte sich am Freitag kleine Sticheleien in Richtung Müller: Er wisse nicht, was der BER-Aufsichtsratsvorsitzende am Flughafen mache, was mit der Staatsoper werde – und „was Müller tut, wenn ihm die Partei einen Pro-Kiffer-Wahlkampf aufdrückt“.
Nach dem IHK-Frühstück trafen sich CDU-Senatoren und die Fraktionsspitze zur Klausur in Nauen. Gegenseitig wollten sich die Parteifreunde auf den Stand bringen und ausloten, was „an vorzeigbaren Projekten“ umgesetzt worden sei, hieß es. Das Treffen sollte nicht publik werden. Man müsse doch zunächst schauen, ob es erste Ergebnisse gebe.