Bund-Länder-Finanzen: Süden gegen Osten gegen Westen
Seit Monaten ringen die Ministerpräsidenten um einen Kompromiss beim Länderfinanzausgleich. Kommt beim Treffen am Mittwoch jetzt endlich eine Lösung?
Gelingt es den Ministerpräsidenten, in dieser Woche die Blockade bei der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen aufzubrechen? Seit Monaten bewegt sich wenig bis nichts in den Gesprächen. Nun stehen aber mehrere Runden an. Am Dienstag treffen sich die Ministerpräsidenten der Union in München. Horst Seehofer will mit seinen Kollegen versuchen, die Interessen der Zahlerländer (voran Bayern) zunächst mit denen der Ost-Länder (wo die beiden CDU-Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich und Reiner Haseloff eine Phalanx der Störrischen anführen) zu verbinden.
Doch auch das Interesse Nordrhein-Westfalens ist zu berücksichtigen, das nach einer Reform gern als Zahlerland dastehen möchte. Der Bund will bisher auf 8,5 Milliarden Euro zugunsten der Länder verzichten, um einen Kompromiss zu finanzieren, aber auch nicht auf deutlich mehr. Diese Konstellation ist es, die derzeit die Probleme bereitet: Zahlerländer, Ost-Länder, NRW, der Bund. Am Mittwochabend will die Ministerpräsidentenkonferenz in einer Sondersitzung, in der die Regierungschefs unter sich sind, in Berlin versuchen, zumindest das Länderlager auf eine Linie zu bringen.
Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) ist seit Monaten als Vermittler unterwegs, um die verschiedenen Solitäre, Problembären und Diven zu vereinen. Am vergangenen Donnerstag saß er in Potsdam mit den Ost-Ministerpräsidenten zusammen. Die wollen sich bisher nicht darauf einlassen, das bisherige System deutlich zu verändern, weil der Status quo ihnen am besten dient. Sie lehnen ab, was vor allem die Düsseldorfer Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) fordert und was Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) mittlerweile unterstützt: die Reduzierung des vierstufigen Finanzausgleichs auf ein Drei-Stufen-Modell.
Die zweite Stufe, der Umsatzsteuervorwegausgleich zwischen den Ländern, soll danach gestrichen werden. Es gäbe dann nur noch die Steuerverteilung zwischen Bund und Ländern, den direkten Finanzausgleich zwischen Gebern und Nehmern und als letzte Stufe weiter die Sonderzuweisungen des Bundes an die Länder mit besonders schwachen Steuereinnahmen. Dieses Modell brächte NRW den Vorteil, dass es wieder als Zahlerland dastünde. Geworben wird dafür vor allem mit dem Argument, dass die bisher etwas verschleierten Transfers bei der Umsatzsteuer sichtbarer wären, das System transparenter würde
Das Saarland macht einen Vorschlag
Die Zahlerländer, voran Bayern, haben allerdings ein Problem damit: Das Modell würde zu einem noch größeren Volumen im direkten Länderfinanzausgleich führen. Die Regierungen in München, Stuttgart und Wiesbaden wollen ihre Leistungen eigentlich verringern. Und die Ost- Länder sind dagegen, weil sie dann stärker von Bundeszuweisungen abhängig würden.
Die Runde in Potsdam fand offenbar zu keinem Ergebnis. Scholz, der seine Vorschläge mit Schäuble abstimmt, hatte als Ausgleich eine gegenüber früheren Modellen nochmals höhere Einbeziehung der Kommunalfinanzen vorgeschlagen. Bisher fließen diese zu 64 Prozent ein, schon im Juli hatte Scholz im Kreis der Ministerpräsidenten von 75 Prozent gesprochen. Das würde vor allem die Südstaaten stärker belasten, käme aber dem Osten mit seinen finanzschwachen Kommunen entgegen. Doch die Ost-Ministerpräsidenten wollen möglicherweise mehr. Eine Rolle spielen könnten hier die Bundesmittel für die regionale Wirtschaftsförderung. Um die Interessen der Zahlerländer zu berücksichtigen, könnte auch die Besserstellung der Stadtstaaten über eine höhere Gewichtung ihrer Einwohnerzahl nochmals thematisiert werden.
Ebenfalls eine Rolle in den weiteren Gesprächen dürfte allerdings auch ein Ansatz spielen, den man sich in Saarbrücken ausgedacht hat. Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer und ihr Finanzminister Stephan Toscani (beide CDU) schlagen eine ähnlich weitreichende Veränderung vor wie Scholz, Schäuble und Kraft. Auch sie wollen das System auf weniger Stufen straffen. Allerdings würde im Saar-Modell, das die anderen Länder seit Juli kennen, der Finanzausgleich zwischen den Ländern bereits über die Verteilung der Umsatzsteuer erfolgen und nicht mehr – wie bisher und weiterhin im Modell von Scholz und Schäuble – über die Landeshaushalte.
Zwar würden sich die Transferströme zwischen den Ländern auch in dieser Basisstufe nachvollziehen lassen, aber eben nicht mehr als direktes Geben und Nehmen in konkreten Etatposten. Möglicherweise hätte das den Effekt, dass der Finanzausgleich nicht mehr ganz so streitbehaftet wäre. Auch eine Forderung der Ost-Länder wird aufgegriffen: Sie wollen, was die Bundeszuweisungen betrifft, ein regelgebundenes System, um nicht von der jeweiligen Kassenlage im Bund abhängig zu sein. Das Saar-Modell sieht vor, in einer Aufbaustufe eine neue Form der Bundeszuweisung zu schaffen, die sich an der kommunalen Finanzkraft orientiert. Davon würde vor allem der Osten profitieren, aber auch Länder im Westen mit finanzschwachen Kommunen hätten wohl etwas davon.
Albert Funk