Street Food in Berlin: Friedrichshain gefüllt mit Heiterkeit
Törtchen mit Chili, Speck und Schokolade – das sind die Renner von "pies & love". Eines von vielen Jungunternehmen, das vom Street-Food-Trend profitiert. Dieses Wochenende hat "pies&love" einen Stand auf dem "Beer&Beef"-Festival auf dem RAW-Gelände.
Manuel Niazi entdeckte die Törtchen in Australien. Dort gibt es die Pies an jeder Tankstelle. 2011 kehrte er von einem Jahr „Work&Travel“ nach Berlin zurück – und sofort war die Marktlücke offensichtlich. Hier gab es alles. Nur keine Pies. Mit seinem Freund Tammo Mamedi investierte der inzwischen 26-Jährige 5000 Euro, gestaltete einen Kellerraum im elterlichen Reihenhaus in Lichterfelde, bis das Gesundheitsamt zufrieden war, und kaufte einen Ofen. Weder Niazi, noch Mamedi haben das Kochen oder backen professionell gelernt. „Aber wir lieben Essen und haben Unternehmergeist.“ Mit der Hilfe eines befreundeten Kochs einigten sie sich auf Rezepte. Niazi ist der Teigspezialist, Mamedi verantwortet die Füllungen. Dann verkauften sie vergangenen Dezember ihr erstes Törtchen auf einem Flohmarkt.
So oder so ähnlich beginnen viele Geschichte, die auf Street-Food-Märkten erzählt werden. „pies&love“, wie Mamedi und Niazi ihr Unternehmen nennen, folgt einem Trend, der in Berlin gerade Dönern und Currywurst Konkurrenz macht. Kulinarisch anspruchsvolle Essenskreationen erobern die Straße, die Berliner quetschen sich zusammen an Bierzeltgarnituren, essen kurdischen Eintopf oder Edelburger. Immer mehr dieser Marktstände und Food-Festivals gibt es inzwischen, die Gerichte von der Straße für die Straße bieten. Seit Anfang August präsentiert sich auf dem RAW-Gelände an der Revaler Straße in Friedrichshain jeden Sonntag der „Village Market“.
Und seit Mai gibt es gleich um die Ecke auf der „Urban Spree“ das Genussfestival „Beer &Beef“. Einmal im Monat organisiert Christoph Steinweg von der Agentur „berlinpieces“ dann direkt an der Ecke Warschauer Straße/Revaler Straße am Nordwest-Zipfel des RAW-Geländes ein kleines Schlaraffenland, eine Wagenburg aus „Food Trucks“. Dieses Wochenende ist es wieder so weit. Heute und morgen ab jeweils 13 Uhr lädt das „Beer&Beef-Festival“ Besucher ein, an den Biertischen mit Rosmarintöpfchen Platz zu nehmen, Verschiedenes zu kosten und Biersorten zu testen. Dazu spielt Livemusik, tagsüber Blues, Funk und Soul. „Abends wird es clubbiger“, verspricht der Veranstalter, bis morgens um 3 Uhr soll Musik gespielt werden.
20 Stände haben sich angemeldet. Und es gibt nicht nur Bier und Fleisch, wie der Name vermuten lassen könnte: Die Besucher können auch Sekt-Cocktails trinken, Porcchetta aus Umbrien probieren, libanesische Spezialitäten oder herzhafte vegane Waffeln. Eine gute Gelegenheit für Manuel Niazi und Tammo Mamedi, mal wieder ihre herzhaften Törtchen zu verkaufen. Ihre Pies sind ein traditionelles britisches Gebäck, für Deutsche vielleicht vergleichbar mit Pasteten – also nicht süß, sondern herzhaft.
Davon bieten die Jungunternehmer zwei vegetarische Sorten und zwei mit Fleisch. Sie haben bis jetzt erst die Küche und noch keinen eigenen Laden. Ihr Gebäck wollten sie auf der Straße berühmt machen. Noch opfern die beiden Jungunternehmer ihre Freizeit und vor allem die Wochenenden für das Gebäck mit Zwölf-Zentimeter-Durchmesser. Mamedi studiert nebenher Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der UDK, Niazi arbeitet im Vertrieb eines Kaviarunternehmens. Irgendwann wollen sie sich Vollzeit ihren Pies widmen. Sie haben inzwischen auf verschiedenen Märkten etwa 4000 von den mächtigen Pies verkauft. „Es läuft wie am Schnürchen“, sagt Mamedi. Die Kunden kauften ein Törtchen – und kamen wieder. Auch beim „Beer & Beef“-Festival waren sie schon zweimal dabei.
Ihr Bestseller ist der „Texas Jailhouse Pie“. „Der passt ins Beer&Beef-Konzept“, sagt Mamedi. Der Boden des Törtchens besteht aus einem buttrigen Mürbeteig, die Füllung aus einem Chili mit Gulasch, Schweinehack, Speck, Schokolade und dunklem Bier. „Sehr scharf und würzig“, sagt Mamedi. Der Student spricht derart liebevoll von seinen Törtchen spricht, als seien es kleine Geschöpfe. Die Kundschaft auf dem Festival sei ganz gemischt, sagt Mamedi. Allgemein ziehe die Streetfood eher alternativere Menschen an. Aber der Trend sei der Szene schnell entglitten, inzwischen zum Mainstream geworden.
Ob es da Ärger gibt? Schließlich ist das Gebiet von Warschauer Brücke bis Ostkreuz ist fürs Nachtleben bekannt und einer der Hauptgründe für die aktuelle Debatte um Benimmregeln für Touristen. Nein, sagt der Veranstalter. Zwar gebe trieben sich hier nachts vor allem Touristen, Betrunkene und Drogenhändler herum. Gerade deswegen habe sich der Besitzer des Geländes über das familienfreundliche Festival gefreut – zumal sie Essensliebhaber seien. Bis Mitternachts gibt es Essen, bis drei Uhr spielt Musik. Tammo Mamedi von „pies & love“ schätzt vor allem den Lifestyle-Faktor des Geländes. Und er erwartet viele Besucher: Er und sein Partner haben schon fast 800 Pies für dieses Wochenende vorbereitet. Wenn das mal reicht.
Streetfood an jeder Ecke: Was es sonst noch in Berlin gibt
Die Straße gehört dem Essen, das Essen auf die Straße. Wer möchte, kann sich inzwischen von Donnerstag bis Sonntag ausschließlich von „Street Food“ ernähren, immer neue Orte kommen hinzu. Schnell und lecker, wenn auch meist nicht ganz billig, regen die kleinen Portionen zum Probieren an. Ob asiatisch, amerikanisch, exotisch – es gibt nichts, was es nicht gibt. Etabliert ist inzwischen der Street Food Thursday in der Markthalle Neun, Eisenbahnstraße 42/43, Kreuzberg.
Doch nicht nur donnerstags gibt es hier kleine Leckereien, auch jeden dritten Sonntag im Monat lädt der Breakfast Market zum Frühshoppen in die Eisenbahnmarkthalle (10 bis 18 Uhr, www.markthalleneun.de).
Im Zwei-Wochen-Rhythmus findet im Sommer der Bite Club an der Spree statt, nahe der Arena in Treptow. Das nächste Mal anlässlich des Torstraßenfestes am 30. August, 14 bis 22 Uhr, hinter der Platoon Kunsthalle, Schönhauser Allee 9, Prenzlauer Berg.
Milena Menzemer