Streit über Tourismus in Berlin: "Müll und Dreck entstehen auch ohne Touristen"
Rumpelnde Koffer, Dreck und Partykrach. Soll die Stadt einen Verhaltenskodex an Touristen verteilen? Nicht jeder hält davon viel. Auch die Berliner machen Dreck und Lärm, sagt Pankows Bezirksbürgermeister Matthias Köhne.
„Sind die klappernden Rollkoffer das Problem – oder vielleicht doch eher das laute Kopfsteinpflaster?“ Wirklich ernstnehmen kann Mittes Stadtrat Carsten Spallek (CDU) das nicht, was er da aus Friedrichshain-Kreuzberg so gehört hat - zumindest nicht alles. Die dortigen Bezirksbürgermeisterin, Monika Herrmann (Grüne) hatte sich in dieser Woche im Tagesspiegel über das nächtliche Geklapper der Rollkoffer beschwert („Man kann nicht mehr mit offenem Fenster schlafen“) und gefragt, warum diese nicht mit Gummirollen ausgestattet seien. Auf das Equipment von Rollkoffern hat ein Stadtrat eher wenig Einfluss, und für bezirksweiten Flüsterasphalt auf den Fußgängerwegen reicht dann doch nicht ganz das Geld. Das war aber nur einer der vielen Beobachtungen, die Herrmann gemacht hat.
„So mancher Besucher meint, er sei in einer Art Disneyland und wir Einheimischen so was wie Statisten.“
Als Idee schlug sie vor, einen „Verhaltenskodex für Besucher“ herauszugeben. Darin gehe es dann um „Müll, Lärm und den Respekt vor den Anwohnern“. Auch Spallek spricht von Grenzen, die zu ziehen sind. Er meint damit aber schlichte Benimmregeln – und gegebenenfalls geltendes Ordnungsrecht, das auch nicht nur für Touristen gilt, sondern für feiernde Berliner genauso.
„Müll und Lärm entstehen überall, wo sehr viele Leute zusammenkommen, auch ohne Touristen“, sagt Pankows Bezirksbürgermeister Matthias Köhne (SPD). Auch er sieht die Probleme, die durch nächtlichen Lärm und Dreck angerichtet werden. Allerdings ist er ausdrücklich dagegen, diese Probleme ausschließlich Touristen zuzurechnen. „Wir dürfen nicht das tot machen, wofür wir attraktiv sind: unsere Toleranz.“
Sonderordnungsrecht für Touristen oder strengere Alkoholbestimmungen lehnt auch die Grünen-Politikerin Herrmann ab. Das stellte sie am Freitag noch einmal klar. Ihr gehe es darum, dass Touristen bestehende Regeln einhalten. Diese wolle sie gerne durch Piktogramme oder Plakate „sensibilisieren“.
So ein Heftchen gibt es schon
Und zwar bei den Tourismus-Vermarktern von „Visit Berlin“. „Wir glauben nicht, dass man mit Verbotsschildern irgendetwas bewirken kann“, sagte ein Sprecher zwar, verwies aber auf die Tourismus-Broschüre „Kiez entdecken“ oder auf englisch „Going local“. Stückpreis: 1,50 Euro. Extra auf Vorschlag der Bezirke hin habe man auf der letzten Seite Verhaltensregeln abgedruckt, heißt es.
„In Berlin ist alles erlaubt“ prangt in großen Lettern über dem Regelwerk. „...was nicht verboten ist“, steht in halb so großen Buchstaben darunter. In den Regeln geht es in der Tat um Dreck („Mülleimer – auch für Zigarettenkippen – gibt es bei uns mehr als Genug“) und Nachtruhe („Irgendwann wollen die Berliner auch mal schlafen – schließlich müssen die allermeisten am nächsten Tag zur Arbeit“). Oder: „In öffentlichen Verkehrsmitteln darf man keinen Alkohol trinken.“
„Visit Berlin“-Chef Burkhard Kieker ist verwundert über Herrmanns Ideen.
„Der Runde Tisch Tourismus hatte im Frühjahr die Bürgermeister der fünf Bezirke mit den höchsten Besucherzahlen eingeladen, um Details über die Auswirkungen des Tourismus zu erfahren. Dort hätte Frau Herrmann ihre Position darlegen können. Sie nahm aber nicht teil“, sagte Kieker.
Herrmann hatte im Gespräch mit dem Tagesspiegel vorgeschlagen, die neue Übernachtungssteuer, genannt „City Tax“, vorrangig den touristischen Innenstadtbezirken zugute kommen zu lassen. Das fand auch bei der politischen Gegenseite Zuspruch. So sagt Carsten Spallek aus Mitte: „Wir haben die größten Aufwendungen und holen die Touristen in die Stadt, daher sollten wir auch von den Einnahmen etwas abbekommen.“
Strenge Rechtsnormen für Touristen gibt es schon in Palma de Mallorca mit einer „Verordnung für zivilisiertes Zusammenleben“, die vor zwei Monaten beschlossen worden sind. Sie enthält unter anderem Benimm- und Kleidungsregeln. China versucht es anders: Der Staat gibt den eigenen Staatsbürgern einen 64-seitigen „Leitfaden für zivilisiertes Reisen“ mit auf ihre Wege.
Lesen Sie hier auch das Interview mit Monika Herrmann, indem sie Benimmregeln für Touristen fordert.
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