Mobile Schlemmerbuden: Hausmannskost und Lukullisches aus aller Welt
Der Trend kommt aus den USA, jetzt sind Foodtrucks auch hierzulande in. In der Hauptstadt werden die Stellplätze für die mobilen Restaurants rar.
Er ist nicht zu übersehen. So quietscheentchengelb wie er ist, so bullig, so kantig, so dominant, als wolle er ein Ausrufezeichen setzen. Kein Wunder, dass die Passanten näher kommen, einen Burger bestellen, eine Cola. Ein Schwätzchen halten sie auch meist, fragen, was für ein dolles Gefährt das ist und ob es jetzt immer hier steht. Pablo Siranossian gibt bereitwillig Auskunft. Das Fahrzeug ist ein fast 30 Jahre alter GMC. Immer steht es nicht hier. Das ist ja gerade das Besondere am „Bunsmobile“: dass es weiterzieht. Von Friedrichshain nach Kreuzberg, von hier nach da. Der aktuelle Standort wird via Facebook mitgeteilt.
Die fahrenden Restaurants setzen auf frische, regionale Zutaten
Heute hier, morgen dort: Das ist das Prinzip von Foodtrucks, jenen rollenden Restaurants, die, anders als herkömmliche Imbissbuden, ein Stückchen Freiheit mitverkaufen. Manche Foodtrucks bieten Hausmannskost an, andere Lukullisches aus fernen Ländern. Aber immer sind die Speisen aus besten, frischen, oft regionalen Zutaten, in Handarbeit gemacht. Pablo Siranossian und seine Freundin Mathilde Bayle verwenden zum Beispiel Neuland-Hackfleisch, um ihre Burger zu formen, bei der Herstellung folgen die Frankokanadier der Tradition aus ihrer Heimat: Sie legen das Brot auf die Herdplatte und drücken von oben mit einem alten, gusseisernen Bügeleisen darauf. Janosch Thomsen, der unter dem Label Lekka Berlin ebenfalls mit einem Foodtruck durch die Hauptstadt rollt, benutzt für seine Currysauce – „unser Aushängeschild“ – einen Ketchup mit einem „besonders hohen Tomatenanteil und frei von Konservierungsstoffen“. Eva Langhorst, Inhaberin des Mr. Whippy’s Frozen Yogurt Truck, macht das Eis selbst, die Saucen rührt ihre Mutter an. Aus Früchten, die sie in der Umgebung ihres Heimatdorfes sammelt.
Der Trend kommt aus den USA
In Deutschland sind Foodtrucks ein recht junges Phänomen, Lekka Berlin und Mr. Whippy’s gehören zu den Pionieren. 2011 beziehungsweise 2012 sind sie an den Start gegangen. In den USA hingegen sind die rollenden Restaurants längst im Straßenbild etabliert. Rund drei Millionen mobile Kantinen sollen unterwegs sein, als Hotspots gelten Los Angeles und Washington D. C. Auch in Großbritannien ist die Szene fest verankert. In London finden seit 2010 sogar jährlich die British Street Food Awards statt.
Davon ist Berlin noch weit entfernt. Wie viele Foodtrucks durch die Hauptstadt rollen, ist nicht genau zu beziffern. Vielleicht sind es 30. Oder 40. Fest steht nur, dass es immer mehr werden. Wo sie aufkreuzen und das Verdeck hochklappen, kommen die Menschen in Scharen. Gutes, recht günstiges Essen auf die Hand ist in einer mobilen Gesellschaft gefragt.
Die Fahrzeuge sind genau so wichtig wie die Speisen
Die Speisen machen aber nur einen Teil des Erfolgs aus. Der andere geht – das Auge isst schließlich mit – auf das Ambiente zurück. „Das Auto ist mindestens genauso wichtig wie das Produkt“, sagt Eva Langhorst. Die 32-Jährige hat sich deshalb große Mühe gegeben, ein passendes Fahrzeug zu finden. Über Kontakte gelang es ihr, in England einen rosafarbenen Oldtimer zu erstehen. Ihr Vater, ehemaliger Rennfahrer, half beim Umbau.
Glück muss man haben. Wie auch Janosch Thomsen. Obwohl ausrangierte UPS-Trucks normalerweise verschrottet werden, hat er sich sechs Modelle günstig sichern können. Die größte Investition war die in die Um- und Einbauten, die nötig sind, um Lebensmittel im Wagen zuzubereiten. Am Ende komme man pro Fahrzeug auf 65 000 bis 85 000 Euro, sagt Thomsen, der gerade den zweiten Truck ausbaut.
Die Investitionen sind im Vergleich mit festen Standorten gering
Gemessen an Gastronomen mit festen Standorten sind die Investitionen gering. Mehr als Geld brauchen die Foodtruck-Betreiber Kreativität, Improvisationstalent. Die größte Hürde für die rollenden Restaurants ist allerdings die Gesetzgebung. Anders als in amerikanischen Städten darf man in Berlin sein Gefährt nicht einfach parken, wo es einem gefällt. Um auf öffentlichem Grund Essen zu verkaufen, braucht man eine Erlaubnis, die von den Bezirken nur in Ausnahmefällen erteilt wird.
Rosmarie Köckenberger hatte das Glück, eine Ausnahmegenehmigung zu bekommen. Zwei Jahre stand ihr „Kjosk“, ein ausrangierter BVG-Linienbus, an der Skalitzer Straße, direkt neben der Moschee. Köckenberger hält sich deshalb mit Kritik über die Bürokratie zurück. Dabei ist sie besonders betroffen von der Regelungswut. Vier Jahre lang war sie mit ihrem Bus an wechselnden Orten in Kreuzberg und Friedrichshain unterwegs. Für diese Saison hat die 32-Jährige noch keinen Ort gefunden. Wenn Köckenberger Pech hat, bekommt sie keinen Standplatz mehr. Vielleicht klappt es im Herbst, wenn die Saison zu Ende geht.
Viele Foodtrucks konzentrieren sich auf private Veranstaltungen
Köckenberger ist nicht der Typ, der resigniert. Sie hat für den Sommer kurzerhand ein anderes Projekt aufgetan. Im brandenburgischen Kyritz hat sie eine Insel in einem See gemietet. Seit Mitte Mai serviert sie dort Kaffee und Kuchen. Trotzdem ist die gebürtige Berlinerin traurig, dass der Bus in einer Spandauer Garage stehen muss. Vier Sommer lang hat sie den Hipstern aus dem Kiez Kaugummis und kalte Getränke verkauft. Damit ist es vorerst vorbei. Die Nachbarschaft muss diesen Sommer auf das Kjosk verzichten. Ganz von der Bildfläche verschwindet der Bus aber nicht. Köckenberger wird mit ihm wahrscheinlich auf der Modemesse Bread & Butter vorfahren. Weil öffentliche Flächen rar sind, konzentrieren sich viele Foodtrucks auf private Veranstaltungen und Festivals wie den Karneval der Kulturen oder den Christopher Street Day. Manche Trucks rollen zu privaten Partys an, häufig werden sie für Firmenveranstaltungen gebucht. Solche Events sind für die Imbissbuden auf Rädern wie gemacht.
Eine längere Version des Textes finden Sie in der aktuellen Ausgabe des Tagesspiegel-Wirtschaftsmagazins "Köpfe".
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Sabine Hölper