Gerhart-Hauptmann-Schule in Berlin-Kreuzberg: Flüchtlingsaktivisten werfen Bezirk "Zeitschinderei" vor
Im Kampf um Kreuzbergs Gerhart-Hauptmann-Schule fürchten die Betroffenen eine Räumung - und kritisieren die Behörden. Der Baustadtrat ist überrascht.
Da war doch was mit der Freiheit – und den Andersdenkenden. Im Kampf um die teils besetzte Gerhart-Hauptmann-Schule in Kreuzberg ist man besser auf der richtigen Seite. Wer es wagt nach dem Aufenthaltsstatus der 22 Menschen im besetzten Teil des Hauses zu fragen, wird verlacht und „zynisch“ geschimpft. Es ist ein Menschenrecht, sich jederzeit überall niederzulassen – „deshalb fragen wir nicht nach Papieren“.
Dabei hätte man meinen können, dass Fragen erwünscht sind, war derlei doch zu hören auf einer „Pressekonferenz“, zu der die „Nachbarschaftsinitiative Ohlauer Straße“ und die „Bewohner der Gerhart-Hauptmann-Schule“ am Dienstag eingeladen hatten in das „Theater Expedition Metropolis“. Deren Macher gehören wiederum einer Initiative namens „Desi“ an und wollen ein „Internationales Flüchtlingszentrums“ gründen, zusammen mit Flüchtlingen, die sich der Räumung vor drei Jahren durch die Flucht aufs Dach entzogen hatten und drohten sich hinabzustürzen.
Das ist lange her, aber um den berlinüblichen Weg zur Legalisierung besetzter Häuser zu versperren, bezahlt der Bezirk einen Wachdienst für mehr als 700.000 Euro im Jahr. Darüber mokieren sich die Aktivisten, zumal „man für die Hälfte dieses Geldes viele Initiativen unterstützen könnte“. Darunter eben zum Beispiel auch das Internationale Flüchtlingszentrum, das im besetzten Teil des Hauses entstehen soll. Einer der Besetzer oder auch Flüchtlinge ist Younus und er drückt im Namen aller 22 seine „Enttäuschung“ und „Überraschung“ und „Trauer“ aus.
"Das bürgerschaftliche Engagement läuft ins Leere"
Hintergrund ist der gerichtliche Räumungstitel aus dem vergangenen Monat, den der Bezirk erwirkt hat und von dem er aus den Medien erfahren haben will. „Unfair“ nennt er die „aggressive Reaktion“ des Staates beim ersten Räumungsversuch und auch den späteren Umgang des Bezirks mit den verbliebenen Besetzern. Dabei wollten sie doch einfach nur „hier wohnen, hier arbeiten und unser Projekt machen“.
Dieses Projekt ist das Flüchtlingszentrum. Kim Archipova von der „Nachbarschaftsinitiative Ohlauer Straße“ zufolge hätten die Flüchtlinge tatkräftig an dem Konzept mitgearbeitet, das ein Bündnis von insgesamt vier Initiative darunter eben das „Theater Expedition Metropolis“ beim Bezirk eingereicht hat. Aber „das bürgerschaftliche Engagement läuft ins Leere“, sagt Archipova und sie stellt den Behörden ein „politisches Armutszeugnis“ aus – und „beschämend für den Bezirk“ sei das dazu noch.
„Zeitschinderei“ und „Hinhaltestrategie“ könnten die Motive sein, mutmaßt die Bürgerinitiativen-Sprecherin. Briefe seien unbeantwortet geblieben, Verantwortliche hätten sie immer wieder vertröstet. Warum die Initiativen mit ihrem Projekt nicht einfach durchgestartet seien wie jeder andere Zwischennutzer von Berliner Ruinen und Brachen? „Weil wir keinen Vertrag haben, es keinen Brandschutz gibt und keine Sanitäreinrichtungen“, sagt einer vom „Desi“-Bündnis. Da sind Papiere vom Amt dann doch wichtig.
Auf Nachfragen gibt die Sprecherin der Initiative auch zu, dass der Wechsel der Verantwortlichen, die Wahlen und die schwierige Konstituierung der neuen Bezirksverordnetenversammlung den Aufbau des Flüchtlingszentrums verzögerten – und die „Einarbeitungszeit des neuen Baustadtrats Florian Schmidt“.
Den erreichen die Schmähungen am Urlaubsort in Spanien und er ist verwundert: „Das letzte Gespräch mit der Initiative „Desi“ und den anderen an der Umwandlung des Gebäudes beteiligten Unternehmen und Einrichtungen fand im Juni statt“, sagt er und sei „konstruktiv“ gewesen. Der Bezirk habe vorgeschlagen, Container als vorübergehendes Büro des Zentrums aufzustellen. Und für den September hätten sich die Beteiligten zum nächsten Treffen verabredet.
"Ich bin nicht geboren, um 380 Euro zu kassieren für nichts"
Dass der Bezirk das Projekt der Flüchtlingsinitiative ausbremse, bestreitet Schmidt. Wegen des Brandes in diesem Jahr, der den Mitteltrakt der Schule erfasst und schwer beschädigt hatte, seien allerdings auch keine frei verfügbaren Flächen für das Zentrum in dem Gebäude. Die Sanierung von nur einem Trakt koste ein bis zwei Millionen Euro. Neben der Finanzierung müssten Bezirk und Flüchtlinge außerdem klären, wo die Besetzer vorübergehend unterkommen während der Bauzeit. Kurzum, diese Widrigkeiten und keine politische Strategie steckten hinter der Verzögerung der Vorhaben.
Nicht aber, wenn der Bezirk jetzt räumen würde, da das Gericht ihm dafür den Weg geebnet hat. „Das wird das Bezirksamt als Ganzes entscheiden müssen“, sagt Schmidt, und dass es dazu noch „keine Abstimmung gibt“.
Vor dem Zaun der umkämpften Schule steht Niany Amdy mit seinem Lastenfahrrad. Sandwichs verkauft er im „Görli“, das sei sein „kleines Business“. Aus dem Süd-Senegal komme er und wolle so seine Familie durchbringen. Wenn sie doch nur eine Erlaubnis bekämen, dann würden acht von zehn Dealern im Park eine reguläre Arbeit aufnehmen. „Ich bin geboren, um zu arbeiten und nicht um 380 Euro zu kassieren für nichts“, sagt er.