Besuch an der Tesla-Baustelle: Fans dokumentieren die Entstehung der Gigafactory in Grünheide
Die Technoparty zur Grundsteinlegung für die Fabrik in Grünheide fällt flach. Trotzdem geht es voran auf der Baustelle des Autobauers.
Die Grundsteinlegung war für „rund um Ostern“ angekündigt. Und wer dieser Tage auf dem östlichen Berliner Ring, der Autobahn A10, in Höhe der Anschlussstelle Freienbrink den Fuß vom Gas nimmt, kann schon ein paar flüchtige Blicke auf die planierte Sandfläche erhaschen – und sich gut vorstellen, dass hier in ein paar Tagen oder Wochen Beton gegossen wird für das Fundament der ersten Fabrik des US-Elektroautoherstellers Tesla in Europa.
Eine Technoparty aber, wie Gründer Elon Musk per Twitter in Aussicht gestellt hatte, wird es nicht geben. Alle Feiern sind abgesagt, wegen der Coronavirus-Pandemie.
Gearbeitet wird trotzdem. Und es gibt fast täglich Fortschritte zu beobachten, wie die treusten Fans von Musk und Tesla bestätigen. Öfter steht mal einer von ihnen am Bauzaun oder etwas erhöht auf einer der beiden Brücken.
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Von hier hat man einen Überblick über große Teile der Baustelle. Sogar einen besseren als die meisten der geschätzt 100 bis 150 Arbeiter und Projektverantwortlichen, die sich hier durch den märkischen Sand wühlen, wo Anfang des Jahres noch Kiefern dicht an dicht standen.
Der Antrag für das Gießen des Fundaments ist gestellt. Der dürfte durchgehen, wenn Tesla das Risiko trägt. Denn noch gibt es wegen des Coronavirus nicht mal einen Nachholtermin für die Anhörung, auf der die 360 eingereichten Bürgereinwände gegen das Projekt verhandelt werden sollen. Würden sie sich durchsetzen, müsste Tesla alles wieder zurückbauen. Und Kiefern pflanzen.
Ab Juli 2021 sollen in Grünheide Fahrzeuge produziert werden
Doch die Kalifornier bleiben dabei: Sie wollen hier, am Rande der Gemeinde Grünheide im Kreis Oder-Spree, ab Juli 2021 ihre Fahrzeuge produzieren, später einmal bis zu 500.000 Elektroautos im Jahr.
Einer, auf den Tesla zu 120 Prozent bauen kann, heißt Emil Senkel. Der 17-jährige gebürtige Franzose aus Berlin-Friedrichshain bereitet sich auf seine Abiturprüfung trotz Schulschließungen vor. Die Frage, was er danach machen will, erübrigt sich, wenn man ihn strahlend mit Blick auf das riesige Areal da stehen sieht – gekleidet in einer schwarzen Sportjacke mit dem silberfarbenen Tesla-T, die ihm seine Tante aus den USA mitgebracht hat. Er heuert bei Tesla an!
An jenem Abend im November 2019, als Elon Musk ankündigt hatte, dass Tesla seine Giga-Fabrik in der Nähe von Berlin bauen würde, konnte Senkel vor Aufregung nicht schlafen, sagt er.
Wäre Tesla ein Fußballclub, würde man ihn einen „Ultra“ nennen. Er opfere seine komplette Freizeit dafür. „Es ist mein Hobby, meine Leidenschaft; gerade ist es, glaube ich, das Einzige, womit ich meine Zeit verbringe.“
Vor etwa zehn Jahren – als kleiner Junge also – hat Senkel angefangen, sich für die Firma zu interessieren, nachdem ein Freund ihm von seinem Lieblingsauto berichtet hatte.
„Mich hat damals begeistert, dass die im Autopilot, also ohne Fahrer fahren können. Dann bin ich über Elon Musk und seine Firma SpaceX gestolpert.“ Die Innovationskraft von Musk und seinem Unternehmen habe ihn begeistert. „Elon Musk macht unsere Zukunft, er will, dass wir auf den Mars fliegen“, erklärt Senkel weiter. „Mir gefällt, dass die Firma so jung ist – sie hat die anderen Autofirmen längst überholt.“
Das ahnen auch manche verantwortliche Politiker in Europa. Deshalb war im vergangenen Jahr ein Wettstreit zwischen den Regionen ausgebrochen, als der E-Auto-und-Weltraum-Guru Musk bekannt gab, er suche einen Standort in Europa.
Brandenburg hat ihn gewonnen. Und dabei spielte offenbar eine maßgebliche Rolle, dass Gründer Musk Grünheide irgendwie in Berlin verortet hat. Das kann man hier so direkt am Autobahnring auch so empfinden.
Einmal likte Musk einen Tweet von Emil Senkel
Emil Senkel fährt mangels Führerschein einmal pro Woche mit dem Regionalexpress RE1 der Deutschen Bahn bis zum Bahnhof Grünheide-Fangschleuse. Dann hat er sein Fahrrad dabei, um die zwei bis drei Kilometer zu der Straße zu fahren, an der er den Baufortschritt dokumentieren kann. Musk sei ein Visionär, einer, der eben nicht konservativ denkt. Ein großer Moment für Senkel war, als Musk mal einen Tweet von ihm auf Twitter „gelikt“ hat.
Senkel wurde dann noch stärker auf Twitter aktiv und vernetzte sich mit anderen Tesla-Fans. Er postet Bilder von seinem Schreibtisch, auf dem eine Elon Musk-Biografie und ein Tesla-Bild liegt. Er informiert sich auf der Homepage des Unternehmens über den neuesten Stand. Und hat sich dort auch sein Traumauto zusammengestellt: ein Tesla, Modell T3, das ist sein Traum – und er tut einiges dafür, dass der Wirklichkeit wird.
„Ich habe einmal gepostet, dass ich einen T3 kaufen will. Ein Follower hat mir dann empfohlen eine Crowdfunding-Kampagne zu starten.“ 1000 Euro seien bislang zusammenkommen. Ein T3 kostet etwa 40 000. Er habe auch noch Ersparnisse, sagt Senkel. Doch es wird dauern.
Bis dahin kommt er mit der Bahn, um akribisch den Fortschritt zu dokumentieren, hat sich angeguckt, wie die Bauarbeiter den Wald abgeholzt haben. Jetzt liegt nur noch Wurzelwerk in wenigen riesigen Haufen herum. Es wird gehäckselt und weggefahren. „Die machen keine Pause, Corona stört da gar nicht. Alles läuft nach Plan und die Planierungsarbeiten sind fast fertig“, weiß Senkel.
Am Computer zeichnet Senkel nach, wie das Gelände gerade aussieht
Von seinen Beobachtungen erstellt er 3-D-Karten, zeichnet am Computer nach, wie das Gelände gerade aussieht – und postet diese bei Twitter (@EmilSenkel). Die Hardcore-Tesla-Fans kennen sich. Sie sind in Whatsapp-Gruppen organisiert. „Es ist kein Konkurrenzdenken, sie helfen mir manchmal mit Informationen aus, wenn ich nicht hinfahren kann – dann zeichne ich danach meine Karten.“
Wenn er sein Abitur geschafft hat, will Senkel zunächst ein Praktikum bei Tesla machen und später die Roboter programmieren. In der Schule hat er den Informatik-Leistungskurs belegt.
Und was sagen seine Eltern? „Die unterstützen mich. Studieren soll ich nur, wenn ich nicht wüsste, was ich machen soll, sagt meine Mutter.“ Bei Tesla brauche man kein Diplom. „Die interessieren sich dafür, dass man was macht. Man muss beweisen, dass man außergewöhnlich ist.“
Albrecht Köhler aus Grünheide ist Pfleger in der Rettungsstelle eines Krankenhauses und in diesen Wochen natürlich besonders gefragt – und belastet. Ausgleich findet der 32-jährige Familienvater aus Grünheide beim Beobachten der Baustelle.
„Ich fotografiere gern und fahre gern Mountainbike, interessiere mich für Flugzeuge und Satelliten. Tesla ist für mich einfach eine gute Gelegenheit, meine Hobbys und Interessen auszuleben“, erklärt Köhler dieser Tage beim Spaziergang mit angemessenem Sicherheitsabstand am Bauzaun.
Dabei trägt er zwei Profikameras am Band um den Hals. Eine mit Weitwinkelobjektiv und eine mit einem Tele (200 mm mit einem Konverter auf 400 mm). Damit fängt er auch entfernte Details ein. Öfter lässt er auch seine Drohne um das Gelände fliegen. Die teils spektakulären Bilder und Kurzfilme teilt er gratis mit anderen Enthusiasten.
„Erst dachte ich, das interessiert nur die Leute in Grünheide. Aber seit ich gemerkt habe, wie viele aus dem Ausland mein Material sehen, poste ich auf Englisch.“ Mehr als 6000 Follower hat sein Twitter-Account @gigafactory_4, mehr als die Hälfte davon sitzt nicht Europa.
Persönlichen Kontakt zum Unternehmen selbst hatte er bisher kaum. „Die haben mich einmal angerufen und wollten – glaube ich – nur wissen, ob ich harmlos bin.“ Zu Fans wie Emil und den anderen Tesla-Spottern pflege er ein freundschaftliches Verhältnis.
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Einem 13-jährigen Fan, der mit tollkühnen Drohnenüberflügen über Autobahn und Gelände besonders starke Bilder produziert hatte, hatte er einmal den Rat gegeben, das Gesetz nicht so herauszufordern. Sonst würden Firma und Behörden die Fans womöglich nicht mehr so einfach zuschauen lassen.
Köhler betreibt auch Aufklärungsarbeit – nicht nur digital. Er trägt die Initiative „Grünheide For Future“, die sich nur insofern dem Klimaschutz verpflichtet sieht, als sie um Verständnis für die Ansiedelung dieses Herstellers emissionsfreier Elektroautos wirbt. Um andere Klimaschutzthemen geht es eher nicht.
„Viele Leute wussten hier zunächst nichts bis wenig über Elon Musk und seine visionären Projekte“, erklärt Köhler. Also beschaffte er ein paar Ausgaben der Elon-Musk-Biografie für die öffentlichen Bibliotheken der Region.
Geld verlangt er nicht für seine Hilfe. Wie die meisten Tesla-Fans freut er sich natürlich aber über eine Spende – natürlich zu zahlen über Paypal, den Bezahldienst, den Elon Musk miterfunden hat.