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Jenseits des Hauptbahnhofs soll die Europacity emporwachsen.
© Visualisierung: CA Immo/Bünck und Fehse, Foto: Dirk Laubner

Hauptbahnhof gab Startschuss für den Bau: Europacity entstand aus dem Nichts

Der Berliner Hauptbahnhof, Meinhard von Gerkans Meisterwerk, läutete den Bau der Europacity ein: Ein riesiges Quartier, aus dem Nichts erwachsen

In einen städtebaulichen Rauschzustand hatte der Wurf von Meinhard von Gerkan Berlin versetzt: Der Hauptbahnhof galt als Meisterstück, abgeworfen in eine städtebauliche Wüste, ein Versprechen auf ein neues Berlin mit einer Architektur der Meilensteine. Irgendwie war zu erahnen, dass diese hoch gesteckten Erwartungen nur schwer erfüllt werden könnten. Und doch ist aus dem Nichts ein ganzes Quartier erwachsen, das heute langsam Gestalt annimmt.
Wer hätte das gedacht, begann die Entwicklung des Gebietes am Hauptbahnhof doch mit einem städtebaulichen Crash, der Schlimmstes erwarten ließ: Einer der ersten Neubauten ist bis heute ein Synonym für Renditearchitektur. Das Meininger Hotel, eine graue Kiste mit schmalen Schlitzen, abgeworfen aus der Resterampe des baulichen Einerlei, billig gebaut, um die Konkurrenz der Budget-Hotels in der Touristenhochburg der Easy-Jet-Urlauber aufzurollen.

Lange zeit war die Gegend um den Hauptbahnhof wüst und leer. Als einer der ersten Bauten stand das vielkritisierte Meininger Hotel am Washingtonplatz.
Lange zeit war die Gegend um den Hauptbahnhof wüst und leer. Als einer der ersten Bauten stand das vielkritisierte Meininger Hotel am Washingtonplatz.
© Thilo Rückeis

Die Verantwortung für dieses Desaster hatte Senatsbaudirektorin Regula Lüscher ihrem Vorgänger im Amt zugeschoben. Lüscher betrieb damit zugleich Werbung für das eigene Baukollegium, eine Art Geschmackspolizei, deren Vorschriften sich Berliner Bauherren bei Großprojekten unterwerfen sollen. Tatsächlich war das Meininger – von der Höhe des Baukörpers abgesehen – weitgehend ohne Vorgaben aus dem Boden gewachsen, was Meinhard von Gerkan zu einer Tirade veranlasste: „primitive, billige und ordinäre Architektur“ erkannte er im Umfeld des Hauptbahnhofs, die ihn um sein Werk fürchten lasse.

Die Kritik war vor allem auf das Meininger Hotel gemünzt, aber nicht nur. Und mancher wunderte sich, dass die Senatsbaudirektorin lobende Worte für das Sandsteinensemble aus vier Blöcken gegenüber vom Kanzleramt fand. Hinter diesen Neubauten – ebenfalls Hotels – ist das Meininger weitgehend verschwunden.

Der Bau des gläsernen Kubus soll demnächst beginnen

Allerdings traf das Geviert mit den immer gleichen schmalen Fensteröffnungen und den allenfalls in der Ausgestaltung der Fassaden-Öffnungen changierenden Bauten nicht wirklich jedermanns Geschmack. Dabei darf man vereinzelt durchaus den Willen zur Gestaltung erkennen, etwa beim Neubau des Steigenberger-Hotels vom Architekturbüro Ortner und Ortner. Diesem ist ein gelungenes Spiel mit den Formaten der Fensterausschnitte gelungen – was beweist, dass die Eintönigkeit immer gleicher Rasterfassaden keinesfalls ein Naturgesetz zeitgenössischer Architektur sein muss.

Originell auch der städtebauliche Ansatz, den der Architekt Moritz Auer entwickelt hat. Bei der Vorstellung des Projektes ließ der einen schweren Hammer schwungvoll auf einen präparierten Sandsteinblock herabschnellen, worauf dieser in vier ähnlich große Teile zerfiel – vier Teile einer Einheit, genauso sollten sich die Neubauten zueinander verhalten.

So soll der Washingtonplatz aussehen, wenn das letzte Element, der gläserne Kubus, steht.
So soll der Washingtonplatz aussehen, wenn das letzte Element, der gläserne Kubus, steht.
© CA Immo Deutschland

Die gestalterische Zurückhaltung ist erwünscht, denn das Steigenberger Hotel und das benachbarte John-F.-Kennedy-Bürohaus sollen die Kulisse bilden für den herausragenden „Solitär“, den Rand des Platzes für die „Skulptur“, die gegenüber unmittelbar auf dem Vorplatz des Bahnhofs entstehen wird.
Noch in diesem Jahr könnte der Bau des gläsernen Kubus beginnen. 85 Millionen Euro soll der kosten und eine Fläche von 18500 Quadratmetern bieten. Die Architekten kommen aus Kopenhagen („3XN“) und müssen den preisgekrönten, puristischen Entwurf doch noch mal anfassen, weil die Mieter es so wollen: „Auch bei Bürohäusern wollen die Menschen Austritte“, sagt Markus Diekow, Sprecher der CA Immo.

Die Aktiengesellschaft, die das frühere Bahnareal übernommen hat, ist die treibende Kraft bei der Entwicklung des Quartiers. Seit knapp einem Jahrzehnt bringt sie ein Grundstück nach dem anderen zur Baureife, wobei sich der weitaus größte Teil des Baugeschehens nördlich vom Bahnhof abspielt.

Die „Tour Total“, das Hochhaus von Barkow Leibinger, setzte ein erstes Ausrufezeichen. Und es darf als eines der gelungenen Beispiele von Lüschers zeitgenössischen Interpretationen der steinernen Moderne gelten: Die Sachlichkeit bekommt durch eine raffinierte Verdrehung der Fassadenelemente eine Tiefenwirkung, die dem Gebäude mit der Tageszeit wechselnde Anmutungen verleiht.

Am Fuße des Turmes entstehen zurzeit Bürohäuser. Weitere Hotels, darunter eins in einem sanierten Backsteinbau, der für wohltuende Abwechslung sorgt, ergänzen das Quartier. Noch liegen Glanz und Elend des neuen Viertels allerdings dicht beieinander. Für das eine stehen die Museumsmeile mit dem Hamburger Bahnhof und, weiter östlich, die Szene-Kneipen. Wer sich dagegen Richtung Westen orientiert, stößt bald auf Obdachlosen-Unterkünfte und jenen Teil von Moabit, der eher abgehängt vom Boom war.

Blickrichtung Hauptbahnhof: Im markanten Hochhaus an der Lehrter Straße sollen Studentenwohnungen entstehen. In der niedrigeren Zeile rechts sind Eigentumswohnungen geplant, links entlang der Bahnlinie Mietwohnungen.
Blickrichtung Hauptbahnhof: Im markanten Hochhaus an der Lehrter Straße sollen Studentenwohnungen entstehen. In der niedrigeren Zeile rechts sind Eigentumswohnungen geplant, links entlang der Bahnlinie Mietwohnungen.
© Sauerbruch Hutton

War, denn auch hier drehen sich die Kräne. So plant die Groth-Gruppe unweit des Poststadions das „Quartier Lehrter Straße“ mit rund 1000 Wohnungen, unter anderem Studentenapartments. Auch an Museumsmeile und Schifffahrtskanal soll ein Wohnquartier entstehen: mit Grünzügen und Promenaden durchzogen, einem Stadtplatz als Mittelpunkt, zwei Hafenbecken und neuen Brücken zur Überwindung des Wasserlaufs. Viele Eigentumswohnungen wird es geben, Kitas und Schulen – ein Quartier für Wohlhabende mit gerade mal 42 geförderten Wohnungen.

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