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Klaus Brunswicker war Schulleiter der Sophie-Scholl-Schule und soll nun die Vorfälle an der Ballettschule aufklären.
© Kitty Kleist-Heinrich

Experte soll Ballettschul-Affäre aufklären: „Es gibt nicht nur anonyme Vorwürfe“

Klaus Brunswicker, ehemaliger Schulleiter in Schöneberg, soll die Anschuldigungen an der staatlichen Tanzschule aufarbeiten. Wie geht er vor? Ein Interview.

Die Vorwürfe um angeblich rücksichtslose Lehrmethoden an der Staatlichen Ballettschule und Schule für Artistik bringen Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) in Erklärungsnot. Ein Schülersprecherteam hat dargelegt, wie aus Beleidigungen, Demütigungen und Überlastungen eine „Kultur der Angst“ erwachsen sei. Bodyshaming gehöre „zum Alltag“.

Wer wusste von den Vorwürfen – und wann? Klaus Brunswicker, 69, war Schulleiter der Schöneberger Sophie-Scholl-Schule. Jetzt leitet er die Expertenkommission zur Aufklärung der Vorwürfe an der Ballettschule – und soll Klarheit schaffen.

Herr Brunswicker, wer die verworrene Lage an der Staatlichen Ballettschule und Schule für Artistik analysieren will, braucht Durchblick. Wie gehen Sie vor, um das Gewirr an Vorwürfen zu entflechten?
Was die Vorwürfe anbelangt, so liegen uns die verschiedenen Statements aus dem Kollegium und der Schülerschaft vor sowie Anträge an schulische Gremien, das Dossier und diverse Erklärungen zu den Vorwürfen. Dazu werden wir ab dieser Woche Gespräche mit möglichst allen Beteiligten führen. Wir beginnen mit den schulischen Gremien, wollen aber niemanden ausschließen und sind offen für Gespräche mit allen Mitgliedern der Schulgemeinde.

In den Leitungsebenen des Berliner Schulwesens kennt fast jeder jeden. So ist das in einem Stadtstaat wie Berlin. Wie wollen Sie eine neutrale Aufarbeitung schaffen?
Dass in einem Stadtstaat die persönlichen Kontakte in den zentralen Verwaltungen enger sind als in Flächenstaaten, ist vermutlich richtig. Aber das heißt ja nicht zwangsläufig, dass alle das gleiche Interesse haben.

Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir die notwendige Unterstützung für unsere Arbeit bekommen. Wichtig ist: Die Kommission ist nicht weisungsgebunden und sie arbeitet unabhängig. Wenn das nicht der Fall wäre, wäre ihre Arbeit zum Scheitern verurteilt.

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Haben Sie schon mit den beiden freigestellten Leitern der Schule gesprochen?
Wir beginnen jetzt mit den Gesprächen. Natürlich gehört auch das Gespräch mit den bisherigen Schulleitern zur Arbeit der Kommission. Verabredungen sind dazu noch nicht getroffen worden.

Haben Sie mit Schülern gesprochen?
Wir treffen diese Woche im Rahmen der Schulkonferenz natürlich auch auf die Vertreterinnen und Vertreter der Schülerschaft. Und dann werden zeitnah weitere Gespräche vereinbart.

Können Sie anhand Ihrer bisherigen Recherchen nachvollziehen, warum Schüler von einer „Kultur der Angst“ sprechen?
Ich möchte jetzt noch keine Wertungen treffen. Die Kommission wird nach Abschluss ihrer Gespräche und Auswertung der Dokumente in einem Zwischenbericht eine Einschätzung treffen. Dass das Anliegen der Schülerinnen und Schüler ernst genommen wird, ergibt sich ja schon aus der Einrichtung der Kommission. Ich kann versichern, dass diese Kommission mit großem Ernst an einer Aufklärung der Vorwürfe arbeiten wird.

Die Schulleitung hat betont, dass Vorwürfe nur anonym vorgebracht wurden. Was wissen Sie über namentliche Vorwürfe?
Es gibt etwa einen Antrag auf Gewährleistung der Fürsorgepflicht vom November 2019, der namentlich unterzeichnet ist, und es gibt ein Statement der Schülerinnen und Schüler vom Januar 2020, das zwar nicht namentlich unterzeichnet ist, aber offenkundig von den Schülervertretern in der Schulkonferenz mitgetragen wird. Nur von anonymen Texten zu sprechen, trifft den Sachverhalt daher nicht.

Kultur der Angst, rücksichtslose Lehrmethoden und Bodyshaming: Die staatliche Ballettschule steht momentan nicht im besten Licht da.
Kultur der Angst, rücksichtslose Lehrmethoden und Bodyshaming: Die staatliche Ballettschule steht momentan nicht im besten Licht da.
© Kitty Kleist-Heinrich

Die Schulaufsicht hat es bisher nicht vermocht, die Probleme zu lösen. Analysieren Sie auch deren Rolle?
Wir wollen auch das Handeln der Schulaufsicht in unsere Analyse einbeziehen. Dass dies sinnvoll und notwendig für ein umfassendes Bild ist, bestreitet niemand.

Schon vor fünf Jahren hatten sich Lehrer mit Vorwürfen gegen die Schulleitung an die Beschwerdestelle der Bildungsverwaltung gewandt. Ohne Ergebnis. Es gibt wohl nicht mal ein Protokoll. Bewerten Sie auch die Arbeit der Beschwerdestelle?
Wir werden auch mit den beiden Lehrern sprechen, die sich diesbezüglich gemeldet haben. Das bedeutet natürlich, dass wir darauf schauen müssen, ob die Vorwürfe zutreffen. Wir wollen ein umfassendes Bild gewinnen. Und die Arbeit der Beschwerdestelle gehört dazu, auch wenn die Vorwürfe in diesem Fall schon einige Jahre zurück liegen.

Gibt es eine zeitliche Vorstellung, wie lange die Aufarbeitung dauern kann?
Das ist eine schwierige Frage. Natürlich wissen die Mitglieder der Kommission, dass es eine hohe Erwartungshaltung auf allen Seiten gibt. Aber wir wollen keine Schnellschüsse, sondern eine gründliche Recherche liefern, die zu sinnvollen Empfehlungen führt.

Daher plädiere ich für Geduld – ich bin mir aber bewusst, dass das für manche, die nun schon seit einiger Zeit Vorwürfe erheben, eine Zumutung sein kann. Wir werden jetzt wöchentlich tagen und sind selber daran interessiert, in angemessener Zeit zu Ergebnissen zu gelangen.

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In Wien hat kürzlich eine Kommission festgestellt, dass eine „Sklavenmentalität“ an der dortigen Ballettschule herrschte. Was können Sie aus den Erfahrungen der Wiener Kommission lernen?
In Wien hat man an der Aufklärung von April bis Dezember gearbeitet. Das war also ein sehr gründlicher Aufklärungsprozess. Vielleicht schaffen wir es schneller. Aber Gründlichkeit ist uns, wie gesagt, genauso wichtig. Was mich an dem Wiener Bericht beeindruckt, ist die sehr klare, schonungslose Sprache mit klarer Benennung der Verantwortlichkeiten.

Blieb in Wien das Leitungspersonal im Dienst?
Zumindest die Direktorin der Ballettakademie wurde dort abberufen.

Auf der Homepage des Online-Magazins „Ballett-Journal“ wird berichtet, dass es an der Ballettschule in den Sommerferien teure Ballettkurse geben sollte. Nun ist die Seite mit den Angeboten der Schule verschwunden. Was wissen Sie darüber?
Bislang kenne ich nur den von Ihnen zitierten Bericht. Mehr kann ich im Moment dazu nicht sagen.

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