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Senatorin Scheeres hatte sowohl Ralf Stabel (r.) als auch dem Landesjugendballett-Leiter Seyffert gekündigt.
© Christophe Gateau/dpa

Kritik auch aus der Koalition: Ballettschulaffäre: Scheeres unter Druck

Abgeordnete von Linken und Grünen bemängeln das Krisenmanagement der Bildungssenatorin. Clearingstelle nimmt Betrieb auf.

In der Auseinandersetzung um angeblich rücksichtslose Methoden an der Staatlichen Schule für Ballett und Artistik gerät auch Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) unter Druck. Die Bildungspolitikerinnen der Grünen und Linken, Marianne Burkert-Eulitz und Regina Kittler, werfen ihr vor, zu spät Konsequenzen aus den Vorwürfen gezogen zu haben.

„Die Senatorin hätte viel früher eine Clearingstelle einrichten müssen“, sagte Kittler dem Tagesspiegel. Sie habe Scheeres bereits im September von Vorwürfen berichtet. Auch Burkert-Eulitz hat Zweifel am Krisenmanagement. Diese Zweifel wurden am Dienstag verstärkt durch einen Auftritt von Scheeres’ Abteilungsleiter Christian Blume bei einer von ihm einberufenen Vollversammlung der Schule.

Anlass für die Versammlung war die am Vortag erfolgte „vorübergehende Freistellung“ von Schulleiter Ralf Stabel und dem Künstlerischen Leiter Gregor Seyffert. Blume hatte die Freistellung am Montag mit den „im Raum stehenden Vorwürfen“ begründet. Zuvor hatten Betroffene gegenüber Abgeordneten von einer „Kultur der Angst“ berichtet sowie von übertriebenem Drill und Mobbing. Kittler spricht zudem von „Machtmissbrauch“ und Verstößen gegen das Kinder- und das Jugendschutzgesetz. Sie bezweifelt, dass die Schulaufsicht „ihre Kontrollfunktion wahrgenommen hat“.

"Kindeswohlgefährdung" lautet ein Vorwurf

„Ich bin hart gesotten, aber das hat mich mitgenommen“, beschreibt die Abgeordnete Burkert-Eulitz ihren Eindruck von den Betroffenenberichten. Zwar sei es richtig, dass an Eliteschulen Höchstleistung verlangt werde. Es gebe aber „Methoden, mit denen Kinder nicht fertiggemacht werden.“ Nach den Gesprächen ist Burkert-Eulitz zu dem Schluss gekommen, dass es bei den Vorwürfen um „seelische, geistige und körperliche Kindeswohlgefährdung“ gehe. Umso empörter war sie darüber, dass Abteilungsleiter Blume bei seinem Auftritt bei der Vollversammlung die Vorwürfe mehrmals mit dem Attribut „anonym“ belegt und von „Unterstellungen“ gesprochen habe, während er gleichzeitig betonte, er wolle die Schulleiter „aus der Schusslinie“ zu nehmen. Erst im zweiten Teil seiner Ansprache führte er aus, dass die Freistellung letztlich auch wegen der „Dramatik und Dynamik“, die sich aus den Schilderungen Betroffener gegenüber Abgeordneten ergeben habe, „alternativlos“ gewesen sei.

Auch die Staatssekretärin traf Betroffene

Zu dem Treffen mit Abgeordneten und mit Bildungs-Staatssekretärin Beate Stoffers (SPD) war es allerdings erst gekommen, nachdem der RBB die Vorwürfe im Januar publik gemacht hatte. Am Dienstag legte der Sender nach: In der „Abendschau“ berichtete ein ehemaliger Lehrer der Schule, dass er schon 2015 auf die Missstände hingewiesen habe. Zudem berichtet der RBB, dass die strittigen Methoden im April 2019 Anlass für Auseinandersetzungen im Kollegium gewesen seien.

Auf die Vorwürfe von Kittler und Burkert-Eulitz, die Senatorin habe zu spät Konsequenzen gezogen, antwortete ihr Sprecher, dass es lange Zeit „ausschließlich anonyme Hinweise“ gegeben habe.

Strafanzeige wegen Verleumdung

Stabel und Seyffert hatten am Montag laut Deutscher Presseagentur mit gleichlautenden persönlichen Stellungnahmen auf ihre vorübergehende Freistellung reagiert. Sie schreiben, die Freistellung sei nicht wegen Verletzung von Dienstplichten oder anderer von ihnen zu vertretenden Gründen erfolgt: „Es kursieren Verleumdungen, Falschbehauptungen und Anschuldigungen in der Öffentlichkeit, für die kein einziger Beleg beigebracht wurde.“ Nach Tagesspiegel-Informationen hat die Schulleitung Strafanzeige wegen Verleumdung gestellt.

Eine Expertenkommission befasst sich inzwischen mit der Frage, wie die Probleme der Schule gelöst werden können. Scheeres hatte die Kommission berufen, nachdem die Vorwürfe im Januar bekannt geworden waren.

Die Staatliche Schule für Ballett und Artistik hatte bislang einen sehr guten Ruf. Die Trägerschaft liegt zentral bei der Bildungsverwaltung - wie auch die anderen Eliteschulen Berlins. Scheeres hatte zusammen mit der Schulleitung Anfang 2017 die Gründung eines Landesjugendballetts beschlossen.

Die unabhängige Clearingstelle ist ab sofort erreichbar. Telefon: 0176/86016667, Mail: clearingstelle.sbs@senbjf.berlin.de, Adresse: Clearingstelle SBS, Juliusstr. 41, 12051 Berlin

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