zum Hauptinhalt
Taxis stehen vor dem Impfzentrum in der Treptow Arena, in dem gegen das Coronavirus geimpft wird.
© Christophe Gateau/dpa

Kritik an Berliner Impfzentrum: „Es fehlt nicht der Impfstoff, es fehlt an Menschen, die sich impfen lassen“

Im Impfzentrum Arena wurden bisher nur 600 Menschen pro Tag geimpft. Aber das hat verschiedene Gründe. Fehlender Impfstoff ist nur einer davon.

Friederike Danne hatte sich auf genügend Arbeit eingestellt. Die Oberärztin, eigentlich am Deutschen Herzzentrum Berlin beschäftigt, stand am vergangenen Samstag bereit zum Einsatz im Impfzentrum „Arena“ in Treptow. Sie meldete sich zu ihrer sechsstündigen Schicht, um Menschen der Hochrisikogruppe den wichtigen Stoff zu injizieren.

Doch die Bilanz der sieben Stunden fällt ernüchternd aus. „Ich war gelinde gesagt entsetzt. Das läuft alles super ineffektiv ab. Es fehlt nicht der Impfstoff, es fehlt an Menschen, die sich impfen lassen wollen.“

Es war ihr erster Einsatz in dem früheren Kulturzentrum, Danne erkannte schnell, „dass die Logistik vor Ort und die Betreuung der Menschen ausgezeichnet ist“. Nur waren sehr wenige Menschen da, die man impfen konnte. „Ich habe vielleicht 20 Menschen geimpft, und das auch nur, weil ich so gedrängelt habe.“

Von ihren sieben Stunden Arbeitszeit, sagt die Oberärztin, die auch noch eine Viertelstelle im Medizinischen Versorgungszentrum des Herzzentrums hat, habe sie meist einfach nur gewartet. Ein Mediziner, der in der Arena seine sechste Schicht absolvierte, habe ihr erklärt: „Das ist immer so.“

5000 Menschen können in der "Arena" geimpft werden, 600 kamen

5000 Menschen können im Optimalfall in der Arena täglich geimpft werden, in ihrer Schicht, sagt die Ärztin Danne, seien ihrer Schätzung nach maximal 500 geimpft worden. Für sie ist es ein Problem der Einladungen. Es würden zu wenig Menschen eingeladen. Es waren genau 600, das teilte die Senats-Gesundheitsverwaltung mit.

Aber das Problem ist vielschichtiger. Die Einladungspraxis ist möglicherweise verbesserungswürdig, aber es fehlt vor allem unverändert an genügend Impfstoff. „Bis Ende vergangener Woche waren täglich für die Arena nur 600 Dosen vorgesehen“, sagt Regina Kneiding, die Pressesprecherin des Impfzentrums Arena.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Nach Angaben der Senats-Gesundheitsverwaltung sind in den kommenden Tagen zwischen etwa 800 und etwas über 1000 Impftermine pro Tag in der Arena Berlin gebucht. Am vergangenen Freitag wurden 29 250 Impfdosen geliefert. Zudem soll spätestens am 19. Januar die nächste Lieferung des Herstellers Biontech/Pfizer in Berlin eintreffen.

Bisher sind in Berlin 31 600 Über-90-Jährige eingeladen worden

Nach Auskunft der Senat-Gesundheitsverwaltung sind bisher rund 19 000 Menschen über die Mobilen Teams in Pflegeeinrichtungen geimpft worden. Rund 29.000 Berlinerinnen und Berliner wohnen in Pflegeeinrichtungen. Aufgrund der durch den Bund bisher gelieferten und auch der aktuell angekündigten Impfstoffmenge seien bislang die rund 31.600 in Berlin lebenden über 90-Jährigen zur Impfung eingeladen worden. In Teilen seien auch die rund 190000 in Berlin lebenden über 80-Jährigen eingeladen worden.

[Behalten Sie den Überblick: Corona in Ihrem Kiez. In unseren Tagesspiegel-Bezirksnewslettern berichten wir über die Krise und die Auswirkungen auf Ihren Bezirk. Kostenlos und kompakt: leute.tagesspiegel.de]

Das Deutsche Rote Kreuz (DRK), das das Impfzentrum in Treptow betreibt, hat allerdings auch Probleme mit den Einladungen erkannt. An einigen Tagen der vergangenen Woche seien bis zu zehn Prozent der Leute mit Termin nicht erschienen, sagt Berlins DRK-Präsident Mario Czaja. Man habe die Gesundheitsverwaltung darauf hingewiesen.

Nun werde bewusst etwas überbucht, um diese Lücken zu vermeiden. Impfstoff sei deswegen aber nicht verloren gegangen: Einerseits halte sich das aufgetaute Serum, bevor es in die Spritzen komme, bis zu drei Tage im Kühlschrank; andererseits verimpfe man am Ende eines Tages Reste an Beschäftigte aus dem Rettungswesen sowie Polizei und Bundeswehr, die im Impfzentrum eingesetzt seien.

Der 91-Jährige Mann wurde geimpft, seine 87-jährige Frau, die ihn begleitete, nicht

Die Sachlage ist auf jeden Fall kompliziert. Friederike Danne hatte einen 91-Jährigen geimpft, der in Begleitung seiner 87-jährigen Frau aus Zehlendorf gekommen ist. Der Mann hatte eine Einladung, die Gattin nicht. Sie wollte aber, wenn sie schon da war, auch geimpft werden. Doch da die Seniorin keine Einladung hatte, konnte die Ärztin für sie am Counter auch keine Dosis abholen.

Das langsame Tempo beim Impfen treibt Friederike Danne fast zur Verzweiflung. „Das dauert ja ewig, wenn wir nicht schneller werden. Ich weiß, dass jeden Tag Menschen an Covid-19 sterben.“ Möglicherweise bleibt ihr das Tempo vor Ort in Zukunft erspart. „Ich habe im Moment eigentlich keine Lust, dort noch eine Schicht zu absolvieren.“

Zur Startseite