Sorge vor militanten Corona-Skeptikern: Warum Berlin seine Impfzentren schützen wird
Wachdienste werden vor Berlins sechs Impfzentren stehen. Die Polizei beobachtet angesichts der "Emotionalisierung" des Themas die Sicherheitslage.
Vor der geplanten Eröffnung der sechs Impfzentren wird in Berlin über nötige Sicherheitsmaßnahmen gesprochen – aus Sorge vor Störaktionen militanter Impfgegner und Corona-Skeptiker. Nach Tagesspiegel-Informationen sprechen Berliner Sicherheitsbeamte intern über die Gefahr, dass die sechs Impfzentren blockiert, aber auch angegriffen werden könnten. Zudem sei nicht auszuschließen, dass Diebe die bislang knappen Dosen des Impfstoffes stehlen wollen.
„Leider ist es plausibel, dass es Leute gibt, die das Impfen stören und sogar verhindern wollen“, sagte der Berliner Ärztekammer-Präsident Günther Jonitz dem Tagesspiegel. „Jeder aber, der die Impfung eines anderen verhindert oder auch nur verzögert, macht sich schuldig.“
Vor einer Woche war bekannt geworden, dass das Bundeskriminalamt (BKA) in einem internen Lagebild davor warnt, dass Pharmaforscher und Impfzentren zum Ziel von Corona-Skeptikern werden könnten: Von einer „abstrakten Gefährdung“ für solche Einrichtungen müsse ausgegangen werden. Als ein denkbares Szenario gilt demnach, dass gewaltbereite Gegner der Corona-Maßnahmen versuchen, in ein solches Zentrum einzudringen, um ihrem Protest größere Wirkung zu verleihen. Auch ein Diebstahl gelagerter Impfstoffe durch Schwarzmarkthändler sei nicht auszuschließen.
Man habe die Sicherheit der Impfstellen im Blick, sagte ein Polizeisprecher: „Die vergangenen Monate, die weitergehende Emotionalisierung und die gestiegene Schärfe im Zusammenhang mit dem Thema haben uns gezeigt, dass eine Gefährdung in Betracht zu ziehen ist.“
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In den vergangenen Tagen hatten Vertreter des Berliner Senats und der beteiligten Hilfsorganisationen über den Einsatz von Wachschützern gesprochen. Federführend wird das Deutsche Rote Kreuz (DRK) die Impfzentren betreiben. Der Berliner DRK-Präsident und frühere Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) sagte auf Anfrage: „Sanitäter werden schon im Alltag oft Opfer von Gewalt – mit Blick auf die Impfzentren setzen wir sehr darauf, dass der Senat ein umfassendes Sicherheitskonzept hat.“ Die im Internet verbreiteten Aufrufe gewaltbereiter Impfgegner und Corona-Skeptiker nehme man ernst.
Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) hatte am Donnerstag angekündigt, dass vor jedem Impfzentrum ein Wachschutz eingesetzt werden soll. Bei der Wahl des jeweiligen Sicherheitsunternehmens sollte eine Rolle spielen, ob in der Firma bekannte Clan-Männer oder Rechtspopulisten tätig waren, sagte ein Branchenkenner.
Sicherheitsfirmen sollten überprüft werden
„Wir stellen immer mal wieder fest, dass auch einschlägig bekannte Personen aus dem Bereich Eigentumskriminalität als Mitarbeiter bei insbesondere kleinen Sicherheitsfirmen arbeiten. Sollte der Senat also ein privates Wachunternehmen für die Sicherheit des Impfstoffes anheuern, wäre dringend eine gründliche Überprüfung der eingesetzten Mitarbeiter vonnöten“, sagte Carsten Milius vom Bund Deutscher Kriminalbeamter. Der BKA-Warnung schließe man sich an, „aus ideologischen, weniger aus profitorientierten Gründen“ könne es zu Angriffen auf die Zentren kommen.
Die sechs in Berlin geplanten Impfzentren werden in diesen Tagen errichtet. Neben dem DRK helfen auch Mitarbeiter der Malteser, der Johanniter und der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG). Die Mediziner organisiert die Kassenärztliche Vereinigung (KV), sie ist als Körperschaft öffentlichen Rechts für die ambulante Versorgung zuständig.
Zunächst soll das Land Berlin etwa 900 000 Dosen erhalten. Weil jeder Impfling innerhalb von drei Wochen zweimal immunisiert wird, reicht dies für 450 000 Berlinerinnen und Berliner. Die Lieferung wird, so hieß es bislang, von der Bundeswehr bewacht. Die Impfdosen der Firmen Biontech und Pfizer werden in Berlin an einem geheimen Ort in Spezialschränken gelagert, die auf minus 70 Grad Celsius gekühlt sind. Von dort werden die Ampullen in die Impfzentren gebracht, aufgetaut, auf Spritzen aufgezogen und „zeitnah“ verabreicht. Dass macht es möglichen Dieben zwar schwerer, wer jedoch über eine solide Kühlung verfügt, könnte die Dosen wohl einige Tage nach einem Einbruch noch verwenden.