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Tegel – quo vadis? Auch nach dem jüngsten Senatsbeschluss geht das Ringen um die Zukunft des Flughafens erbittert weiter.
© Sophia Kembowski/dpa

Senat will TXL schließen: Erwartungsgemäße Empörung bei der Opposition

Ganz offiziell und abschließend sagt der Berliner Senat Nein zum Tegel-Volksentscheid. Die Opposition reagiert mit markigen Worten.

Der Beschluss überrascht nicht, aber die Opposition ist empört. Der rot-rot-grüne Senat hat am Dienstag festgestellt, dass er den Volksentscheid zur Offenhaltung des Flughafens Tegel nicht umsetzen könne. Man habe sich mit dem Ergebnis der Volksabstimmung intensiv auseinandergesetzt, entschied die Berliner Landesregierung.

Es sei eine „umfangreiche Folgenabschätzung eines möglichen Weiterbetriebs“ erarbeitet worden. Die darin festgestellten rechtlichen, betriebswirtschaftlichen, finanziellen und stadtentwicklungspolitischen Konsequenzen „sowie die Auswirkungen auf Umwelt, Verkehr und Gesundheit“ sprächen gegen die Umsetzung.

CDU: "Anschlag auf die direkte Demokratie"

„Der Senat tritt den Wählerwillen mit Füßen“, kritisierte der CDU-Fraktionschef Florian Graf den Beschluss. Dies sei eine Frechheit und ein Rückschlag für die Entwicklung der wachsenden Metropole. Für die dauerhafte Offenhaltung des City-Airports habe es einen „glasklaren Auftrag“ der Berliner gegeben, sagte Graf.

„Anscheinend kratzt den Regierenden Bürgermeister Michael Müller der Wille der Bevölkerung nicht im Geringsten.“ Dies sei ein Anschlag auf die direkte Demokratie. Ähnlich reagierte CDU-Generalsekretär Stefan Evers, der von einer „moralischen Bankrotterklärung“ der Koalition sprach.

Mit dieser Senatsentscheidung zeige Rot-Rot-Grün besonders drastisch seine Bürgerferne, schimpfte der AfD-Fraktionsgeschäftsführer Frank-Christian Hensel. Berlin brauche Tegel, der Beschluss gegen eine Offenhaltung sei grundfalsch. Der Demokratie werde damit außerdem schwerer Schaden zugefügt.

FDP: „Berlin wird Tegel behalten!“

Die Berliner FDP, deren Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Sebastian Czaja, der Initiator der Kampagne pro Tegel war, brauchte eine Weile, um sich vom Schreck zu erholen. Erst eine halbe Stunde nach Union und AfD meldete sich Czaja zu Wort. Der Senatsbeschluss beweise, so teilte er mit, dass SPD, Linke und Grüne die Entscheidung von mehr als einer Million Berliner „von Beginn an verachtet hat“.

Regierungschef Müller habe sich in den vergangenen Monaten so lieb- und lustlos um die Umsetzung des Volksentscheids gekümmert wie um die anderen Probleme der Stadt. Die Offenhaltung des Flughafens Tegel sei möglich, wenn nur der politische Wille da sei, erklärte Czaja.

Doch mit dem Masterplan 2040 für den Ausbau des Hauptstadt-Flughafens BER, der im Herbst 2020 eröffnet werden soll, steuere der Senat auf die nächste Katastrophe zu. Diese Pläne seien weder finanzierbar noch realisierbar. Die Freien Demokraten wollten jetzt noch härter für die unmissverständlichen Entscheidungen der Bürger kämpfen, kündigte der FDP-Fraktionschef an. „Berlin wird Tegel behalten!“

Der Senat verteidigte sich am Dienstag gegen solche Vorwürfe. Gegenüber dem Land Brandenburg und der Bundesregierung habe man für die Position des Volksentscheids geworben und geprüft, inwieweit beide Miteigentümer der Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg (FBB) zu einer Abkehr vom Konsensbeschluss von 1996 bereit seien. Dieser Beschluss sah den Bau eines Single-Airports in Schönefeld und die Schließung der Flughäfen Tempelhof und Tegel vor. Der innerstädtische Flughafen Tempelhof wurde bereits Ende 2008 außer Betrieb genommen.

Volksentscheid hat keine rechtliche Verbindlichkeit

Am 24. September 2017, parallel zur Bundestagswahl, hatte in Berlin ein Volksentscheid stattgefunden, mit dem die Offenhaltung Tegels erzwungen werden sollte. An der Abstimmung beteiligten sich damals 71 Prozent der Berliner Wähler, 56,4 Prozent der Teilnehmer stimmten dafür. Somit wurde der Senat aufgefordert, „sofort die Schließungsabsichten aufzugeben und alle Maßnahmen einzuleiten, die erforderlich sind, um den unbefristeten Fortbetrieb des Flughafens Tegel als Verkehrsflughafen zu sichern.“

Dieser Beschluss des Volkes kam einer politischen Resolution des Abgeordnetenhauses gleich, hatte aber keine rechtliche Verbindlichkeit, weil kein Gesetzentwurf zur Abstimmung stand. Der Senat beauftragte nach der Abstimmung den ehemaligen Richter am Bundesverwaltungsgericht, Stefan Paetow damit, ein Gutachten über die Auswirkungen des Volksentscheids anzufertigen. Paetow habe festgestellt, dass ein Weiterbetrieb des Flughafens Tegel „nur zum Preis der Aufgabe der gemeinsamen Landesplanung zwischen Berlin und Brandenburg möglich ist“, teilte der Senat am Dienstag mit.

Außerdem sei die Offenhaltung Tegels laut Gutachten nur dann rechtssicher möglich, wenn die Kapazität des BER dauerhaft nicht ausreiche, um dessen Funktion als einziger internationaler Verkehrsflughafen der Region Berlin-Brandenburg zu erfüllen, so der Senat. Mit dem Masterplan 2040 sieht sich die Koalition in Berlin aber auf der sicheren Seite.

Die für 2040 erwartete Zahl von 55 Millionen Passagieren pro Jahre könne mit dem neuen Flughafen bewältigt werden. Von einer Kündigung des Landesplanungsvertrags hat Gutachter Paetow abgeraten, weil dies mit hohen Risiken belastet und nicht verantwortbar sei. Eine gemeinsame Landesplanung zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg sei auch künftig unverzichtbar.

Die Freien Demokraten geben trotzdem nicht auf. Am Sonnabend startete der von der FDP und den Freien Wählern unterstützte Verein „Brandenburg braucht Tegel“ eine Unterschriftensammlung für ein Volksbegehren zur Offenhaltung des City-Airports im Norden der Hauptstadt. Bis zu den Sommerferien sollen die notwendigen 20.000 Unterschriften gesammelt werden. Ein Volksentscheid ist parallel zur Brandenburger Landtagswahl 2019 geplant.

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