Gedenkstätten-Leiter Hubertus Knabe: „Er war ein streitbarer Anwalt der Vergessenen“
Nach Sexismus-Vorwürfen an der Stasi-Gedenkstätte muss der langjährige Leiter Knabe gehen. Es ist Zeit für frischen Wind in der DDR-Aufarbeitung.
„Gesicht zur Wand“, brüllt der Aufseher. Der Häftling drückt seinen Kopf an die Zellenmauer. Es wird still im feuchten Verlies, der Aufseher befiehlt: „Und jetzt raus hier, raus, raus!“ Der Gefangene tritt auf den Kellergang, die Metalltür knallt ins Schloss. Hubertus Knabe hat diese Szene nachgespielt, 2001, kurz nach seinem Amtsantritt als Gedenkstättenleiter im früheren Stasi-Knast Hohenschönhausen. Hubertus Knabe, Aufseher und Gefangener in einer Person. An der Doppelrolle scheint er nun im Amt gescheitert.
Knabe, 59, konnte gewinnend sein. Aber durch sein einnehmendes Wesen zog sich stets eine Spur, von sich selbst eingenommen zu sein. Und weinende Kolleginnen in den Arm zu nehmen, wie Knabe es beschrieben hat, ist angesichts der beklagten Arbeitsatmosphäre in der Gedenkstätte wohl nicht nur eine Spur Vereinnahmung zu viel. Der Stiftungsrat ist, gerade in Zeiten gewachsener Sensibilität durch die #Metoo-Debatte, überzeugt, dass Knabe die offensichtliche sexuelle Belästigung von Kolleginnen nicht aufzuklären vermag. Die einstimmige Abberufung Knabes spricht für sich und gegen ihn.
Ein Kind des Westens
Knabe hat die Stadtgesellschaft oft genervt. Seine Ablehnung der Linke als Regierungspartei klang klassenkämpferisch. Kultursenator Klaus Lederer (Linke) war von Anfang an klug genug, die gegenseitige Abneigung nicht dienstaufsichtlich spürbar werden zu lassen. Der anerkannte Stasi-Forscher Knabe – ein Kind des Westens, aber von aus der DDR geflohenen Eltern – eckte mit Publikationen zur Westarbeit der Geheimpolizei schon in der Stasi-Akten-Behörde an. Als Gedenkstättenleiter wurde er zum Sprachrohr jener, die sonst keine Fürsprecher haben: Opfer der SED-Diktatur, die bis heute an körperlichen und seelischen Schäden leiden. Für sie wurde die Gedenkstätte im Nordosten Berlins zum Ankerpunkt. „Er war ein streitbarer Anwalt der Vergessenen“, sagt ein DDR-Forscher, der Knabe gut kennt.
Ein Generationswechsel in der DDR-Erinnerung
Mit Knabe entwickelte sich Hohenschönhausen zum Magnet für Touristen und Schülergruppen – dank Führungen von Zeitzeugen durch endlose Vernehmungstrakte und feuchte Kellerzellen. Knabe gelang es, die Spitzen der Bundespolitik hierher zu lotsen. Sein Haus lobte einen Hohenschönhausen-Preis für Aufarbeitung aus, brachte Kunst und Theater hinter die Gitter. Knabe war Herr über ein Heer von Referenten unterschiedlichster Couleur und politischer Färbung. Gegen rechtslastige Umtriebe im Förderverein ging er zumindest entschlossen vor.
Die DDR-Erinnerung steht vor einem Generationswechsel, nicht nur in Hohenschönhausen. Viele Zeitzeugen sind alt, einige schon gestorben. Die im einst geteilten Berlin so wichtige Aufklärung muss mit neuen wissenschaftlichen Methoden und innovativen Events an authentischen Orten Geschichte erlebbar machen und Erinnerung wach halten. Einhergehen sollte das mit einem anderen Ton, einem empathischen Umgang. Knabe, der sich auf Anfrage nicht äußern wollte, auf Twitter aber seine Erschütterung teilte, schien dazu nicht mehr in der Lage.
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