Komplikationen bei der Niederkunft: Eine schwierige Geburt
Im Stall von Bethlehem ging alles glatt, zum Glück. Doch nicht immer verläuft die Niederkunft ohne Komplikationen. Welche Schwierigkeiten können auftreten, und was können Ärzte unternehmen? Eine kleine Übersicht
Eine geglückte Geburt – das wünschen sich alle Eltern, nicht nur an Weihnachten. Trotzdem ist nie ausgeschlossen, dass es während der Niederkunft zu Schwierigkeiten kommt. Wie häufig passieren sie, und wodurch werden sie ausgelöst? Zunächst ist für werdende Mütter wichtig zu wissen: „Heutzutage verläuft glücklicherweise der allergrößte Teil der Geburten unproblematisch.“ Das sagt Wolfgang Hartmann, Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtsmedizin an den DRK-Kliniken Berlin-Westend. Allerdings können Erkrankungen des Kindes oder der Mutter eine normale Entbindung verhindern, etwa wenn das Kind aufgrund eines Schwangerschaftsdiabetes der Mutter stark an Gewicht zugelegt hat und so groß geworden ist, dass es bei der Geburt nicht mehr durch den Geburtskanal passt. Ebenso können eine Gestose (Sammelbegriff für schwangerschaftsbedingte Krankheiten mit teils unklaren Ursachen), Präeklampsie oder Mehrlingsschwangerschaften zu Komplikationen während der Geburt führen.
Können solche Komplikationen vermieden werden? „Nicht jede Risikoschwangerschaft zieht automatisch eine komplizierte Geburt nach sich“, erklärt Experte Hartmann. So könnten schwierige Entbindungssituationen vor der Geburt geplant werden, wenn die Erkrankung der werdenden Mutter oder des Kindes bekannt ist. Wichtig ist dafür, dass sich Schwangere mit bereits bekannten Risiken oder Erkrankungen frühzeitig in der Geburtsklinik melden. „Im Idealfall sollte das zwischen der 34. bis 36. Schwangerschaftswoche in der Klinik stattfinden, damit sich die Ärzte ein Bild vom Gesundheitszustand und möglichen Komplikationen machen können.“
Auch wenn die Schwangerschaft unauffällig war, kann es zu Schwierigkeiten kommen
Allerdings treten manchmal auch unerwartet Probleme auf, obwohl die Schwangerschaft zuvor komplett unauffällig war. „Trotz aller Vorsorge kann es zu ungeplanten Konstellationen während des Geburtsvorganges kommen, etwa wenn sich der Kopf des Kindes von alleine so positioniert, dass eine vaginale Entbindung nicht möglich ist“, sagt Hartmann. Kann das Kind nicht auf natürliche Weise geboren werden, muss ein Kaiserschnitt erfolgen. In Deutschland kommen rund 30 Prozent aller Neugeborenen so auf die Welt. Dabei sind ein Drittel der Kaiserschnittgeburten bereits im Vorfeld geplant, zwei Drittel ergeben sich plötzlich aus einer Geburtskomplikation.
Sollten sich vor oder während der Geburt Probleme abzeichnen, ist für eine erfolgreiche Entbindung vor allem die Erfahrung des behandelnden Krankenhausteams ausschlaggebend. Hierbei kommt den Ärzten und Hebammen eine besondere Verantwortung zu. Sogenannte Perinatalzentren sind auf komplizierte Geburten wie etwa bei mütterlichen Erkrankungen oder drohenden Frühgeburten spezialisiert. Und das heißt auch, dass diese Zentren auf Komplikationen besonders vorbereitet sind – beispielsweise dürfen dort maximal 15 Minuten zwischen der Entscheidung zu einem Notfallkaiserschnitt und der Geburt des Kindes vergehen. „Die klinischen Abläufe bei einem solchen Notfall werden regelmäßig im Team geübt, um für den Ernstfall gewappnet zu sein“, sagt Gynäkologe Wolfgang Hartmann. In Berlin gibt es derzeit sieben Perinatalzentren.
Was sind die häufigsten Komplikationen während einer Geburt? Ein kleiner Überblick
Vorzeitiger Blasensprung
Die Fruchtblase umgibt und schützt das heranwachsende Ungeborene, bis es bereit ist, auf die Welt zu kommen. Kurz vor oder während der Geburt platzt sie, damit das Kind geboren werden kann. „Dass die Fruchtblase vorzeitig springt, ist nichts Seltenes“, sagt Hartmann. „Damit macht der Körper darauf aufmerksam, dass die Geburt bald beginnt.“ Das hieße aber noch lange nicht, dass sofort danach auch die Wehen einsetzen müssen. Die Schwangere sollte dann umgehend ins Krankenhaus gefahren werden. Dort überprüfen die Ärzte, dass sich durch die geöffnete Fruchtblase keine Infektion auf die Gebärmutterhöhle ausbreitet, indem sie Entzündungswerte und die Körpertemperatur messen. „Auch bei unauffälligen Befunden kann erstmal gewartet werden, da häufig innerhalb der nächsten 24 Stunden die Wehen einsetzen.“
Falsche Lage des Kindes
Als „Lage“ bezeichnen Geburtsmediziner, wie die Längsachse des Kindes gegenüber der des mütterlichen Geburtskanals verläuft. Liegt das Kind mit seinem Köpfchen voran in Richtung Geburtskanal, befindet es sich in der Schädellage. Das Baby hat damit die besten Startbedingungen für eine natürliche Geburt. Auch in der Beckenendlage, in der das Becken des Kindes führt, ist eine vaginale Geburt prinzipiell möglich, aber mit anderen Risiken als bei der Schädellage behaftet. „Bei einem Kind in Beckenendlage kann man von außen eine Wendung durchführen“, sagt Geburtsmediziner Hartmann, „das heißt, dass man ohne Narkose, aber unter einer wehenhemmenden Medikamenten versucht, das Kind im Bauch der Mutter über eine Rückwärts- oder Vorwärtsrolle zu wenden, um es in die Schädellage zu bringen.“ Liegt das Kind allerdings quer im Bauch, muss es per Kaiserschnitt entbunden werden.
Falsche Lage des Kopfes
Mit dem Begriff „Einstellung“ beschreiben Mediziner, wie sich der Kopf des Kindes zum Geburtskanal ausrichtet – also ob beispielsweise das Gesicht des Babys zur Seite blickt oder nach oben. Letztere Stellung nennen Geburtsmediziner auch einen „Sternengucker“. Wie der Kopf im Becken liegt, kann die Hebamme bestimmen, indem sie durch die Scheide der Gebärenden nach den Schädelnähten des Kindes tastet. Bei einer unkomplizierten Geburt dreht sich der Kopf des Kindes beim Durchqueren des mütterlichen Beckens von einer queren in eine gerade Kopfposition. „Steht der Kopf aber bei seinem Versuch, durch das mütterliche Becken zu kommen, am Beckeneingang nicht quer, sondern gerade“, sagt Hartmann, „dann liegt ein sogenannter hoher Geradstand vor.“ Dann versuchen die Geburtshelfer zunächst, die Frau in eine andere Gebärposition zu bugsieren, um so eine Drehung des kindlichen Kopfes zu veranlassen. Geht es mit der Geburt dennoch nicht weiter, hilft nur ein Kaiserschnitt.
Sollten in der Endphase der Geburt die Wehen schwächer werden, helfen wehenunterstützende Medikamente. Wenn jedoch diese Maßnahmen nicht ausreichen oder das Kind gefährdet ist, müssen die Geburtshelfer zu einer Saugglocke oder Zange greifen, um das Kind zu holen.
Plazentaprobleme
Hat sich der Mutterkuchen, medizinisch Plazenta genannt, an einer untypischen Stelle eingenistet und überdeckt beispielsweise den Geburtskanal, bemerken die Frauen meistens im letzten Drittel der Schwangerschaft eine Blutung ohne Schmerzen. Anzeichen für diese als „Placenta praevia“ bezeichnete Fehllage des Mutterkuchens sollte bereits im Ultraschall während der Schwangerschaftsvorsorge auffallen – als Konsequenz daraus muss manchmal so schnell wie möglich entbunden werden. Ist das sehr weit vor der Zeit, kann es sein, dass die Mutter ein Mittel erhält, dass die Lungenreife des Kindes beschleunigt, damit die kindliche Lunge besser auf den vorverlegten Geburtstermin eingestellt ist. „Die Placenta praevia versperrt dem Baby den Weg nach außen und ist eine gefährliche Blutungsquelle“, sagt Chefarzt Hartmann. Kommt es zur Blutung, muss die Schwangere in einer Klinik aufgenommen werden. Dann muss sich die Mutter schonen, strikte Bettruhe einhalten und wehenhemmende Medikamente einnehmen. Das alles soll die Blutung stoppen. Bringt das nicht den erwünschten Erfolg, muss das Kind per Kaiserschnitt geholt werden.
Löst sich der Mutterkuchen noch vor der Geburt von der Innenwand der Gebärmutter, müssen die Geburtsärzte ebenfalls sprichwörtlich zum Messer greifen. Probleme mit der Plazenta sind auch eine der wichtigsten Ursache dafür, dass sich in den Gefäßen der Mutter Blutgerinnsel bilden, die eine lebensbedrohliche Lungenembolie auslösen können. Bei einer von 1000 Geburten bilden sich Thrombosen oder Embolien, sagen Studien. Nach Kaiserschnitt-Entbindungen noch häufiger.
Dammriss
Die unter einer Geburt entstehenden Schmerzen werden von vielen Frauen als das Maximum empfunden, was an Schmerz möglich ist. Das überrascht nicht, wenn man bedenkt, dass der durchschnittlicher Kopf eines Neugeborenen einen Umfang von rund 35 Zentimetern misst und ein kleiner, aber schon kompletter Mensch durch den Geburtskanal der Frau gepresst wird. Allein durch diese Größenverhältnisse kann bei der Geburt der Damm – der dünne Übergangsbereich zwischen dem unteren Ende der äußeren Geschlechtsorgane und dem After – enorm strapaziert werden: Er kann ein Stück einreißen oder im ungünstigsten Fall sogar bis zum Darmausgang durchreißen. Während kleinere Risse auch ohne Naht wieder verheilen, müssen tiefere operativ versorgt werden, um einer Stuhlinkontinenz vorzubeugen.
Der Muttermund öffnet sich nicht
Um ein Kind auf natürlichem Wege gebären zu können, muss sich zunächst der Muttermund öffnen. Er ist der unterste Teil des Gebärmutterhalses und normalerweise geschlossen. Mit den ersten Wehen beginnt er sich langsam zu öffnen, bis er für die Geburt einen Durchmesser von um die zehn Zentimeter erreicht hat. Erst durch den ganz geöffneten Muttermund kann das Kind geboren werden. Die Wehen öffnen zunächst den Muttermund, dann zieht sich die Gebärmutter zusammen und schiebt das Kind durch das Becken der Mutter.
Wenn jedoch die Wehen nicht stark genug sind, um das Kind mit einem ausreichenden Druck voranzudrücken, kann sich der Muttermund nicht öffnen. „Wehenauslösende Medikamente können dann Abhilfe schaffen“, sagt Geburtsmediziner Hartmann. „Solche Medikamente nutzen wir auch, um die Geburt einzuleiten, etwa bei einer Wachstumsverzögerung des Kindes, bei einer Zuckererkrankung der Schwangeren oder wenn der Geburtstermin zu lange überschritten ist.“
Verschlechterte Herztöne
Mithilfe der Kardiotokographie (CTG) werden bei einer Geburt sowohl die Herzfrequenz des Kindes als auch die Wehentätigkeit der Gebärenden aufgezeichnet. „Mit diesen Daten lasse sich gut der Gesundheitszustand des Kindes beurteilen, sagt Hartmann. Denn wenn die Herztonkurve des Kindes abfällt, kann das auf ein akutes Problem hindeuten, etwa einer Nabelschnur- oder Wehenstörung. „Droht dem Kind ein Sauerstoffmangel und stabilisieren sich die Herztöne auch nicht durch wehenhemmende Mittel, drückt ein Mitarbeiter den Alarmknopf zum Notfallkaiserschnitt“, so Hartmann. Dann strömten alle für die Schnittentbindung notwendigen Helfer – die Geburtsmediziner, die Hebammen, die OP- und Narkose-Schwestern, die Anästhesisten und die Kinderärzte – unverzüglich in den OP, um das Kind in weniger als zehn Minuten zur Welt zu bringen.
Probleme nach der Geburt
In der Regel lösen sich innerhalb einer halben Stunde nach der Entbindung des Kindes der Mutterkuchen, die Fruchthüllen und Nabelschnurreste und werden als Nachgeburt ausgestoßen. Wenn sich der Mutterkuchen aber gar nicht oder nicht vollständig von alleine löst, können starke Nachblutungen die Folge sein. „Dann muss der Geburtshelfer nach dem verbliebenen Rest tasten und ihn manuell oder mit Instrumenten entfernen“, sagt Gynäkologe Hartmann.
Eine anderes Problem liegt vor, wenn die Plazenta zwar vollständig draußen ist, aber sich anschließend die Gebärmutter nicht zusammenzieht. „Auch dann kommt es zu starken Blutungen. Dann versucht man, mit bestimmten Handgriffen oder Medikamenten die Gebärmuttermuskulatur dazu zu bekommen, dass sie sich wieder zusammenzieht“, sagt Hartmann. Zudem können mechanische Hilfsmittel wie ein in die Gebärmutterhöhle eingelegter Ballon helfen: Dieser wird langsam mit Kochsalz gefüllt. Der Gegendruck unterstützt die Gebärmutter beim Zusammenziehen. Zudem können die Geburtshelfer die blutenden Stellen durch Nähte zusammenziehen. Im schlimmsten (und seltensten) Fall muss die Gebärmutter jedoch operativ entfernt werden.