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Ein Monitor mit roten Zahlen und schwarzen Zahlen, und geduldige Terminkunden, die auf ihre Chance warten: Berliner Bürgeramt, hier im Bezirk Pankow.
© Kai-Uwe Heinrich

Berlin: Ein Termin im Bürgeramt? Gar kein Problem!

Wie man von der Dienstleistungs-Metropole Berlin innerhalb von 20 Stunden eine Chance beim Bürgeramt bekommt, weil die Sonne scheint. Ein Erfahrungsbericht.

In Bayern kann man in jeder Stadt, egal, ob Kaff oder Großstadt, per Internet alle Verwaltungssachen schnell und effizent erledigen - in Berlin ist die Beantragung eines Passes indes schon ein solcher Hype, über den man in der Zeitung berichten muss.

schreibt NutzerIn berlinerw

Es gibt solche Tage, an denen es flutscht, an denen Berlins Service-Dilemma kein Thema ist, an denen die Sonne scheint und das Bürgeramt, irgendwie, super funktioniert. Über solche Good-News-Tage wird normalerweise kaum berichtet, es könnte sich ja um eine Häufung von Zufällen handeln, die erst statistisch zu erhärten sind.

Aber es gibt solche Tage. Am Spätnachmittag des Vortages hatten wir, weil Pass und Ausweis ablaufen, online einen Bürgeramtstermin gesucht, die Ausbuchung der nächsten Wochen gesehen und nicht verstanden, wie überhaupt ein Termin für zwei Dokumente auf einmal zu bestellen wäre. Ja, sagte ohne vorherige Warteschleife die freundlich-vergnügte Dame unter der Bürgeramtszentral-Nummer 115: Dafür brauchen Sie einen Doppeltermin.

Den Perso gibt's schneller als den Pass

Jetzt habe ich keinen Zugriff mehr, auf das, was kurzfristig frei geworden ist, weil die Ämter schon zu haben, aber morgen früh ab sieben unter dieser Nummer ist der nächste freie Termin in acht Wochen zu belegen, reicht das noch für den Urlaub? Den Perso kriegt man übrigens schneller als den Pass. Das klang ermutigend und ausgesprochen nett. Anrufversuche am andern Morgen enden dann zwar, zwischen acht und neun, in der berüchtigten Warteschleife („Herzlich willkommen bei der 115, Sie haben das Service Center in Berlin erreicht“), doch um 9:45 Uhr spricht plötzlich ein leibhaftiges männliches Wesen am anderen Ende: Nein, leider hätten die Bürgerämter noch zu, erst ab zehn Uhr sei der aktualisierte Terminstand wieder für die 115er einsehbar, können Sie online? Klar, sagen wir, aber ein Doppeltermin für zwei Dokumente … Ja, das ist schwierig, sagt Herr Einseinsfünf – Moment, da kommt gerade was rein, für heute, spontan in Lichtenrade frei geworden, um 13, 15 oder 17 Uhr, geht das für Sie? Wir zögern, es ist ein bisschen wie Börse oder Basar, und greifen zu. Zwei biometrische Fotos und die alten Papiere mitbringen, sagt Herr Einseinsfünf, Ihre Nummer ist 47501. „Und wenn was dazwischen kommt, wir müssen absagen und kommen bei 115 nicht durch?“ „Naja, Absagen wäre schon gut“, sagt Herr Einseinsfünf, „aber wenn das nicht klappt, ist es auch kein Verbrechen“.

Alle sind so: nett

Auch die Fachkraft im Fotoladen auf dem Weg nach Lichtenrade ist echt nett zu uns, wie das an solchen Tagen dazugehört: Ohne Termin dürfen wir aufschlagen, und als wir „Biometrisch“ betonen, was ja etwas medizinisch klingt, sagt sie lächelnd „Wenn Sie das wollen“, als ob es da bei Passfotos Alternativen gäbe. Biometrisch tut gar nicht weh und dauert wenige Minuten. Im Bürgeramt jwd (so fühlt sich Lichtenrade an, wenn man aus dem Zentrum dahin pilgert) sind die Wartesaalstühle zur Hälfte besetzt, Senioren und jüngere Bürger. Auf dem Flachbildschirm unter „Nummer“ und „Platz“ wechseln rote und schwarze drei-, fünf- und siebenstellige Ziffern, bei manchen steht „Terminkunde“, womit kein Unterrichtsfach gemeint ist. Wir melden uns am Tresen, obwohl wir eine Nummer haben, „das ist besser so“, sagt die Dame am Computer, „ich vermerke, dass Sie da sind, Sie werden dann aufgerufen“.

Schwupps, fertig!

Während wir warten, kommt ein älterer Mitarbeiter in Army-Hose, mit langem Haar und einem Vollbart, an dem Holzketten befestigt ist, zum Tresen. Diesen Coolness-Level hätten wir hier so nicht erwartet, er studiert diverse Papiere seiner Kollegin, vielleicht ist es der Chef? Dann wird Terminkunde 47501 in Rot aufgerufen. Beim Eintritt in Raum Zwei begrüßt uns eine junge Frau mit Arm-Tatoo namentlich, das ist ja richtig persönlich, wie beim Hausarzt. Unsere Bürgeramtsfrau braucht nur ein Foto für beide Dokumente, sie nimmt von uns ruckzuck die Pass-Fingerabdrücke und zwei Unterschriften zur Digitalisierung und parallel müssen wir entscheiden, ob auch der Perso Fingerabdrücke haben und ob er online-tauglich sein soll. Das ist wirklich Multitasking. Den Pass gebe es in drei Wochen, sagt sie, ob das noch reicht? Bei ihr klingt die nette Frage so, als biete sie ganz entspannt die Express-Variante „Darf`s ein bisschen fixer sein?“ an. Wir zahlen, auch das, schwupp, nebenbei,  per Checkkarte, und obwohl an der Tür steht, dass es nur bargeldlos geht, verfügt man hier sogar

über eine „Notkasse“ für den anderen Fall. „Hat ja echt nicht wehgetan,“ sagen wir, „lagen heute morgen eigentlich viele Absagen vor, weil mehrere Termine in der Frühe hinzukamen?“ „Nein, aber heute sind alle von uns da“, sagt sie, „anders als in letzter Zeit, das entscheidet sich jeden Morgen, und dann können wir mehr freigeben.“ Ungefähr fünf Minuten hat das Ganze gedauert, rund 20 Stunden vom Erstversuch bis zum Vollzug! Ist das nun also die rühmliche Ausnahme, eine Trendwende, oder liegt es am sonnigen Mai, der den Krankenstand senkt? Berlin, unsere Dienstleistungs-Metropole! Beim nächsten Mal evaluieren wir dann die, pardon: den netten Hauptstadt-Taxifahrer.     

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