Pensionierungswelle und Stellenabbau: Piraten warnen vor Personalnotstand in Pankow
Drei Monate warten auf einen Termin beim Bürgeramt? Pankower werden sich nach solchen Zuständen vielleicht irgendwann zurücksehnen. Denn es könnte noch viel schlimmer werden.
Die Piraten warnen vor einem akuten Personalnotstand im Pankower Bezirksamt. Ab 2017 rolle eine Pensionierungswelle auf Pankow zu, sagt Jan Schrecker, Fraktionsvorsitzender der Piraten in der Bezirksverwaltung. "Es dürfte schwierig werden, die frei werdenden Stellen zu besetzen." Schrecker wirft den Verantwortlichen im Bezirksamt vor, die Entwicklung "verschlafen" zu haben. "Es wurde in den vergangenen Jahren kaum ausgebildet."
Das Bezirksamt hatte der Bezirksverordnetenversammlung zuletzt im April einen Sachstand zur Personalentwicklung vorgelegt. Danach sind etwas mehr als 39 Prozent der Mitarbeiter im Bezirksamt älter als 55 Jahre, fast 13 Prozent sind älter als 60. Das Durchschnittsalter der Beschäftigten in den Pankower Behörden liegt knapp über 50 Jahre. "Das ist sehr hoch", sagt Schrecker. Bis 2020 werden nach den Berechnungen des Bezirksamts 228 Mitarbeiter in Pension gehen, mehr als ein Drittel von ihnen haben eine Führungsposition. "Zu dieser Anzahl altersbedingt freiwerdender Stellen kommt jedoch zusätzlich eine hohe und prospektiv steigende Anzahl durch andere Arten der Fluktuation freiwerdende Stellen (...) hinzu", heißt es in dem Bericht.
Drohen nach dem vom Senat vorgegebenen Personalabbau der vergangenen Jahre also weitere Einschnitte und entsprechend neue Einschränkungen der Dienstleistungen? Werden sich die Pankower in zwei, drei Jahren nach den guten alten Zeiten zurücksehnen, als sie nur drei Monate auf einen Termin beim Bürgeramt warten mussten? Bezirksbürgermeister Matthias Köhne (SPD) wiegelt ab. "Ein Personalnotstand hätte gedroht, wenn die bisherige Personalpolitik im Land Berlin fortgesetzt worden wäre", schreibt Köhne an den Tagesspiegel. Nun investiere Berlin aber wieder in die wachsende Stadt und die Bezirke erhielten Mittel für zusätzliches Personal. So seien allein neun Stellen für Pankows Bürgerämter bewilligt worden.
Berliner Besonderheiten
Doch Berlin wäre nicht Berlin, wenn die Sache so einfach wäre. Denn auch das alte Sparprogramm, offiziell Personalzielkonzept genannt, gilt weiter. Danach müsse Pankow im laufenden Jahr andererseits 16 Stellen abbauen, erklärt Pirat Schrecker. Unterm Strich sind also doch weniger Mitarbeiter für mehr Bürger und Aufgaben vorhanden. Das wird auch aus der Vorlage für die Bezirksverordnetenversammlung deutlich. Danach beschäftigte das Bezirksamt Anfang 2016 insgesamt 2.233 Mitarbeiter. Das sind zwar 45 mehr als vor einem Jahr, die Differenz sei allerdings vor allem auf die unbefristete Übernahme von 64 Beschäftigten in der Parkraumbewirtschaftung zurückzuführen, heißt es.
Die Anforderungen an die Mitarbeiter sind angesichts des starken Zuzugs nach Pankow und der zusätzlichen Herausforderungen durch die Flüchtlingssituation demnach allerdings deutlich gestiegen. Auch von Aufgabenumschichtungen vom Senat an das Bezirksamt ist in dem Bericht die Rede. So ist das Bezirksamt beispielsweise künftig für Widerspruchsbescheide bei Sanierungen zuständig, ohne dass es dafür zusätzliche Stellen bewilligt bekommt. "In der Summe brachten diese Entwicklungen die Beschäftigten des Bezirksamtes in etlichen besonders betroffenen Bereichen an die Grenzen der Belastbarkeit."
Schrecker erwartet in den kommenden Jahren vor allem Engpässe bei Leitungsfunktionen und auch bei den Sozialämtern. Schon jetzt müssten die Mitarbeiter der Sozialämter immer mehr Fälle bearbeiten. "Das führt zur Arbeitsüberlastung und einem hohen Krankenstand", sagt er. Wenn die Pensionierungswelle einsetze, werde es wohl noch schlimmer. Der Markt für Sozialarbeiter sei schon jetzt leergefegt. Doch auch bei anderen Stellenbesetzungen sieht Schrecker Probleme auf den Bezirk zukommen. "Pankow steht hier auch in Konkurrenz zur Senatsverwaltung, die ebenfalls einen hohen Personalbedarf hat und besser zahlt." Bewerber aus Brandenburg würden zudem abgeschreckt, weil ihre Berufserfahrung bei der Gehaltseinstufung in Berlin nicht berücksichtigt werde. Köhne sieht das anders. Er bestätigt zwar, dass es nicht bei jeder Ausschreibung gelinge, sofort qualifiziertes Personal zu finden. "Aber ebenso besteht weiterhin eine große Attraktivität Berlins und Pankows, so dass viel Interesse von außerhalb besteht."
Der Bürgermeister wehrt sich auch gegen den Vorwurf, die Entwicklungen verschlafen zu haben. Dass im Haushaltsplan seit Jahren mehr Ausbildungsplätze veranschlagt sind als dann tatsächlich besetzt werden, begründet er mit einem Systemfehler beim Senat, der mehr Geld für die Ausbildung einstelle als gebraucht werde. "Wir wissen, welche ausbildungsadäquaten Stellen in drei Jahren frei werden, so dass wir dazu heute die Auszubildenden einstellen."
Und die Pensionierungen? Seit vergangenem Jahr müssen alle Stadträte jährlich eine Liste mit den zu erwartenden Pensionierungen jeweils für die kommenden fünf Jahre vorlegen. Ob die Stellen dann auch wiederbesetzt werden können, ist freilich eine andere Frage.
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