Cuvry-Brache in Berlin: Ein Schwarzmaler packt aus
Die berühmten weißen Figuren des Künstlers Blu an den Hauswänden auf der Kreuzberger Cuvry-Brache wurden übermalt. Das Geheimnis, wer dahintersteckt, ist nun gelüftet.
Erst wurde gerätselt, dann wusste in Künstlerkreisen plötzlich der eine oder andere Bescheid – aber jetzt ist es offiziell und steht noch dazu in der angesehenen britischen Tageszeitung „The Guardian“ groß zu lesen: Die populären Street-Art-Wandbilder an der Kreuzberger Cuvrybrache sind mit dem Einverständnis ihres Schöpfers, des italienischen Künstlers Blu, schwarz übermalt worden. Der Berliner Kulturwissenschaftler und Ausstellungsmacher Lutz Henke hat ausgepackt und die Aktion in einem persönlichen Beitrag für den „Guardian“ geschildert. Er pinselte selbst zusammen mit Helfern, darunter etliche Künstler. Sie schwärzten die einstigen Ikonen der Graffitiszene aus Protest „gegen die Gentrifizierung“ der Stadt. Berlin werde immer zombiehafter, es verliere seine Seele, schreibt er.
Keine Graffiti-Tour ließ die Bilder aus
Wie berichtet, war das Hüttendorf auf der langjährig besetzten Brache an der Ecke Schlesische Straße/Cuvrystraße Mitte September geräumt worden. Dort sollen ab Frühjahr 2015 die „Cuvry-Höfe“ entstehen, eine Anlage am Spreeufer mit rund 250 Wohnungen. Das Ringen um die Zukunft des Geländes machte auch im Ausland Schlagzeilen, weil es beispielhaft war für den Streit um Berlins Stadtentwicklung.
International wird gespannt verfolgt, ob es der deutschen Hauptstadt im Gegensatz zu anderen Metropolen gelingt, für Bewohner und Besucher bezahlbar zu bleiben und ihre vielfältigen Freiräume für Kultur und Experimentierfreudigkeit zu wahren. Zu dieser einmaligen Attraktivität für Touristen aus aller Welt trugen auch Blus Bilder bei. Keine Graffiti-Tour ließ sie aus.
Übermalen als eine Art von Protest
Seit 1999 schmückt Blu Großstädte mit Wandbildern. Meist enthalten sie politische Botschaften. 2007 bemalte er die 21 Meter hohen benachbarten Brandmauern in Kreuzberg. Es war sein Statement zum Wandel der einst geteilten Stadt. Auf der einen Wand rissen sich überdimensionale Gestalten gegenseitig Masken vom Gesicht. „Reclaim your City“ (Hol dir die Stadt zurück) schrieb er darüber. Nebenan trägt ein Krawattenmann zwei goldene Armbanduhren, aber die Handgelenke sind mit Handschellen gefesselt.
„Noch niemals hat mich als Künstler jemand ausgebuht“, schreibt Lutz Henke in seinem Beitrag für den Guardian. Doch als er in der Nacht zum 12. Dezember mit Helfern die zwei Graffiti und damit symbolisch Berlins Zukunftsaussichten schwarz malte, protestierten Passanten lautstark. Sie glaubten, der Investor habe den Malertrupp bestellt, der auf einer Hebebühne mächtig loslegte. „Wir wollten diese Street Art lieber vernichten, bevor sie die fortschreitende Gentrifizierung noch fördert“, so Henke. Die Streetart-Szene dürfe nicht „zum Vergnügungspark für jene werden, die sich extrem verteuerte Wohnungen leisten könnten“. Die Übermalung sei auch eine Art Wiedergeburt. „Ein Weckruf, um klarzumachen, wie wichtig es ist, lebendige, bezahlbare Areale zu erhalten.“
Street Art ist vergänglich
Bevor die Schwarzmaler anrückten, hatte eine Initiative angesichts der Baupläne für die „Cuvry-Höfe“ gefordert, beide Gemälde unter Denkmalschutz zu stellen. Weltbekannte Street Art werde zerstört. Doch gehört die Vergänglichkeit nicht zur Natur solcher Wandbilder? Ist die Kreuzberger Unangepasstheit schon museumsreif geworden? Das hielten Skeptiker der Initiative entgegen.
Lutz Henke sieht es im Guardian ähnlich. „Der Geist von Berlins Aufbruchsära sei weg, also nun konsequenterweise auch die Bilder, die ihn ausdrückten. „Vom ersten Moment ihrer Existenz an waren Blus Gemälde zum Verschwinden verdammt.“
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