Sperrstunde und Kontaktbeschränkungen: Diese Corona-Regeln gelten seit Samstag in Berlin
Eine Sperrstunde ab 23 Uhr, nachts nur kleine Gruppen. Der Senat hat die Corona-Maßnahmen verschärft. Was nun erlaubt und verboten ist – ein Überblick.
In Berlin gelten ab Samstag (10. Oktober) neue, schärfere Corona-Regeln. Das hat der Senat am Dienstagabend beschlossen. Er reagiert damit auf die explodierenden Neuinfektionszahlen. Die Maßnahmen gelten vorerst bis 31. Oktober.
Es wird eine Sperrstunde ab 23 Uhr bis 6 Uhr früh geben - alle Geschäfte und Ladenlokale müssen in dieser Zeit schließen. Das betrifft unter anderem Bars, Restaurants und Spätis. Tankstellen dürfen lediglich notwendige Ersatzteile und Treibstoff verkaufen. Apotheken dürfen weiter Medikamente verkaufen. Das ist gleichbedeutend mit einem nächtlichen Alkoholverkaufsverbot, über das der Senat bereits kontrovers diskutierte.
Außerdem wird es von 23 bis 6 Uhr neue Kontaktbeschränkungen geben. In dieser Zeit dürfen sich nur noch fünf Personen auf einmal oder Personen aus zwei Haushalten treffen. Ein spezielles Verbot für Treffen in Parks gibt es vorerst nicht.
Bei privaten Feiern gibt es ebenfalls weitere Einschränkungen. Im Innenbereich sind nur noch zehn statt bisher 25 Personen für eine Versammlung erlaubt.
Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) verteidigte die neuen Verschärfungen am Mittwoch gegen Kritik. „Die Zeit der Geselligkeit ist vorbei. Die Lage in Berlin ist ernst“, sagte Kalayci am Morgen im RBB-Inforadio. Jeder Einzelne trage Verantwortung, die Pandemie in den Griff zu bekommen.
Kalayci: „Jetzt ist einfach Abstand angesagt“
„Das ist das Nachtleben in Berlin, was uns Probleme bereitet hat in den letzten Tagen und Wochen“, sagte die Senatorin weiter. Deswegen habe der Senat gezielt Maßnahmen getroffen und gesagt, es sei Schluss damit, nachts Party zu machen. „Jetzt ist einfach Abstand angesagt. Die Winterzeit ist eine sehr gefährliche Zeit.“
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Die Berliner FDP-Fraktion hatte kritisiert, der Senat lasse sich von einer Minderheit auf der Nase herumtanzen. Wenn man Maßnahmen nicht durchsetzen könne, ergebe eine weitere Verschärfung keinen Sinn. Kalayci sagte dazu, man habe die Pandemie anfangs ausbremsen können. „Aber jetzt merken wir, dass die Disziplin nachgelassen hat, gerade bei jungen Menschen.“ Auch eine Minderheit könne sehr gefährlich sein, wenn sie sehr mobil sei und viele andere anstecke. Die Senatorin verwies zudem auf Bußgeldregelungen.
Müller: Charité warnt vor mehr schweren Fällen
Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD), Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) und Kultursenator Klaus Lederer (Linke) stellten die neuen Regeln am Dienstagabend vor. Wirtschaftssenatorin und Bürgermeisterin Ramona Pop (Grüne) ist seit Dienstag im Urlaub.
Berlin würde ohne weitere Einschränkungen auf einen neuen Lockdown zugehen, sagte der Regierende bei der Pressekonferenz am Dienstagabend im Roten Rathaus. Dann würde es keine Möglichkeit mehr geben, Bars und Restaurants überhaupt zu öffnen. „Ich bitte um Verständnis und Mithilfe in jedem Lebensbereich, um eine weitere Eskalation zu vermeiden“, sagte Müller. Er habe im Laufe des Tages mit dem Chef der Charité telefoniert. Der habe gewarnt, dass auch die Zahl schwerer Verläufe zunehme.
Kultursenator Klaus Lederer (Linke) kündigte Schwerpunktkontrollen an bekannten Hotspots an. „Wenn wir nicht hinkriegen, die Infektionsraten herunterzubekommen, werden wir härtere Maßnahmen ergreifen müssen – das wollen wir nicht“, sagte Lederer. Die Berliner müssten dafür auch Verantwortung übernehmen und sich an die Regeln halten. „Wir müssen alle Menschen auffordern, auf unnötige soziale Kontakte zu verzichten, private Kontakte auch einzuschränken.“
Berlin will Hilfe für Barbetreiber organisieren
Besonders betroffen von den Regeln werden die Barbetreiber sein, sagt Justizsenator Dirk Behrendt. Für diese Gruppe soll Hilfe organisiert werden. Restaurantbetreiber schätzt Behrendt als weniger betroffen ein, ihr Geschäft sei meist vor 23 Uhr beendet. Weitere Hilfen für Gastronomen erwähnte er nicht.
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Behrendt sagte außerdem, es werden auch die Bußgelder für Verstöße gegen die Corona-Regeln erhöht. Er ermunterte zudem die Bezirke ausdrücklich, Gastro-Betriebe bei Verstößen vermehrt dauerhaft zu schließen, wenn nichts anderes helfe. Der Justizsenator appellierte ferner an Schüler, sich in den Herbstferien nicht in Parks in großen Gruppen zu treffen – auch tagsüber. Ab 23 Uhr gelte ohnehin das Verbot, das Behrendt als „Zerstreuungsgebot“ bezeichnete.
Nach Angaben der drei Politiker könnten auch Teile der Verwaltung wieder stärker heruntergefahren werden, um Ansteckungsgefahren zu verringern. Oder umorganisiert, um Beschäftigte dort einzusetzen, wo sie im Moment besonders gebraucht werden, etwa bei der Nachverfolgung von Kontakten. Der Service in den Bürgerämtern, wo es während der Pandemie zwischenzeitlich große Probleme gab und teils noch gibt, solle „leistungsfähig“ bleiben, betonte Müller.
Regierender wehrt sich gegen Kritik von Söder und Spahn
Michael Müller hat auf der Pressekonferenz gegen den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ausgeteilt. Beide hatten sich zuvor kritisch über Berlins Umgang mit der Coronakrise geäußert.
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Söder hatte gesagt, die Situation in Berlin sei „am Rande der Nicht-mehr-Kontrollierbarkeit“, und Jens Spahn hatte angemerkt, dass man in Berlin in manchen Lokalen mit Maske angeguckt würde, als sei man vom Mond.
Müller sagte auf Söder bezogen: „Ich finde es unerträglich, dass einige Haltungsnoten geben“. Er habe bewusst nicht breitbeinig in Talkshows gesessen oder Warnungen vor Reisen nach Bayern ausgesprochen – obwohl dort tausende Coronatests verschwunden waren.
Michael Müller: „Herr Spahn erzählt eine traurige Geschichte“
Später übte Müller noch Kritik an Jens Spahn. „Dass Herr Spahn gestern eine traurige Geschichte erzählt, wie er in eine Berliner Kneipe geht und darum kämpfen muss, eine Maske tragen zu dürfen, das ist schon mal ein guter Anfang, dass er darum gekämpft hat“, sagte Müller nach der Sondersitzung des Senats. „Noch besser wäre gewesen, wenn er darum gekämpft hätte, dass alle in der Kneipe Maske tragen, oder er uns schnell einen Hinweis gibt, so dass wir schnell eingreifen können.“
Der Regierungschef wies Kritik aber nicht nur an Berlin zurück. Auch andere große Städte wie München, Köln oder Frankfurt hätten überdurchschnittlich hohe Werte bei den Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen. „Wer kann eigentlich auf dieser Grundlage mit dem Finger auf wen zeigen?“, fragte er. „Wir haben alle was zu tun.“
Erstmals zwei Corona-Ampeln auf Rot
Erst seit vergangenem Samstag gelten in Berlin neue Beschränkungen, die der Senat in der Vorwoche beschlossen hatte: Private Feiern im Freien mit mehr als 50 Teilnehmern sind seitdem verboten. In geschlossenen Räumen gilt eine Obergrenze von 25 Teilnehmern. Neu ist auch eine Maskenpflicht in Bürogebäuden.
Doch die Infektionszahlen in Berlin sind trotzdem stark angestiegen in letzter Zeit – erstmals stehen zwei Corona-Ampeln auf Rot, es gab mit mehr als 300 Neuinfektionen an einem Tag einen Pandemie-Rekord in der Stadt, Schleswig-Holstein hat vier Bezirke zu Risikogebieten erklärt und die berlinweite Inzidenz (Zahl der Neuinfektionen bei 100.000 Einwohnern in sieben Tagen) nähert sich der kritischen 50er-Grenze.
Zurzeit liegt sie bei 44,2. Ab 50 wird eine Region vom Robert-Koch-Institut (RKI) als Risikogebiet eingestuft. Sollte das passieren hat Brandenburg ein Beherbergungsverbot für Berliner angekündigt. (mit dpa)
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