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Markus Söder
© Christof Stache/AFP

Weiß-blaues Corona-Desaster?: Bayern bekommt die Pandemie kaum in den Griff

Neun der zehn aktuell am stärksten von Corona betroffenen deutschen Landkreise liegen in Bayern. Die Ursachen dafür sind vielfältig.

Geht es nach Ministerpräsident Markus Söder, läuft die bayerische Teststrategie ziemlich gut. 480.000 Menschen wurden seit dem 1. Juli getestet, 6000 davon waren positiv. Bayern habe einen weiteren Hotspot verhindert, sagte er am Dienstag. Dass seine Corona-Strategie derzeit aufgrund lokaler Ausbrüche und Testspannen negative Schlagzeilen schreibt, kann Söder nicht ganz verstehen. Es gebe überall Probleme – nur würde in Bayern besonders genau hingeschaut.

Um zu erkennen, dass neun der zehn derzeit am stärksten von der Corona-Pandemie betroffenen Landkreise in Deutschland im Bundesland Bayern liegt, muss man allerdings gar nicht besonders hinschauen. Ein Blick in die Statistik genügt: In vier der Landkreise liegt die Anzahl der neuen Infektionsnachweise sogar über dem kritischen Wert von 50 Fällen pro 100.000 Einwohnern. Das geht aus Tagesspiegel-Zahlen hervor. Doch wie ist diese lokale Bündelung zu erklären?

Laut „Bayrischem Rundfunk“ gibt es derzeit keinen punktuellen Hotspot wie Ischgl im Frühjahr, der auch für einen rasanten Anstieg der Fallzahlen in Bayern gesorgt hatte. Diesmal sei der Grund vielmehr, dass Reiserückkehrer sich seit dem 1. Juli auf Corona testen lassen können, ohne akute Symptome aufweisen zu müssen. Rückkehrer aus Risikogebieten sind seit dem 8. August sogar dazu verpflichtet.

Stand Dienstag lag die Gesamtzahl an Tests in Bayern bei rund drei Millionen. Das ist rund ein Viertel aller in Deutschland gemachten Tests. Seit Mitte Juni belegt Bayern bei der Anzahl der Tests laut nicht-repräsentativer Datenberichte des Robert Koch-Institutes (RKI) durchgehend den zweiten Platz hinter Berlin. Die Sieben-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner liegt in Bayern allerdings mit 18,79 über dem Wert von 14,0 in Berlin.

Dieser Wert zeigt, dass nicht nur das enorme Testaufkommen entscheidend ist: Die Positivrate der Tests liegt in Bayern - seit Einführung der Testpflicht für Reiserückkehrer Anfang August - nämlich bei durchschnittlich nur rund einem Prozent. Und damit auf gleichem Niveau wie der Bundesdurchschnitt.

Höheres Testaufkommen führt zu größerer Positivrate

Am 7. August lag die Anzahl an Tests noch bei knapp 20.000 pro Tag und die Positivrate bei durchschnittlich unter 0,5 Prozent. Seit dem 8. August, dem ersten Tag der Testpflicht, gab es nur wenige Tage, an denen weniger als 30.000 tägliche Tests gemacht wurden, an einzelnen Tagen überstiegen die Tests sogar die Zahl von 50.000.

Dass die Positivrate entsprechend mitwuchs, könnte mit den Reiserückkehrern zusammenhängen. Es gibt seitdem nunmehr wenige Tage, an denen die Positivrate weniger als ein Prozent betrug – der Maximalwert lag bei 1,4 Prozent Ende August.

Das RKI erklärte auf Anfrage des „BR“: „Eine Ausweitung der Testindikationen oder eine Erhöhung der Testzahl kann zu einem Anstieg der Fallzahlen führen, da zuvor unentdeckte Fälle detektiert werden.“ So erklären sich auch die betroffenen Städte in Bayern den Anstieg der Fälle.

Viele Tests, schlechte Tests? Bayern steht wegen seiner Corona-Strategien in den Schlagzeilen.
Viele Tests, schlechte Tests? Bayern steht wegen seiner Corona-Strategien in den Schlagzeilen.
© Imago

Die Stadt Rosenheim hat derzeit die meisten Fälle pro 100.000 Einwohner zu verzeichnen, es sind Stand Mittwoch 66,3. Dabei wurden dort erst vor zwei Wochen zusätzliche Beschränkungen aufgrund der Corona-Krise erlassen.

Den bundesweit gültigen Grenzwert von 50 bei der sogenannten Sieben-Tage-Inzidenz hatte Rosenheim bereits im August überschritten. Laut der neuen Beschränkungen dürfen sich nur Gruppen mit bis zu fünf statt zehn Personen in der Öffentlichkeit oder in Gaststätten treffen. Zudem sind private Feiern eingeschränkt worden. Einen deutlichen Rückgang der Infektionszahlen haben die Beschränkungen aber bislang nicht gebracht.

Stadtsprecher Christian Schwalm begründete dies damit, dass die Neuinfektionen zu 85 Prozent auf Reiserückkehrer zurückzuführen seien. Zudem sei die Inzidenzzahl stark schwankend. „Mal ist sie unter 50, mal darüber.“ Die Beschränkungen seien nun bis 18. September verlängert worden.

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Noch vor wenigen Tagen war das schwäbische Memmingen Spitzenreiter, wo es nun im Sieben-Tage-Durchschnitt 57 Fälle pro 100.000 Einwohner gibt. Damit reiht sich Memmingen nun hinter Rosenheim und vor Würzburg (56) ein.

Der Memminger Oberbürgermeister Manfred Schilder (CSU) hatte Beschränkungen für die Allgemeinheit mit dem Hinweis abgelehnt, dass die Infektionen nur auf Reiserückkehrer zurückzuführen seien, die in Quarantäne seien. Eine Sprecherin der 44.000 Einwohner großen Stadt betonte zudem, dass der Sieben-Tage-Wert in Memmingen im Vergleich zum Höhepunkt der Fallzahlen gesunken sei.

Reibungslos ist anders. Auch am Flughafen München kam es zu Corona-Testpannen.
Reibungslos ist anders. Auch am Flughafen München kam es zu Corona-Testpannen.
© Lino Mirgeler/dpa

Die vierte bayerische Stadt über dem 50er-Grenzwert ist Landshut mit 53,9 Fällen. Im gesamten Freistaat sind bisher rund 60.000 Menschen positiv auf das Coronavirus Sars-CoV-2 getestet worden. Gestorben sind bislang im Freistaat mehr als 2600 Menschen, die sich mit dem Erreger infiziert hatten.

Söder kündigt Schließung von Testzentren an

Zur angespannten Corona-Lage in Bayern tragen laut „Süddeutscher Zeitung“ allerdings auch die „katastrophalen Zustände“ in den Testzentren bei. Dort soll nicht nur geschultes Personal, sondern sollen auch Studenten, Türsteher und Security-Leute Abstriche vornehmen. Das könnte schlimme Folgen haben, berichtet ein Insider im Behördenbereich. Denn für die Entnahme des Abstrichs sei medizinisches Gespür erforderlich. „Es reicht nicht, irgendwo in der Backentasche herumzufahren.“

Wenn man das Credo „Testen, testen, testen“ ausgebe, dann müsse es auch funktionieren, sagte Fabian Mehring, der parlamentarische Geschäftsführer der Freien Wähler, die gemeinsam mit der CSU die bayrische Regierung bilden.

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Seit Anfang August mehren sich die Nachrichten zu Corona-Testpannen in Bayern. Unter anderem mussten rund 44.000 Reiserückkehrer tagelang auf ihr Ergebnis warten, bei 900 von ihnen war das Ergebnis schließlich positiv. Weil aufgrund der langen Wartezeit nicht alle in Quarantäne blieben, dürften sie weitere Personen angesteckt haben.

Am Dienstag kündigte Söder an, dass die Testzentren an der Grenze und an Hauptbahnhöfen bald geschlossen würden – allerdings nicht der Pannen wegen. Tests an den Grenzen würden nun mal nur während der Urlaubssaison Sinn machen, erklärte er. Stattdessen sollen Tests nur noch in kommunalen Zentren angeboten werden. 

Am „niederschwelligen Testen“ will Söder aber festhalten. Bayern ist das einzige Bundesland, in dem sich jeder unabhängig von Symptomen testen lassen kann. Virologen, aber auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) warnten davor, dass es dann an Testkapazitäten fehlen könnte. Dem entgegnet Söder, dass in Bayern derzeit theoretisch 100.000 Tests pro Tag möglich seien – das seien doppelt so viele wie nachgefragt würden. (mit dpa)

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